9. November 1989 Als die Mauer fiel
In den Abendstunden des 9. November 1989 spielte sich eine der schnellsten und unblutigsten Revolutionen der Geschichte ab. Die Grenztore der Berliner Mauer öffneten sich unverhofft. Tausende DDR-Bürger strömten nach Westberlin - niemand hielt sie mehr auf.
Sprichwörtlich verzettelt hatte sich Günter Schabowski an jenem 9. November 1989. Sonst wäre die Berliner Mauer, das Symbol der Ost-West-Konfrontation, an einem anderen Tag zusammengebrochen. "Ab sofort, unverzüglich", antwortete der SED-Funktionär auf die Frage eines Journalisten, wann denn die neuen Reiseregelungen in Kraft träten.
Das stand so nicht auf dem Papier des Politbüros, aus dem Schabowski zuvor zitiert hatte. Die DDR-Bürger ließen sich das nicht zweimal sagen. Sie stürmten zu den Übergängen und in den Westen. Der Zweck der Mauer, die die DDR-Machthaber zynisch "antifaschistischer Schutzwall" genannt hatten, war hinfällig: die Verhinderung der Flucht aus der Diktatur. Für viele, die es dennoch versuchten, endete diese Flucht mit dem Tod. Kein Jahr nach dem 9. November 1989 war die DDR Geschichte, Deutschland wiedervereinigt.
Mauerbau
Das Ausbluten der DDR verhindern, das war der unerklärte, und doch offensichtliche Grund des Mauerbaus. Eine Diktatur schottete seine Bürger ab. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 machten Volkspolizei, NVA und Betriebskampfgruppen der DDR die Sektorengrenze zu Westberlin unpassierbar, zunächst mit Stacheldraht, dann durch eine Mauer, die die Stadt mehr als 28 Jahre lang teilte. Die zurückhaltende Reaktion des Westens überraschte die Machthaber in Moskau und Ostberlin - immerhin hatten sie den Vier-Mächte-Status Berlins verletzt. Doch die USA wollten das Risiko einerEskaltion des Ost-West-Konflikts nicht eingehen. Der Westen nahm die Teilung Deutschlands in den kommenden Jahren als notwendiges Übel hin. An eine baldige Wiedervereinigung glaubten bald die kühnsten Optimisten nicht mehr. Auf insgesamt 1.393 Kilometer durchzog Deutschland ein Todesstreifen, den die DDR mit Minenfeldern, Wachtürmen, Gräben, Hundelaufanlagen und Selbstschussanlagen perfektionierte. Der Schießbefehl sollte die Überwindung der Grenzanlagen durch Flüchtlinge verhindern.
Mauertote
Trotzdem wagen zahlreiche DDR-Bürger die Flucht - die oft im Tod endete. An der Berliner Mauer kamen bis 1989 mindestens 136 Menschen zu Tode, darunter 98 Flüchtlinge. Die Zahl der Opfer der innerdeutschen Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland soll vom Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin in einem neuen wissenschaftlichen Projekt erforscht werden. Besonders tragisch war der Tod Peter Fechters, der sich 2012 zum 50. Mal jährte. Es war einer der grausamsten Zwischenfälle an der Grenze: Der 18-jährige Bauarbeiter wurde bei dem Versuch, in der Sichtweite des Übergangs Checkpoint Charlie die Sperranlage in Richtung amerikanischer Sektor zu überklettern und in den Westen zu flüchten, von Kugeln der DDR-Grenzposten lebensgefährlich verletzt. Er blieb im Niemandsland liegen und verblutete. Dem Sterbenden kam trotz seiner verzweifelten Rufe niemand zu Hilfe. Fechters Tod machte die Skrupellosigkeit des DDR-Regimes offenbar.
Mauerfall
Der Mauerfall ist ohne die Ereignisse in der Sowjetunion, Polen und Ungarn nicht zu denken. Die Reformen in den drei Ostblock-Staaten hatten das SED-Regime unter Druck gesetzt - erweichen ließen sich die Machthaber in der DDR indes nicht. Erst als Zehntausende DDR-Bürger über über Budapest und Prag in den Westen geflüchtet waren, dachte das Regime über Reformen nach. Nachdem sich das Politbüro am 17. Oktober 1989 zum Sturz Erich Honeckers als Generalsekretär durchgerungen hatte, rückte dessen politischer Ziehsohn Egon Krenz an die Spitze der Partei. Er hielt noch an der "führenden Rolle" der SED fest. Sein Versuch, dem Aufstand der Bürger durch Dialog mit den allerdings nach wie vor als "Verfassungsfeinde" stigmatisierten Oppositionsgruppen die Spitze zu nehmen, scheiterte. Am Ende wurde die Führung vom Volk überrollt - der unerwartete Fall der Mauer lag in dieser Logik.