Studieren als Flüchtling Jeder Tag ist eine Herausforderung
Maryam aus dem Iran und Yonas aus Äthiopien machen gerade ihren Master an der FAU Erlangen-Nürnberg. Eine große Chance für die beiden, doch Studieren als Flüchtling bedeutet kämpfen und sich nicht entmutigen lassen. Campus Magazin hat sie besucht.
Studieren als Flüchtling bedeutet auch, anders zu sein, mit wenig Geld zurechtzukommen, keine eigene Wohnung zu haben.
Das Zimmer von Yonas im Asylbewerberheim ist ungefähr 15 Quadratmeter groß. Es gibt einen winzigen Schreibtisch mit Computer, drei Schränke und drei Betten. Yonas teilt sich das Zimmer mit zwei anderen Flüchtlingen. Und das seit einem Jahr. Privatsphäre gibt es keine. Für die Uni lernen kann der 32-jährige Yonas hier nicht: "Ich muss abends lernen und meine Mitbewohner wollen dann schon schlafen. Deswegen lerne ich im Keller, dort gibt es einen Gemeinschaftsraum, den ich nutzen kann. Also irgendwie schaffen wir das", sagt Yonas. Er ist ein positiver Mensch, versucht immer das Beste, aus seiner Situation zu machen.
In Deutschland studieren, bedeutet Freiheit
Er ist froh, dass er in Deutschland die Chance hat, zu studieren und sich eine neue Zukunft aufzubauen. In Äthiopien hat er bereits einen Bachelor- und einen Masterabschluss in Marketing gemacht. In Erlangen studiert er jetzt Entwicklungsökonomie. Der größte Unterschied zum Studium in seinem Heimatland ist für ihn, dass die Lehre in Deutschland frei ist. "Als Student hier kannst du alles lernen, was du willst, du hast Zugang zu allem, zum Internet, zur Bibliothek. Du kannst dich in Studentenorganisationen zusammenschließen und sogar das Lehrsystem kritisieren", sagt Yonas.
"In meinem Land geht das nicht. Dozenten können dort nicht über politische Themen sprechen, selbst in ihrem Büro nicht. Sogar das Internet wird kontrolliert." Nach seinem Studium hat Yonas an einer äthiopischen Uni als Marketing-Dozent gearbeitet und gegen dieses System protestiert. Dafür kam er eine Woche lang ins Gefängnis. "Beim ersten Mal gehst du noch ins Gefängnis. Beim nächsten Mal ist dann dein Leben in Gefahr. Ich hatte Angst um mein Leben und um das meiner Familie, deswegen bin ich geflohen."
Schlimme Erfahrungen im Asylbewerberheim
Auch Maryam hatte in ihrer Heimat Iran Angst um ihr Leben. Die 29-Jährige ist Christin und wurde wegen ihres Glaubens dort verfolgt. Von einem Tag auf den anderen musste sie das Land verlassen. Heute lebt sie in einer Einzimmerwohnung in Nürnberg. Dabei dürfte sie eigentlich noch gar keine eigene Wohnung haben. Sie ist genau wie Yonas in Deutschland bisher nur gestattet, ihr Asylantrag wurde noch nicht anerkannt. Nur anerkannte Flüchtlinge dürfen in Deutschland eine eigene Wohnung haben. Doch Maryam hat es in der Erstaufnahmeeinrichtung nicht ausgehalten:
"Dort war es sehr schmutzig, es war laut und man war nie allein. Das war schlimm für mich. Man muss sich das so vorstellen: Du kommt auf einmal in ein anderes Land, und du bist vor etwas Schlimmem geflohen und du brauchst irgendwo Ruhe, damit du dich seelisch regenerieren kannst."
Maryam aus dem Iran
Maryam bekam schwere Migräne. Daraufhin hat die Regierung von Mittelfranken ihr genehmigt, dass sie in eine eigene Wohnung ziehen darf.
Schwierigkeiten mit der Sprache an der Uni
Mittlerweile studiert Maryam im dritten Semester Informations- und Kommunikationstechnik in Erlangen. Die Uni-Zulassung hat sie schnell bekommen, denn der Bachelor, den sie im Iran gemacht hat, wurde anerkannt. Doch erst, wenn Flüchtlinge mindestens auf C1-Niveau Deutsch sprechen können, dürfen sie sich an deutschen Unis regulär immatrikulieren. Die Sprache war für Maryam am Anfang die größte Herausforderung: „Gerade mit Fremdwörtern hatte ich Probleme. Ein Dozent hat zum Beispiel in der Vorlesung drei oder viermal Rechner gesagt. Ich dachte, er meint einen Taschenrechner und habe viel Stoff in der Vorlesung verpasst, bis ich verstanden habe, dass er von einem Computer spricht.“ Auch das Uni-System in Deutschland ist anders als im Iran, sagt Maryam: "Im Iran sind alle Vorlesungen vorgegeben, wann du welche Vorlesung in welchem Semester machen musst. In Deutschland sagt dir das niemand, du musst alles selbst organisieren. Und wenn du so wie ich niemanden kennst, der dir am Anfang helfen kann, ist das sehr schwierig."
Zwei Stunden unterwegs zur Uni
Yonas ist auf dem Weg zur Uni. Vor ihm liegen 30 Minuten Fußweg zum Bahnhof, dann ein bis eineinhalb Stunden Fahrt von Hersbruck nach Erlangen. Am liebsten würde er umziehen, in ein Asylbewerberheim in Erlangen, doch die Behörden sagen, das gehe nicht. Für ihn heißt das, jeden Tag vier Stunden unterwegs zu sein. Yonas ist gerne in Deutschland, sagt, er wurde total herzlich willkommen geheißen und schwärmt von den vielen Freiwilligen, die ihm geholfen haben. Nur die Bürokratie, warum immer alles so kompliziert sein muss, das ist für ihn schwer zu begreifen.
Wer arbeitet, bekommt keine Unterstützung vom Staat
Auch, wenn es ums Geld geht: Yonas bekommt vom Staat 320 Euro im Monat. Viel zu wenig, um davon Kleidung, Essen, Internet, Handy, Semestergebühren und Semesterticket zu bezahlen. Gebühren und Ticket bekommt Yonas jetzt von der Initiative "BLEIB!" des Nürnberger Integrationsrats bezahlt, anders würde es nicht gehen. Außerdem hat Yonas sich eine Arbeit gesucht: Neben dem Studium putzt er jede Woche sechs Stunden in einer Tierklinik. Dort verdient er rund 300 Euro monatlich. Womit Yonas nicht gerechnet hatte: Das Geld, das er bisher vom Staat bekommen hat, wurde ihm gestrichen, seit er arbeitet.
"Viele im Asylbewerberheim sagen, es lohnt sich gar nicht zu arbeiten, weil du dann das Geld vom Staat nicht mehr bekommst. Trotzdem möchte ich arbeiten. Ich will mein eigenes Geld verdienen und von niemandem abhängig sein."
Yonas aus Äthiopien
Flüchtling sein bedeutet nicht, dass man kein Mensch ist
So sieht es auch Maryam. Auf eigenen Beinen zu stehen, ist ihr sehr wichtig. Sie arbeitet neben dem Studium als Werksstudentin in der Medizinabteilung von Siemens. Doch für die Arbeitserlaubnis musste sie lange kämpfen. Das Ausländeramt muss es genehmigen, wenn ein noch nicht anerkannter Flüchtling arbeiten möchte. Die Anhörung dort war schlimm, sagt Maryam. "Die Frau hat zu mir gesagt: ‚Du bist Flüchtling, warum studierst du überhaupt?‘ Das hat man mir beim Ausländeramt gesagt. Ja, ich bin Flüchtling, aber Flüchtling sein bedeutet nicht, dass man kein Mensch ist! Ich bin auch eine junge Frau, ich möchte auch eine Zukunft haben!" Immerhin, am Ende hat Maryam ihre Arbeitserlaubnis bekommen.
Warten auf die Anerkennung
Trotz aller Schwierigkeiten sind Maryam und Yonas froh, dass sie in Deutschland ein sicheres Zuhause gefunden haben. Beide kommen im Studium trotz anfänglicher Schwierigkeiten gut zurecht und haben Freunde in Deutschland gefunden. Was beiden aber bisher noch fehlt, ist die Anerkennung als Flüchtling. Solange sie die nicht haben, können sie jederzeit aus Deutschland ausgewiesen werden und das belaste ihn sehr, sagt Yonas: "Je länger die Entscheidung dauert, desto schlimmer ist es. Besonders wenn während der Prüfungszeit etwas passiert, ist es manchmal sehr schwierig, damit umzugehen. Manchmal wachst du mitten in der Nacht auf und kannst nicht mehr schlafen. Und du kannst nicht studieren. Wenn ich anerkannt wäre, dann würden sich alle meine Probleme in Luft auflösen. Ich könnte mir eine eigene Wohnung suchen und hätte eine richtige Arbeitserlaubnis. Ich hoffe wirklich sehr, dass das bald klappt.“ Auch Maryam hofft, dass sie bald ihre Aufenthaltsgenehmigung kriegt. Damit ihr Leben in Deutschland endlich gesichert ist.