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Ankommen in einem fremden Land Studieren als Flüchtling

Sie waren wochen- oder monatelang auf der Flucht, in Deutschland suchen sie nun nach einem Weg, im Leben gut weiterzukommen – Flüchtlinge, die studieren. So wie Mustafa: aufgewachsen in Damaskus, flüchtete er 2015 aus Syrien nach Deutschland. Wie geht es ihm bei seinem Maschinenbau-Studium in München in Zeiten von Corona mit Kontaktbeschränkungen - und wie kann es ihm gelingen, in Deutschland nicht nur einen Studienplatz, sondern eine neue Heimat zu finden? 

Von: Martin Hardung

Stand: 04.12.2020

Ankommen in einem fremden Land: Studieren als Flüchtling

Neuanfang in Deutschland - Hürden auf dem Weg

Bart, schwarze Haare, dunkle Augen. Auf zahlreiche Menschen, die 2015 im Zuge der damaligen „Flüchtlingswelle“ am Hauptbahnhof in München ankamen, trifft diese Beschreibung zu. Auch auf Mustafa. Erschöpft, in schmutziger Kleidung, mit gerade noch 50 Euro in der Tasche. Einer von vielen, die damals nur mit Hoffnung als Gepäck ankamen. Die Hoffnung auf eine wirkliche Chance im Leben. Er ist einer von fast 800.000 Menschen, die aus Syrien nach Deutschland geflohen sind. Seit 2011 befindet sich das Land in einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg.

Mustafa auf dem Weg in die Mensa der Hochschule München.

Mustafa studiert mittlerweile an der Hochschule München Maschinenbau im dritten Semester - er ist einer von rund 32.000 Geflüchteten, die derzeit regulär in einer deutschen Hochschule eingeschrieben sind. Für ihn ist seine Hochschule der Dreh- und Angelpunkt für Kontakte und damit zur Integration. Hätte er sein Land nicht verlassen müssen, hätte er seinen Bachelor schon längst in der Tasche. Denn bei der Flucht hatte Mustafa nicht nur seine Familie zurückgelassen, er musste in Deutschland auch noch mal von vorn anfangen, um einen Weg ins Studium zu finden. Wie er, wollen immer mehr Flüchtlinge in Deutschland studieren. Doch da gibt es zahlreiche Hürden: die erforderlichen Sprachkenntnisse auf C1-Niveau, Krankenversicherung, Studienfinanzierung und natürlich die Anerkennung der Hochschulreife. Um hier einen Studienplatz zu bekommen, musste er als Flüchtling dasselbe Auswahlverfahren meistern, wie alle ausländischen Studierenden - Zeugnisse, Bewerbungsgespräch, Eignungsprüfungen.

Im "Roncalli Haus" hat Mustafa seinen ersten Sprachkurs besucht und Kontakte zu Deutschen geknüpft.

Mustafa hat sich sein Zeugnis von einem Freund nachschicken lassen und einen Sprachkurs im „Roncalli Haus“ in Tutzing, einem Begegnungsort der katholischen Kirche, besucht. Während seines Asylverfahrens hätte er zwar schon studieren dürfen, das ist in Deutschland grundsätzlich gestattet, auch wenn der Flüchtlingsstatus noch nicht geklärt ist. Während Mustafa noch Sprachkurse machte, begann er bereits an der Technischen Universität München als Gasthörer, um zu schauen, wie das Unileben abläuft. Deutsch lernte Mustafa schnell. Er wechselte dann an die Hochschule München. In dem kleinen, persönlichen Rahmen gefällt ihm das Studium hier besser.

Studieren als Flüchtling in Zeiten von Corona

Corona machte es ihm jedoch – wie vielen Studierenden – nicht leicht. Im ersten „Corona Semester“ hat er nur wenige Prüfungen bestanden, sein Job als Kellner in einem Bayerischen Wirtshaus wurde ihm gekündigt. Sein Zimmer musste er aufgeben, weil er es nicht mehr bezahlen konnte. BAföG allein hat nicht mehr ausgereicht, bei den teuren Mieten in München. Heute wohnt er wieder 40 km von der Landeshauptstadt entfernt, in Tutzing, in dem Ort, in dem er 2015 nach seiner Flucht in einem Zeltlager auf einem Parkplatz untergebracht worden war. Über die Kontakte, die er damals im Roncalli Haus knüpfen konnte, ist er während der Corona Zeit privat bei einer Familie untergekommen.

Auf diesem Parkplatz hat Mustafa in einem Zelt gewohnt, als er 2015 in Deutschland ankam.

Auf seiner Odyssee von Syrien bis hierher in Deutschland hat Mustafa die Fähigkeit entwickelt, alternative Wege zu finden, wenn es auf den bisherigen nicht weitergeht. Das hilft ihm nun auch im Studium, wo wegen der Corona Beschränkungen keine Veranstaltungen an der Hochschule stattfinden. Zuhause lernen fällt ihm oft schwer, deshalb hat er sich eine Alternative gesucht: Die evangelische Hochschulgemeinde in der Nähe seiner Fakultät. Im großen Gemeindesaal kann er Corona-konform mit Studienkollegen lernen und sich austauschen.

Mustafa beim gemeinsamen Kochen in der Evangelischen Hochschulgemeinde in München.

Gelegentlich kann er dort auch bei der „Gerüchteküche“ mitmachen, eine Art kultureller „Austausch über den Magen“. Dabei treffen sich Studierende aus aller Welt, um gemeinsam landestypische Gerichte zu kochen und sich kennenzulernen. Hier hat Mustafa die Chance, auch deutsche Studierende zu treffen. Denn sonst hat er überwiegend nur Kontakt zu Landsleuten oder ausländischen Studierenden.

"Vor der Prüfungszeit habe ich nur zuhause gelernt. Es fehlte mir die Motivation, deswegen war es eine schöne Gelegenheit, mit den anderen in der Evangelischen Hochschulgemeinde lernen zu können. Das macht mehr Spaß als allein… Das war richtig schön."

(Mustafa)

Mittlerweile hat er wieder einen neuen Job in Aussicht, bei einer Firma im Sicherheitsdienst. Da gibt es auch keine Sprachbarriere, wie in einem bayerischen Wirtshaus. Der Security-Job, glaubt Mustafa, ist krisensicherer, als sein Job davor in der Gastronomie.

Angekommen?

Mustafa beim Lernen im Saal der Evangelischen Hochschulgemeinde in München.

Ist Mustafa jetzt also „voll integriert“? Was bedeutet Integration eigentlich? Im Duden finden sich Schlagwörter, wie Verbundenheit, Einheit, Verschmelzung. In Diskussionsrunden wird häufig davon gesprochen, wie wichtig es ist, dass Asylsuchende sich an die deutsche Kultur anpassen. Doch was bedeutet das? „Sozial integriert“ ist Mustafa ja bereits. Er spricht die deutsche Sprache auf C1-Niveau, studiert und arbeitet in dem Land, in dem er vor fünf Jahren angekommen ist. Trotzdem fällt es ihm oft nicht leicht, zu deutschen Kommilitonen Kontakte zu knüpfen. Warum, weiß er selbst nicht so genau. Oft ist es eine Mischung aus der eigenen Angst, nicht gut genug Deutsch zu sprechen, um ganz zwanglos mit anderen Studierenden in Kontakt zu kommen, aber auch die Reaktionen darauf, wenn er sagt, er komme aus Syrien.

"Es ist leider sehr schwierig, wenn man sagt: 'Ich komme aus Syrien.' Da fällt den Leuten gleich ein: Krieg, IS, Migration, Flüchtlinge. Es ist meistens negativ… Am besten wäre, dass sie neutral bleiben. Also weder Mitgefühl oder Mitleid zeigen, noch dass sie negativ reagieren. Also ich vermeide manchmal, zu beantworten, wo ich herkomme… Ich muss mich nicht für die negativen Sachen meiner Landsleute schämen. Ich repräsentiere nicht die anderen Leute. Jeder repräsentiert sich selbst. Ich bin Mustafa. Ich bin, wie ich bin."

(Mustafa)

Sich mit Neugier und mit Offenheit zu begegnen, das würde sich Mustafa öfter wünschen. So wie Lucas, ein Kommilitone aus Brasilien, der auf ihn zugegangen ist. Mit Lucas lernt er manchmal zusammen in der Hochschulgemeinde, manchmal machen sie aber auch etwas zusammen in der Freizeit, wie zum Beispiel wandern.

Die eigene Flüchtlingsgeschichte, eine Hürde bei der Integration?

"Ich habe schon sofort an Flüchtling gedacht. Das kommt einem in den Kopf. Aber er war mit mir im ersten Semester Maschinenbau. Da mussten wir alle durch. Ich dachte mir nur: Ich will diesen Kerl kennenlernen. Über Flüchtlingsthemen habe ich am Anfang nicht mit ihm gesprochen. Erst als die Freundschaft dann am Aufbauen war, da hat er angefangen davon zu erzählen, was in seinem Leben passiert ist, genauso wie ich auch. Das war schön."

(Lucas, Freund von Mustafa)

Zwei ausländische Studierende, die Freunde wurden: Lucas kam mit dem Flieger aus Brasilien nach Deutschland, wo er schon als Austauschschüler gewesen war. Mustafa kam als Flüchtling übers Mittelmeer in einem Boot. Studierende wie Mustafa, die notgedrungen ihr Land verlassen mussten, um hier neu anzufangen, werden unweigerlich immer wieder mit ihrer eigenen Flüchtlingsgeschichte konfrontiert. Nicht nur, weil sie in Gedanken oft bei ihren Familien sind, die noch immer unter schwierigen Bedingungen in der alten Heimat leben, sondern auch weil die Frage nach ihrer Herkunft bei jedem Kennenlernen im Raum steht.

Mustafa wünscht sich in erster Linie nicht als syrischer Flüchtling betrachtet zu werden, sondern als Student, Kollege, Freund, so wie jeder andere auch. Ein Wunsch, der in Erfüllung gehen kann, doch erst im Laufe der Zeit. Mustafa und sein Freund Lucas haben beide die Erfahrung gemacht, dass es Zeit und Geduld braucht, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen.

Weiterführende Links

Flüchtlinge an Unis: Was könnt ihr tun?
Die Hochschulen stellen sich auf Flüchtlinge ein, die wegen Krieg und Zerstörung ihr Studium nicht in ihrer Heimat abschließen oder weiterforschen konnten. Es entstehen immer mehr Programme und Initiativen. Als Angebot des Campus Magazins erfährst du hier, was es gibt und wo du dich engagieren kannst.

Studying as a refugee [study-in-germany.de]

Individuelle Beratung für Geflüchtete [proasyl.de]

You would like to improve your German skills or do you want to know more about German customs? [make-it-in-germany.com]
The federal government offers integration courses

"Geflüchtete" Uni Assist e. V.
Uni-Assist ist eine Prüfstelle und ein eingetragener Verein für internationale Studienbewerbungen. 180 Hochschulen deutschlandweit sind Mitglied dieser Vereinigung (in München gehören dazu: Technische Universität München, Hochschule München, Hochschule für Film und Fernsehen München und die Katholische Stiftungsfachhochschule München). Kernaufgabe ist, ausländische Schul- und Hochschulzeugnisse auf Gültigkeit für das deutsche Bildungssystem zu überprüfen.
Leistungen sind: Übersetzungen der Zeugnisse ins Deutsche, Umrechnung der Leistungen ins deutsche Notensystem, Überprüfen von speziellen Anforderungen der Hochschulen, Sammlung aller relevanten Daten für die Bewerbung an einer Hochschule. Bei fehlenden Dokumenten können Flüchtlinge einen sogenannten Selbstauskunftsbogen ausfüllen und darin erklären, warum sie keine Dokumente mehr nachweisen können. Alle Informationen sind in den verschiedensten Sprachen für internationale Bewerber erhältlich.
Wenn die Wunsch-Universität Mitglied des Vereins ist, läuft eine Bewerbung fast zwangsläufig immer als ausländischer Bewerber über Uni-assist.

DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst)
Der DAAD listet eine große Auswahl an Studiengänge auf, die wenig oder keine Deutschkenntnisse voraussetzen.

Study in Germany
Informationen zu Stipendien und zum Studium in Deutschland. Die Internetseite wird vom DAAD betrieben, inkl. YouTube-Kanal, der internationalen Studierenden Tipps zum Studium in Deutschland gibt.

TestAS (Test für ausländische Studierende)
Einheitlicher Test, der die Kenntnisse der Geflüchteten prüft und von vielen Hochschulen anerkannt wird.

"TestAs für Flüchtlinge", Gesellschaft für Akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e. V.


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