Restauration und Kunsttechnologie studieren Technik als praktische Kunst
Am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der TU München lernen Studierende, wie Gemälde, Denkmäler oder alte Schriften entstanden sind und erhalten werden. Arbeit, die oft unsichtbar bleibt aber unverzichtbar für Museen, die Erhaltung historischer Gebäude und die Kunstgeschichte im Allgemeinen ist.
An den Wänden hängen farbige, verzierte Tafeln aus Holz, in den Werkstätten arbeiten Studierende an kunstvoll geschnitzten Holzfiguren oder zerfleddert aussehenden Gemälden und Wandvorhängen. Nächstes Seminar: „Vergoldungstechniken“? „Putz, Stuck, Wandmalerei“? Es ist ein kleiner Kreis aus circa 15 Menschen, die den Studiengang Restaurierung an der Technischen Universität in München (TUM) studieren können.
Techne heißt Kunst, heißt Handwerk – am „Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft“ wird eine der ursprünglichen Bedeutungen des Wortes Technologie deutlich: Die praktische Kunst und das organisierte Wissen über die Materialien, aus denen Gegenstände und Werkzeuge gefertigt werden. Bei Technik und TUM denkt man heute an künstliche Intelligenz, automatisierte Fabriken und Hochleistungscomputer. Der Lehrstuhl am Institut für Architektur erinnert jedoch an die frühesten Wissenschaften, die sich mit Kunst und Handwerk beschäftigt haben.
Kunst aus Eiern und Erdpigmenten
Anna Gunkel studiert im zweiten Semester den Master „Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft“ an der TU München.
Dorothea Kimmerle repliziert eine Jesus-Ikone mit historisch verwendeten Materialien aus Erdpigmenten und frischen Eiern als Bindemittel. Manuela Hörmann trägt akribisch mit einem Wattestäbchen Lösung auf eine Aktstudie auf. So verringert sich die Oberflächenspannung des Gemäldes und zur Reinigung ist weniger mechanischer Druck nötig. Seraina Schulze und Anna Gunkel analysieren mit UV-Licht ein riesiges Kirchengemälde, bei dem die einzelnen Farbschollen bedrohlich abzublättern drohen. Franziska Schittler bearbeitet ein eine zerstörte Trägerfläche eines Bildes aus den 1930ern mit Pinzette unter einem hell erleuchteten Mikroskop. Rasterelektronenmikroskop, Neutronenquelle oder Röntgenanlage, ein Stock höher befindet sich ein Labor für die chemischen Untersuchungen. Alte Tricks und modernste Technik paaren sich hier und bilden für die Studierenden einen interessanten Werkzeugkasten, mit dem Kunstwerke gerettet werden können, die schon hoffnungslos verloren schienen und dem Seminar mitunter zur Übung überlassen werden. Die Praxis kommt an dem eher untypischen TUM Studiengang nicht zu kurz; im Master „Restaurierung“ arbeiten die Studierenden ca. zwei Tage pro Woche an echten Projekten.
Franziska Schittler arbeitet schon seit mehreren Semestern mit dwem Mikroskop an der Restaurierung des Gemäldes.
Um hier studieren zu können, reicht es nicht, das Abitur bestanden zu haben. Die Studierenden brauchen mindestens ein Jahr Berufserfahrung in einer Restaurierungswerkstätte, um mit dem Bachelor anfangen zu können. In den Lehrveranstaltungen geht es erst mal um Theorie zu naturwissenschaftlichen Grundlagen: welche Materialien und Werkstoffe wurden früher verwendet? Welche chemischen und physikalischen Prozesse stecken hinter der Kunst? Aber auch die geisteswissenschaftliche Perspektive kommt nicht zu kurz, damit die Studierenden die Kunstwerke geschichtlich einordnen und Fragen zu ethischen Problemen der Restaurierung und Denkmalpflege beantworten können.
Der Lehrstuhl ist direkt über den Werkstätten der Archäologischen Staatssammlung im „Atelier- und Werkstattgebäude“in der Nähe des Englischen Gartens untergebracht. Kooperationen bestehen mit der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung und dem nahegelegenem Bayerischen Nationalmuseum. Dort können die Studierenden dann auch arbeiten, als Restauratorinnen oder Kuratorinnen. Auch weitere wissenschaftliche Beschäftigungen stehen den Studentinnen offen. Die Poster im Gang des Lehrstuhls erzählen von Herstellungsgeschichten besonderer Schmuck-und Möbelstücke sowie archäologischen Ausgrabungsreisen in andere Länder.
Lehrstuhlinhaber Prof. Dipl-Rest. Erwin Emmerling trägt mit Handschuhen holzgeschnitzte Figuren durch den Raum. Für Laien sehen sie eher grau und unscheinbar aus. Doch der Experte kommt regelrecht ins Schwärmen. Selten habe er Holzfiguren in dieser Schönheit und Qualität gesehen, schon der Anblick sei etwa 60 Millionen wert, witzelt er. Die internationale Ausrichtung und die Einbindung in internationale Projekte sind dem Professor wichtig und machen den Lehrstuhl einzigartig. Weil er sich seit Jahren für den Erhalt weltweiter Kulturdenkmäler und für den Wiederaufbau zerstörter Buddha-Statuen in Afghanistan einsetzt und vor Ort mit Hand angelegt hat, wurde Professor Abenteuer“, wie ihn manche Medien nannten, 2010 zum „Hochschullehrer des Jahres“ gewählt.