Jüdisches Leben in Bayern Displaced Persons
Den Verwaltungsbegriff "Displaced Persons (DP)" hatten die Westalliierten 1944 geprägt. "Displaced" bezeichnet im Englischen etwas "Ortsfremdes". In übertragenen Sinn galt jeder als DP, der durch die Politik der Nazis und den Krieg sozial entwurzelt und politisch rechtlos wurde - in der Regel KZ-Häftlinge und aus den von den Nazis besetzten Ländern rekrutierte Zwangsarbeiter.
Als die alliierten Truppen im Mai 1945 in Deutschland einrückten, fanden sie im Gebiet der späteren drei westlichen Besatzungszonen etwa sieben Millionen so genannter "Displaced Persons" (DP) vor. Sie waren während des Krieges von den Nazis aus allen Teilen Europas verschleppt worden, aus ihrer Heimat vertrieben oder geflohen:
Stichwort: DP
DP ist die Abkürzung von "Displaced Persons". Den Verwaltungsbegriff hatten die Westalliierten 1944 geprägt. "Displaced" bezeichnet im Englischen etwas "Ortsfremdes". In übertragenen Sinn galt jeder als DP, der durch die Politik der Nazis und den Krieg sozial entwurzelt und politisch rechtlos wurde - in der Regel KZ-Häftlinge und aus den von den Nazis besetzten Ländern rekrutierte Zwangsarbeiter. Unter DPs fielen also nicht nur Juden. Der DP-Status war wichtig, um von den US-Besatzern oder von den Hilfsorganisationen unterstützt zu werden.
Zwangsarbeiter, die auf deutschem Boden arbeiten mussten, Kriegsgefangene, ehemalige KZ-Häftlinge und Osteuropäer. Rund 50.000 von ihnen waren Juden, 40.000 davon kamen in die US-Besatzungszone, die im wesentlichen aus Bayern, Hessen und Teilen des heutigen Baden-Württemberg bestand. Amerika war bereits während des Krieges zu einem der wichtigsten Zufluchtsorte für verfolgte Juden geworden. Nach 1945 ließen sich zahlreiche amerikanisch-jüdische Hilfsorganisationen in München nieder. Viele Juden kamen deshalb in die US-Zone, weil sie dort die beste Unterstützung erwarteten.
Fluchtpunkt Bayern
Die Alliierten wollten die DPs möglichst schnell in ihre Heimatländer zurückführen. Bis September 1946 kehrten tatsächlich die meisten von ihnen zurück. Die anderen konnten oder wollten Deutschland nicht verlassen: Viele waren physisch und psychisch so angegriffen, dass sie die Strapazen einer langen Heimreise nicht auf sich nehmen konnten. Oder sie wollten nicht nach Osteuropa zurück, weil dort zum Teil Pogromstimmung herrschte.
Um das Chaos zu ordnen, richteten die amerikanischen Militärbehörden mehrere DP-Lager (offiziell "assembly centers") ein, die meisten davon in Bayern. Auch die Briten schufen solche Camps in ihrer Besatzungszone. In Landsberg entstand am 9. Mai 1945 in der Saarburgkaserne - einem ehemaligen Wehrmachtsbau - eines der größten Lager.
In Föhrenwald wurde eine ehemalige Zwangsarbeitersiedlung zur Zufluchtstätte für die Ex-Häftlinge der Todesmärsche aus den KZs Dachau und Allach. Hinzu kamen in den ersten Tagen nach Kriegsende täglich neue Flüchtlingsströme aus der Umgebung. Die Lager waren schnell überfüllt.
Katastrophale Lebensbedingungen
Anfangs lebten jüdische und nichtjüdische DPs in diesen Lagern gemeinsam auf engstem Raum. Das führte häufig zu Spannungen: Juden wurden teilweise zusammen mit ihren ehemaligen Verfolgern untergebracht. Nicht selten waren sogar frühere Nazis Lagerleiter, deren Hass gegen Juden auch nach dem braunen Terror nicht nachgelassen hatte.
Hinzu kam die schlechte Versorgung: Trinkwasser und Lebensmittel waren knapp. Es entwickelten sich allerlei Tausch- und Schwarzmarktgeschäfte, die nicht selten in blutigen Auseinandersetzungen zwischen DPs, GIs, deutscher Polizei und der einheimischen Bevölkerung endeten.
Angesichts vieler Schwerkranker und katastrophaler hygienischer Bedingungen wuchs die Angst vor Typhus-Epidemien oder Tuberkulose. Die Lager wurden mit Stacheldraht von der Außenwelt abgeschottet. Trotz der Befreiung fühlten sich die Menschen eingesperrt, lebten wieder wie Gefangene in bewachten Lagern.
Separate jüdische DP-Camps
Nachdem US-Präsident Truman von den Missständen erfahren hatte, beauftragte er den angesehenen Juristen Earl G. Harrison mit Nachforschungen. Dieser kam zu einem schockierenden Ergebnis, das die Öffentlichkeit aufrüttelte. Von da an besserten sich die Zustände in den DP-Lagern.
"(Ich muss feststellen), dass ... wir die Juden anscheinend genauso behandeln wie es die Nazis taten, mit dem einzigen Unterschied, dass wir sie nicht vernichten."
US-Jurist Earl G. Harrison, August 1945
Innerhalb weniger Monate wurden sowohl in der US- als auch in der britischen Besatzungszone separate jüdische DP-Camps eingerichtet - die größten in Bayern: Neben den Lagern Landsberg und Föhrenwald wurden auch die in Feldafing, Deggendorf und Lechfeld zu ausschließlich jüdischen Camps. Die Stacheldrahtzäune verschwanden, die tägliche Kalorienzuteilung wurde erhöht, die Behörden halfen den DPs bevorzugt bei der Wohnraumsuche.
US-General Eisenhower überzeugt sich vor Ort von der Situation
Die Lager platzten förmlich aus allen Nähten: In Landsberg lebten im November 1945 rund 7.000 DPs, ursprünglich war die Saarburgkaserne nur für 2.500 Soldaten angelegt. In Föhrenwald war es ähnlich: Dort drängten sich zwischen 1946 und 1950 bis zu 4.500 DPs, obwohl das Lager maximal Platz für 3.200 Menschen bot.
Fluchtwelle aus Osteuropa
Zwischen 1945 und 1947 flohen viele nach Osteuropa zurückgekehrte Juden erneut vor den blutigen Nachkriegsexzessen aus ihrer Heimat nach Deutschland. Traditioneller Antisemitismus und die Angst, die Juden würden ihr Eigentum zurückfordern, führten zu zahlreichen Pogromen, besonders in Polen. Den gewalttätigen Ausschreitungen dort fielen erneut etwa 1.000 Juden zum Opfer. Eines der schlimmsten Pogrome fand 1946 in Kielce statt.
Mit den Flüchtlingen aus Osteuropa wuchs die Zahl der jüdischen DPs in der US-Besatzungszone von zunächst 40.000 auf den Höchststand von 150.000 im Jahre 1947. Nicht zuletzt deswegen bestand die Gruppe der jüdischen DPs hauptsächlich aus polnischen Juden.
Vorbereiten zur Auswanderung
Während die deutschen Juden in München bereits im Juli 1945 wieder eine Kultusgemeinde gründeten und bewusst den Kontakt zur nichtjüdischen Bevölkerung suchten, spielte sich das Leben der "She'erit Hapletah" eher abgeschottet von der Außenwelt in den DP-Lagern ab. Dort entwickelten sie in kürzester Zeit ein urbanes kulturelles Leben von großer Vielfalt.
Durch die Vielzahl der polnischen Juden in Bayern waren die ausgeprägten kulturellen Traditionen des polnischen Judentums aus der Vorkriegszeit und Jiddisch als Umgangssprache vorherrschend. Die "She'erit Hapletha" wollten die Zeit des Wartens in den Lagern nutzen, um sich auf das zukünftige Leben in Palästina oder USA vorzubereiten.
Link-Tipp:
Weiterführende Informationen zum Leben in den DP-Lagern unter:
Die erste bedeutende Veranstaltung der "She'erit Hapletah" fand am 27. Mai 1945 im Kloster St. Ottilien statt, weil es dort ein Krankenhaus für Shoa-Überlebende gab: Das ehemalige Kovno-Ghetto-Orchester aus Litauen gab dort ein Konzert mit jiddischen und hebräischen Liedern.
Am 1. Juli 1945 gründete sich das "Zentralkomitee der befreiten Juden in Bayern". Ein halbes Jahr später wurde es zum "Zentralkomitee der befreiten Juden in der US-Zone" - der bestimmenden Organisation für alle kulturellen Aktivitäten. Es entstanden Theater- und Tanzgruppen, es entwickelte sich eine vielfältige Zeitschriften- und Zeitungslandschaft, Parteien wurden gegründet und ein umfassendes Bildungsangebot für alle Altersgruppen aufgebaut.