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Interview zu Zeitmanagement Wie man Stress und Leistungsdruck am besten vermeidet

Immer mehr Studenten fühlen sich ausgebrannt und sind verzweifelt auf der Suche nach der richtigen Study-Life-Balance. Der Diplom-Pädagoge Florian Reß hat ein paar entspannte Tipps zum besseren Zeitmanagement.

Von: Christoph Wittmann

Stand: 26.01.2016

Stress an der Uni | Bild: picture-alliance/dpa

Herr Reß, Sie veranstalten Workshops und Seminare für Studenten zum Thema "Study-Life-Balance" und besseres Zeitmanagement. Hat die Nachfrage nach solchen Beratungen zugenommen? Welche Studenten kommen denn hauptsächlich in Ihre Kurse?

Die interessierten Studierenden sind in der Regel bunt gemischt, vom Erstsemesterstudierenden bis zum Master- oder Staatsexamensabsolventen. Ein Drittel machen die sehr leistungsstarken Studierenden mit einem hohen Optimierungsbedürfnis, ein Drittel sind Durchschnittsstudierende, die den Austausch suchen und dann gibt’s noch etwa ein Drittel der Studierenden, die sich im Studium sehr schwer tun. Die Nachfrage nach Einzelberatung und Workshopangeboten steigt jedenfalls stetig an.

Eine vernünftige Study-Life-Balance: Was bedeutet das und wie kriegt man das hin?

Es ist wirklich eine Kunst, bei all den vielen Herausforderungen, Bedürfnissen, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten nicht den Überblick zu verlieren. Und es ist eine echte Herausforderung, sich ein starkes Gefühl für die – wie wir es nennen – Selbstwirksamkeit zu erhalten. Da tut es gut, von Zeit zu Zeit innezuhalten. Es geht darum, sich bewusst zu machen, welche Lebensbereiche und welche Bedürfnisse mir wichtig sind. Und darum der Quantität wieder mehr Qualität entgegenzusetzen. Balance ist dabei kein einmaliger statischer Zustand, sondern vielmehr ein tieferes Verständnis für den Wandel zwischen Phasen der Anspannung und Leistung sowie den Phasen der Ruhe und Erholung.

Was passiert in Ihren Seminare und was lernen die Studenten dort?

Meine Seminare vermitteln eine wichtige Portion Hintergrundwissen zu den verschiedenen Thematiken wie Stressbewältigung, Selbstmotivation oder Abgrenzungsfähigkeit. Auf dieser Basis setzen sich die Teilnehmerinnen dann intensiv mit ihrer eigenen Studiensituation auseinander, tauschen sich in der Gruppe aus und entwickeln Lösungs- und Veränderungsstrategien.

Welche Tipps haben Sie für die Studenten für ein besseres Zeitmanagement?

Statt einem Tipp möchte ich lieber folgende vielleicht spannende Fragen stellen: Woran würde ich in Zukunft bemerken, dass sich mein Umgang mit der vorhandenen Zeit verbessert hat? Für welche Dinge hätte ich im Leben gerne mehr Zeit? Welche unangenehmen Eigenschaften würde ich dann ablegen und durch welche positiven Eigenschaften ersetzen?

Statistiken sagen, dass die Zahl der ausgebrannten Studenten beziehungsweise die Gefahr eines Burnouts während des Studiums stetig zunimmt. Woran liegt das und wer ist besonders gefährdet?

Es gibt viele Faktoren: Der Grad der Verunsicherung nimmt bei vielen zu, hinzu kommt ein stetiger Leistungsdruck im modularisierten Studium, aber auch eine hohe Selbsterwartung der Studierenden. Gepaart mit einer häufig sehr geringen Fehlertoleranz gibt das einen gefährlichen Mix: Diese Form des Perfektionismus führt dazu, dass ich bei der Menge an zu bewältigenden Herausforderungen automatisch scheitern muss oder es zumindest als Scheitern empfinde. Und das wirkt sich negativ auf mein gesundheitliches Befinden aus. Betroffen oder besonders gefährdet sind vor allem zwei Gruppen: Zum einen junge Menschen mit sehr hohen Erwartungen an sich und ihre Zukunft, die sich in ihrer Leistungsfähigkeit überschätzen. Zum anderen Studierende, die neben dem Studium sehr viel Energie für ihre Existenzsicherung aufwenden müssen und dabei oft an die persönlichen Leistungsgrenzen gelangen.

War das Studium nicht mal die Zeit großer Freiheit?

Es kommt darauf an, das ist auch Typsache: Mit der Einführung der modularisierten Studiengänge ist viel Freiheit verloren gegangen, jedoch haben die Studierenden ein großes Maß an Strukturvorgabe, Übersicht und inhaltlichen Zielsetzungen eines Studiums dazu gewonnen.

Irgendwie haben viele das Gefühl, dass Sie immer weniger Zeit haben für immer mehr Sachen, die sie machen wollen und müssen. Ein Teufelskreis?

In unserer schnelllebigen und digitalisierten Welt wird Zeit ein immer wertvolleres Gut. Vielleicht hilft da wirklich nur ein selbstbewusstes Abgrenzen, also Nein-Sagen lernen. Die Suche nach mehr Qualität statt Quantität und die Fähigkeit, das Wesentliche vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Wer sind die großen Zeitfresser?

Die sozialen Medien als identitätsstiftende Instanz verführen dazu, permanent erreichbar und verfügbar zu sein. Das benötigt enorm viel Zeit. Damit verbunden ist oft die Bereitschaft, jeder Störung Vorrang zu geben, und ein überzogener Anspruch, es jedem und allen Recht zu machen.

Viele Studenten sparen am Schlaf, um das Gleichgewicht zwischen Study-Work-Life wiederherzustellen.

Das ist leider der falsche Ansatz. Klar, ich hab all die Anforderungen einerseits, und natürlich auch Lust – und vielleicht auch den gesellschaftlichen Druck - das Leben jetzt in vollen Zügen zu genießen. Dafür verzichten viele junge Menschen lieber auf ausreichenden Schlaf. Jedoch ist es gerade im Studium wichtig, das eigene Schlafbedürfnis wahrzunehmen und zu beachten. Aktuelle neurowissenschaftliche Forschungen weisen darauf hin, wie entscheidend der Erholungsschlaf für unsere kognitive Leistungsfähigkeit und unsere Merkfähigkeit ist. Wir lernen eben am besten im Schlaf.

Zur Person

Florian Reß ist diplomierter Pädagoge und arbeitet an der Uni Augsburg als Systemischer Therapeut und Supervisor.In seinen Sprechstunden berät er Studierende etwa bei Prüfungsängsten, Lernblockaden oder Motivationsproblemen. In regelmäßigen Workshops vermittelt er Lernstrategien und beschäftigt sich mit dem Thema Study-Life-Balance. Darin können Studierende lernen, wie sie Nein sagen, sich optimal entspannen oder ihren inneren Schweinehund zähmen. Ähnliche Beratungsangebote gibt es auch an vielen weiteren Hochschulen.

Fünf Anti-Stress-Tipps für Studenten

  • Ein realistischer Zeitplan, der Puffer für Unwägbarkeiten und Erholungspausen beinhaltet, erleichtert das Lernen spürbar.    
  • Weg mit den Störfaktoren. Also Handy abschalten, Mails ignorieren, Facebook nicht öffnen. Dann lernt sich’s wie von selbst.
  • Gönn dir Pausen. Nach spätestens einer Stunde am Schreibtisch solltest du mal aufstehen, tief durchatmen und dich strecken.
  • Kleine Belohnungen fördern die Motivation: Das kann ein Snack sein oder eine Tasse Kaffee. Den flüchtigen Blick auf Facebook lieber nicht als Belohnung einplanen. Wir wissen ja, wie’s dann läuft.
  • Gewöhn dir eine gesunde Lebensweise an: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Wasserzufuhr (mindestens 1,5 Liter) und eine im wörtlichen Sinne gesunde Portion Schlaf wirken Wunder. Und Sport wär natürlich auch eine gute Idee.

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