Orgasm Gap Die Ungerechtigkeit im Bett
50 Jahre nach der sexuellen Revolution sind Männer und Frauen immer noch nicht gleichberechtigt, auch nicht im Bett: Frauen kommen ein Drittel weniger häufig zum Orgasmus. Der Grund: Einerseits fordern Frauen ihren Orgasmus weniger ein, aber andererseits fehlt schlicht das Wissen. Abhilfe schafft: ein Orgasmus-Kurs.
Maria ist Anfang dreißig und hat seit einer ganzen Weile keinen Spaß mehr am Sex. Seitdem ihr Sohn vor drei Jahren auf die Welt kam, hat sie weder Lust noch Orgasmen. Sie hat sich entschieden, etwas dagegen zu tun und ein Orgasmus-Seminar zu besuchen. Davon erhofft sie sich eine bessere Verbindung zu ihrem Körper zu bekommen:
Im Moment ist der Sex mit ihrem Mann mehr Pflicht als Spaß. Es fällt ihr nicht leicht das Thema in der Beziehung anzusprechen, deshalb weiß ihr Mann auch nicht, dass sie das Orgasmus-Seminar besucht.
Die andere Teilnehmerin ist Selina. Sie ist Mitte zwanzig und hat beim klitoralen Orgasmus keine Probleme, aber:
Sie glaubt, da gibt es noch Potenzial ihren eigenen Körper zu entdecken.
Rollenvorstellungen beim Sex durchbrechen
Das Orgasmus Seminar „Ladies First“ veranstaltet Anna Mondry im Münchner Süden. Die gelernte Tantra-Masseurin fragt die Teilnehmerinnen zuerst einmal nach ihren Wünschen und Problemen: „Hier geht es heute um euch!“ Das Seminar soll ein sicherer Ort sein, wo ohne Scham alle Themen angesprochen werden können. Der Kurs startet mit einer Atemübung, die dazu dient, während des Sex Kopf und Körper zu verbinden. Denn viel zu oft schweifen die Gedanken ab zur To-Do Liste oder dem Stress auf der Arbeit und so wird das mit dem Orgasmus nichts.
Den Körper kennenlernen
Im nächsten Schritt teilt Anna Mondry Silikon-Vulven aus, an denen die Teilnehmerinnen Masturbationstechniken üben. Die Klitoris beschränkt sich nämlich nicht nur auf kleine Spitze, die man sehen kann, so Mondry. Sie zeigt ein Klitoris-Modell, das ungefähr die Größe einer kleinen Hand hat. „Deshalb ist es wichtig auch bei unserer Vulva alles mit einzubeziehen.“ Besonderes viele Lacher erntet die Seminarleiterin, als es um den G-Punkt geht. Der müsse nämlich „wachgeklingelt“ werden. „Wir haben in der Vagina keine Reiberezeptoren. Deshalb müssen wir gegen die Scheidenwand drücken“, sagt Mondry.
Falsche Sex-Bilder im Kopf
Allerdings ist die Technik nicht alles. Ein weiteres Problem: Die Bilder, die wir von Sex im Kopf haben und die oft durch Pornos geprägt werden. Hier läuft das klassische Drehbuch meistens so: Sie tut alles, damit er kommt. Nach der Dienstleistung ist es vorbei. Ein Ablauf, der vor allem Frauen keinen Spaß macht. In den Köpfen der Konsumenten ist er trotzdem. Sexualtherapeutin Gabriele Aigner kennt das Problem:
Aber das ist nicht so einfach: Eine Woche nach dem Seminar hat Maria immer noch nicht mit ihrem Mann geredet. Es fehle die Zeit, die Gelegenheit. Die Jobs, das Kind - immer kommt etwas dazwischen. Trotzdem habe ihr das Seminar geholfen: „Das war ein Anfang und es tut gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich damit auskennen“, sagt Maria. Vielleicht sei der nächste Schritt wirklich die Sexualtherapie. Selina, die andere Teilnehmerin, hat zwischenzeitlich ihren Freund in Marburg besucht und konnte ihr Wissen aus dem Seminar ausprobieren:
"Mir hat es geholfen, mich in meiner Vagina besser zu spüren. Wenn ich beim Sex dachte, das ist der oder der Punkt, dann konnte ich das Gefühl intensiveren, anstatt verwirrt zu sein."
Selina
Neben dem Wissen um die weibliche Anatomie braucht es auch den Willen, das Gelernte umzusetzen, und ein bisschen Übung. Damit sollte sich die Orgasm Gap schließen lassen.