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Aus- und Einwanderung Eine lange Geschichte

Viele Deutsche begegnen Migranten mit Abwehr und halten sie für eine die Gesellschaftsordnung destabilisierende Gruppe - für ein Phänomen, das die "Normalität" stört. Dabei war gerade für die Deutschen in den vergangenen 200 Jahren nichts normaler als Wanderungsbewegungen im großen Stil.

Stand: 24.03.2010 | Archiv

1951 im Hamburger Hafen: Deutsche Auswanderer nach Kanada | Bild: SZ Photo

Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung betrachtet Migranten mit Skepsis und Abwehr, hält sie gar für eine bedrohliche, die Gesellschaftsordnung destabilisierende Gruppe - kurz: für ein Phänomen, das die "Normalität" stört. Dabei war gerade auch für die Deutschen in den vergangenen 200 Jahren nichts normaler als Wanderungsbewegungen im großen Stil.

Allein von 1955 bis 1986 suchte jährlich rund eine halbe Million Bundesbürger ihr Glück dauerhaft in einem anderen Land. "Es ist rätselhaft, dass eine Bevölkerung, die innerhalb ihrer eigenen Lebenszeit solche Erfahrungen gemacht hat, unter dem Wahn leiden kann, sie hätte es, angesichts heutiger Wanderungen, mit etwas noch nie Dagewesenem zu tun." So kommentierte Hans Magnus Enzensberger diese "Amnesie".

Hunderttausende Bayern sagten "Grüß Gott Amerika"

Symbol auch von Auswandererträumen: New Yorker Freiheitsstatue

Was viele Deutsche an Zuwanderern kritisieren, "ja nur" von den besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten hierzulande profitieren zu wollen, nahmen sie einst selbst in Anspruch. Allein zwischen 1800 und 1914 emigrierten rund 60 Millionen Europäer, darunter sehr viele Deutsche, vorwiegend in die USA.

Während der Übergangsphase zur Industriegesellschaft zumeist von blanker Not getrieben, konnten sie darauf hoffen, in der neuen Welt Möglichkeiten zum Überleben bzw. zu einem besseren Leben vorzufinden. An den damaligen drei großen Auswanderungswellen beteiligten sich auch viele Bayern. Allein zwischen 1846 und 1857 emigrierten 140.000 aus dem Königreich, von 1880 bis 1893 waren es noch einmal 170.000. Nordamerika blieb Hauptmagnet für Emigranten. Auch Anfang der 1950er-Jahre, als man im zerstörten Nachkriegsdeutschland noch auf das "Wirtschaftswunder" warten musste, zog es Zehntausende Bayern über den Atlantik. Sie alle wurden in den klassischen Einwanderungsländern USA und Kanada integriert und nahmen häufig die jeweilige Staatsbürgerschaft an.

Polen für den Bergbau

Einwanderungsland - wenn auch kein klassisches - ist seit langem auch Deutschland. Der erste bedeutende Zuzug in der jüngeren Vergangenheit fand Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts statt.

Viele Polen wurden Kumpel im Ruhrgebiet

Hunderttausende polnischsprachiger Menschen kamen damals in deutsche Industriegebiete. Vor allem der Bergbau im Ruhrgebiet benötigte ihre Arbeitskraft. Noch 1938 lebten fast 450.000 ausländische Arbeitskräfte in Deutschland.

Juden-Emigration, Zwangsarbeiter, Displaced Persons

Während der NS-Herrschaft verließ, so lange es möglich war, ein Teil der Juden Deutschland. In Bayern sank ihre Zahl von etwa 35.000 im Jahr 1933 bis 1941 auf 10.800. Der Rest wurde in die Konzentrationslager deportiert. Während des Zweiten Weltkriegs verschleppten die Nazis mindestens sieben Millionen ausländischer Zwangsarbeiter nach Deutschland. Nach 1945 sammelten sich zehn bis zwölf Millionen sogenannter Displaced Persons, Überlebende der KZ-Haft, in Deutschland. Viele von ihnen wanderten wieder aus.

Aus Vertriebenen werden 20 Prozent "Neubürger"

Vertreibung von Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei

Im selben Zeitraum wurden Millionen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten verjagt. Bis 1950 kamen fast zwei Millionen nach Bayern. Der Zuzug dieser "Neubürger" galt offiziell nicht als Einwanderung, da es sich um Menschen handelte, die wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit vertrieben wurden. Plötzlich hatte Bayern 20 Prozent mehr Einwohner.

Gastarbeiter, Spätaussiedler, Asylbewerber

Die Zuwanderung machte keine Pause: Zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren siedelte sich insgesamt mehr als eine Million Gastarbeiter in Bayern an.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR emigrierten aus den ehemaligen sowjetischen Gebieten mehrere Hunderttausend deutsche Spätaussiedler in den Freistaat, außerdem über 30.000 jüdische Kontingentflüchtlinge. Im selben Zeitraum kamen rund 350.000 Asylbewerber und Zehntausende Menschen im Rahmen von Familiennachzug nach Bayern.


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