Vorbild Anders Breivik? "Verbindung liegt auf der Hand"
Warum? Einen Tag nach dem Amoklauf von München sind viele Menschen mit genau dieser Frage beschäftigt. Die Ermittler suchen weiter nach dem Motiv des 18-Jährigen. Die Polizei sieht einen möglichen Zusammenhang mit dem Attentat des Norwegers Anders Breivik. Eine Bestandsaufnahme
Der 22. Juli 2011 hat sich in das kollektive Gedächtnis Norwegens eingebrannt. Der rechtsextreme Anders Behring Breivik zündet im Regierungsviertel von Oslo eine Bombe, acht Menschen werden getötet. Dann fährt Breivik weiter auf die Insel Utoya. Dort sind gerade – wie traditionell jeden Sommer – hunderte Jugendliche versammelt, die Parteijugend der norwegischen Sozialdemokraten, der hoffnungsvolle politische Nachwuchs des Landes. Genau dort schießt Breivik um sich, er tötet an diesem Tag insgesamt 77 Menschen. Vor allem jungen Menschen – wie der Attentäter von München.
22. Juli 2016: Auf den Tag genau fünf Jahre später schlägt am frühen Abend im Münchner Norden der 18-jährige Schüler zu. Schießt mit einer Glock-Pistole um sich. Neun Menschen sterben, 10 weitere werden schwer verletzt. Den Ermittlern drängt sich, nicht nur wegen des Jahrestags, ein enger Zusammenhang auf. "Diese Verbindung liegt auf der Hand", sagt Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä.
Was über den Täter bekannt ist
Polizei, LKA und Staatsanwalt zählen auf ihrer Pressekonferenz am Mittag auf, was sie über den 18-Jährigen wissen. Er sei ein Einzeltäter gewesen, ein "klassischer Amokläufer". Bei der ersten Durchsuchung seines Zimmers habe man keine Hinweise auf Kontakte zur islamistischen Szene gefunden. Aber ein verdächtiges Buch: "Amok im Kopf. Warum Schüler töten." Der 18jährige hat sich mit dem Thema Amoklauf beschäftigt, offenbar intensiv.
Bundesinnenminister de Maizière ergänzt in Berlin: Bei dem 18-Jährigen wurde Material gefunden, aus dem sich ergebe, dass der junge Mann sich für den Amoklauf von Winnenden, aber auch für die Tat des norwegischen Attentäters Breivik interessiert habe. Auch die Vorstandsvorsitzende der "Stiftung gegen Gewalt an Schulen/Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden", Gisela Mayer, findet das gemeinsame Datum auffällig: "Amoktäter wählen gerne Daten und bedienen sich immer auch bestimmter Vorbilder", sagte sie der "Berliner Zeitung".
Zweite Parallele: Angriffsziel Jugendliche?
Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Der norwegische Massenmörder Breivik machte auf der Insel Utoya gezielt Jagd auf Jugendliche. Und auch beim Amoklauf in München waren es vor allem junge Leute, die getötet oder verletzt wurden. Es gibt Hinweise, dass Jugendliche via Facebook gezielt zu dem Schnellrestaurant beim Olympia-Einkaufszentrum gelockt wurden, an dem der Täter offensichtlich auf sie wartete. Dabei wurde offiziellen Angaben zufolge der Account eines Mädchens gehackt. In mehreren Postings wurde aufgerufen, zu der Fastfood-Filiale zu kommen. Die Ermittler sind dabei, den Computer des Täters auszuwerten. Auch, um solche Hinweise bestätigen zu können.
Unmöglich zu begreifen
Was gegen diese These spricht, ist der Altersunterschied: Breivik war zur Tatzeit vor fünf Jahren 32 Jahre alt, der Täter von München war 18, erschoss also weitgehend Gleichaltrige. Bundesinnenminister de Maizière bestätigte auch Hinweise, dass der Täter gemobbt worden sein soll. Auch von Schulproblemen und psychischen Problemen war bei der Pressekonferenz der Ermittler die Rede.
Die Suche nach dem Motiv, sie dürfte noch länger dauern. Und vielleicht kommt nie vollständig ans Licht, aus welchen Gründen der 18-Jährige am 23. Juli 2016 loszog, neun Menschen tötete, mehrere Personen verletzte, eine ganze Stadt und letztendlich auch ein ganzes Land in Angst und Schrecken versetzte und sich dann selbst tötete. Für die Opfer und für die Angehörigen dürfte das Motiv letztlich egal sein. So unmöglich ist es zu begreifen, wie ein junger Mensch zu einer solchen Tat überhaupt fähig sein kann. Ganz egal warum.