Ein Film in 4 Minuten ohne Schnitt Plansequenz "STORYLIFE"
Der 24. Ausbildungsjahrgang 'Mediengestalter:in Bild und Ton' beim Bayerischen Rundfunk hat den Film "STORYLIFE" produziert. Er setzt sich kritisch mit den Sozialen Medien auseinander. Karolina Weiß war als Macherin live dabei. Sie erzählt, wie sie alles erlebt hat.
Jetzt sind wir mitten im dritten Ausbildungsjahr angelangt. Wir, fünf Auszubildende Mediengestalter:innen Bild und Ton, mit großen Träumen und ganz viel Verantwortung. Wir fünf, das sind Daniel Heinert, Florian Weiß, Robin Geigenscheder, Theodor Kossakowski und ich, Karolina Weiß. Als große Teamarbeit steht jetzt die besondere filmerische Gestaltungsform „Plansequenz“ vor der Tür. Und mit ihr unsere Workshop-Trainerin: Anja Tegethof-Caninenberg.
Anja hat ganz genaue Vorstellungen
Eine Plansequenz, praktisch ein Film ohne Schnitt. Vom französischen „plan-séquence“, etwa: eine Einstellung. Einen ganzen Film in einer einzigen Aufnahme zu drehen, ist eine unglaublich große Herausforderung. So viele Fehler können passieren, so komplex ist das Timing und so viele Richtungen müssen gleichzeitig ausgeleuchtet und bespielt werden. Auch heute noch ist die Plansequenz als die Masterdisziplin unter uns Filmschaffenden bekannt.
"Für mich ist dies die 10. Plansequenz, ein Jubiläum sozusagen. Dennoch immer wieder eine neue Herausforderung, denn man weiß nie, ob es gelingen wird. Allerdings hatte ich volles Vertrauen in das Azubi Team und in ihre Fähigkeiten, dieses anspruchsvolle Projekt erfolgreich umzusetzen. Der Verzicht auf das Editing verlangt von Regie, Kamera, Ton, Licht, Darstellern und dem gesamten Team präzise Vorbereitungen und Proben. Die verschiedenen Einstellungen müssen eben im Kopf entstehen und lassen sich im Nachhinein nicht mehr korrigieren. Das kann man sich wie eine ausgefeilte Choreografie vorstellen. Nur durch ein gemeinsames Zusammenspiel wird ein guter Film daraus entstehen."
Anja Tegethof-Caninenberg, Projektleiterin
Entwicklung des Films „STORYLIFE“
Lena, eine junge Frau, will ihren Abend mit Freunden verbringen. Diese antworten ihr, sie hätten keine Zeit. Es stellt sich aber heraus, dass ihre Freunde genauso einsam sind wie sie. Soziale Angst und die online viel diskutierte “fear of missing out” (Angst, etwas zu verpassen) stehen also dem ganzen Freundeskreis im Weg und sorgen dafür, dass schlussendlich alle zuhause bleiben, Spaß vortäuschen und niemand sozialen Kontakt hat. Mit ihrer Unehrlichkeit sind die vier Freunde keine Ausnahme. Soziale Medien verzerren unsere Wirklichkeit und verleiten uns, ein perfektes Leben vorzutäuschen. Deshalb wollten Florian Weiß und Daniel Heinert beim Verfassen des Drehbuchs unbedingt auf dieses Thema eingehen, das unsere ganze Generation so sehr beschäftigt.
Behind-The-Scenes -was läuft da ab?
Dokumentiert wurde die Woche mit ihren Höhen und Tiefen auf dem Azubi Instagram Kanal br_auszubildende mit einer passenden Insta-Story zur Plansequenz "STORYLIFE".
Jonas Schlögl, Auszubildender im zweiten Jahr, drehte außerdem ein Behind-The-Scenes-Video, das denn Drehprozess von vorn bis hinten zeigt und die Macher:innen zu Wort kommen lässt. Ein Einblick, der die Mühe um ein tolles Werk deutlich wiedergibt und gleichzeitig motiviert, sich immer wieder an eine Plansequenz zu wagen.
Der Dreh – ein wahres Biest an Planungsarbeit im Vorhinein
Um das Projekt in nur einer Woche umzusetzen, hatten wir dafür eine um so intensivere Planungszeit. Es ging los mit Drehbuch schreiben, Storyboard zeichnen, Kontakte herstellen. Es ging weiter mit Laufpläne ausarbeiten, Bühnenteile zusammenfinden, Requisite aussuchen, Darstellende finden und auf ihre Rollen vorbereiten.
Und dann konnten wir am Montag, den 20.02.23, ein Tag zum Merken, endlich das ganze 20-köpfige Team im Studio 2 in Unterföhring begrüßen. Der erste Tag war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Bühnenaufbauten hier, technische Vorbereitung da.
Am Dienstag konnten wir schnell mit den Proben beginnen. Ganz viele Proben waren das, schließlich muss jede Person zu jedem Zeitpunkt wissen, wo sie sein muss und was sie zu tun hat. Denn während man bei einem konventionellen Dreh immer nur die Einstellung wiederholen muss, in der der Fehler passiert ist, fängt man bei der Plansequenz bei jedem falschen Schritt, bei jeder unscharfen Einstellung und bei jedem Störgeräusch nochmal ganz von vorne an. Das geht so lange, bis der Film im Kasten ist.
Der Dienstag war auch der Tag des Einleuchtens, es sollte ein unkonventionelles Lichtkonzept sein, das durchaus seine versteckten Hürden aufwies. Wir wünschten uns eine dunkle Welt mit einzelnen Lichtinseln in denen unsere Protagonist:innen ihr einsames Leben in den Sozialen Medien zur Schau stellen sollen. Da darf kein Lichtfleck sein, wo er nicht hingehört. Als größte Challenge stellte sich nach den ersten Durchläufen das Spiel mit den Schatten dar. Wenn unser Kameramann Daniel zu nah an ein Objekt heranging, warf er einen Schatten darauf, blieb er jedoch zu weit weg, fehlte die Dringlichkeit, die Nähe zur Geschichte im Bild. Ständige Absprachen und enge Zusammenarbeit waren also notwendig, um die komplizierte Choreografie aus Licht, Kamera und den Spielenden auszuarbeiten.
Der Mittwoch stand im Zeichen des Drehs, 4 Minuten Dreh an einem Stück, das Ganze fehlerfrei ausgeführt, noch dazu in möglichst wenigen Takes. Daniel stellte an dem Tag deutlich fest, dass so eine Kamera auf Dauer echt schwer in der Hand liegt. Mittwochabend hatten wir also neun Takes gedreht. Darunter einen, mit dem das Team schon recht zufrieden war. Der klare Konsens allerdings: „Das geht noch besser!“
Der Donnerstag, der Tag der Entscheidung, der 23.02.23, wieder ein Tag zum Merken, mit noch mehr Takes. Mit jedem Take erweiterte sich unsere Lernkurve immens. Und unser Kameramann wird Take für Take immer platter. Dann, nach Take 26! Die entscheidende Frage: Ist er das? Kann er das gewesen sein? Die befreiende Antwort: Ja, das ist unser Film.
Wie fühlt es sich an für unser Team? Ich habe bei Florian, unserem Regiseur, Theodor, unserem Tonmeister und Daniel, unserem Kameramann nachgefragt.
"Für mich war diese Plansequenz eine ganz besondere Herausforderung, da ich normalerweise nicht der Mensch bin, der gerne viel Verantwortung für andere Menschen übernimmt. Umso spannender war es bei diesem Projekt über meinen eigenen Schatten zu springen. Besonders schön war es für mich zu sehen, wie sich der Film von der ersten Idee bis zum fertigen Endprodukt immer weiterentwickelt und auch während des Entstehungsprozesses immer neue Ideen und Anregungen einfließen konnten. Und der beste Moment ist dann natürlich, am Ende sagen zu können: ‚Cut, danke, den nehmen wir‘."
Florian Weiß, Regie
"Ich finde es wichtig, dass wir eine Plansequenz während der Ausbildung durchführen durften, denn auch, wenn es auf den Ersten Blick nicht so aussieht, lernt man dabei sehr viel für seinen späteren Arbeitsalltag. Sei das im Bereich der Kamera, dem Licht oder Ton. Aber auch, wenn die Plansequenz nicht geschnitten werden muss, lernt man für den Bereich Schnitt durch die Kamerawege und Positionen einiges dazu."
Daniel Heinert, Kamera
Ein großes Danke vom 24. Ausbildungsjahrgang
Dass wir eine Plansequenz umsetzen durften, ist nicht selbstverständlich. Deshalb gilt ein riesiger Dank Anja, die das Projekt betreute und sich unermüdlich dafür einsetzte. Außerdem ein herzliches Dankeschön an Michael Stumpf und Kajetan Bernrieder, die uns mit der größten Geduld und den besten Tipps bei der kreativen Umsetzung unserer Vorstellungen unterstützten. Danke natürlich auch an Peter Fürfanger und das gesamte Unterföhringer Team für das Ermöglichen der Bühnenaufbauten und die Unterstützung. Und zu guter Letzt ein riesiges Dankeschön an das Team der Ausbildung, die Auszubildenden und die Darstellenden für die Geduld, die Zeit und die Liebe, die Ihr in dieses Projekt gesteckt habt.
Wir konnten viel dazulernen und sind unglaublich stolz auf den fertigen Film.