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Bauhaus & Co. in Bayern Walter Gropius - Unruhestand in Bayern

Gropius - der Name lässt an Weimar denken, an Berlin, New York und Selb. Hier entwirft der Bauhausgründer dem Porzellankönig Rosenthal in den 60er-Jahren eine - durchaus funktionale - Traumfabrik samt Flamingogarten und Teegeschirr.

Von: Michael Kubitza

Stand: 18.08.2011 | Archiv

Illustration mit Schriftzug Gropius | Bild: BR

Das Leben von "Mr. Bauhaus" ist eine Erfolgsgeschichte - aber auch die Geschichte einer Vertreibung: 1926 flieht das Bauhaus aus der zunehmend reaktionären Bürgerwelt Weimars in die aufstrebende Industriestadt Dessau. 1930 machen die Nazis ihm auch hier den Garaus. Bis zur "Machtergreifung" 1933 erlebt der Kreativpool moderner Formgebung eine Nachblüte in Berlin. Gropius hat sich da bereits vom verrückten Bienenstock Bauhaus verabschiedet - sechs Jahre, bevor er 1934 ganz aus Nazi-Deutschland flieht.

Bekannt ist: In den USA findet und formt sich Gropius ein neues Team, baut den Pan-Am-Wolkenkratzer in New York und die Uni Bagdad. Bekannt ist auch, dass der Bauhausgründer nach 1957 immer wieder ins zerstörte Deutschland kommt, um seinen Namen für Großprojekte wie die Berliner Gropiusstadt zur Verfügung zu stellen. Weniger bekannt ist, dass es ihn vor seinem Tod auch ins bayerische "Zonenrandgebiet" verschlagen hat, genauer: nach Amberg und Selb.

Rosenthal und der Vater der Porzellankiste

Im Alter aktiver denn je - in Bayern: Walter Gropis

Es ist die Geschichte einer Symbiose - der produktiven Seelenverwandschaft zwischen einem Architekten und einem Unternehmer. Philip Rosenthal, Sozialdemokrat und Erbe einer Porzellandynastie, hat klare Vorstellungen von menschlichen Arbeitsbedingungen, Sinn für zukunftsweisende Formgebung und Kunst und ein Faible für Gropius. 

Liebte Porzellanbilder von Vasarely und Traumfabriken von Gropius: Philip Rosenthal

Für den Architekten, der die Möglichkeiten großdimensionierter Stadtplanung zunehmend skeptisch sieht, ist es die Chance, ein überschaubares Projekt frei von Sachzwängen zu gestalten - und die großen Gedanken seiner jungen Jahre noch einmal zu denken. Vor seiner Zeit im Bauhaus hat Gropius - wie Mies van der Rohe, Erich Mendelsohn, Le Corbusier - im Büro von Peter Behrens gearbeitet. Der Maler, Architekt und Designer Behrens ist der erste, der die Idee des Gesamtkunstwerks in die Industriearchitektur übersetzt und großen Firmen wie AEG vom Produktdesign über die Firmenbauten bis zur Typografie eine schlüsselfertige Ästhetik liefert.

Corporate Design: Wenn das Dach zum Löffel passt

Nichts anderes macht Gropius für Rosenthal. Er entwirft ein heute klassisches Teeservice, einen für - bisher ausgebliebene - goldene Zeiten gedachten Stadtentwicklungsplan Selb und zwei Fertigungsanlagen, die den Workflow wie ein Maßanzug einkleiden. Dem charismatischen Rosenthal gelingt das Kunststück, den Bauhaus-Gründer Gropius und den Factory-Gründer Andy Warhol zu gewinnen - und die Arbeiter seiner eigenen Fabrik Entwürfe von Henry Moore, Niki de Saint-Phalle, Vasarely und anderen realisieren zu lassen.

Flamingos und ein Schweinestall

Gropius' Bauten zeigen Qualitäten, die viele Großraumbüros der Gegenwart alt aussehen lassen: Durch deckenhohe Fenster schweift der Blick in eine Parklandschaft mit Teichen. Weil Gropius beobachtet hat, dass die Arbeiter im alten Werk sich Blumentöpfe auf die Fensterbänke stellen, platziert er in der Mitte der Halle einen "Riesenblumentopf" - ein Gewächshaus, in dem im Winter die Rosenthal-Flamingos spazieren. Das "Feierabendhaus" mit Bibliothek, Billardtischen und Kletterwand öffnet die Anlage zur Stadt hin.

Ähnlich kongenial fällt ein Jahr später die "Glaskathedrale" der Thomas-Glaswerke in Amberg aus, deren Dachkonstruktion und weit ins Grün und Blau sich öffnende Tore die schweißtreibende Arbeit der Glasbläser optimal be- und entlüften. Weil der Berliner Baumeister gegen den Selber Porzellanfabrikanten um die Zierrandfarbe eines Services gewettet und verloren hat, hätte er beinahe noch einen Schweinestall für Fabrik-Maskottchen Roro entworfen. Der wäre wohl auch unter Denkmalschutz gestellt worden. Gropius' Tod am 5. Juli 1969 machte die Planung zunichte - der Fortgang der Geschichte noch andere.

Maschinen und Aktionäre

"Seit deinem Tod ist Rosenthal in Not", plakatierten 2008 demonstrierende "Porzelliner" - womit sie allerdings den 2001 gestorbenen, visionären Konzernchef meinten. Seit 1997 gehört Rosenthal mehrheitlich einer britisch-irischen Holding und musste im Januar Insolvenz anmelden.

Weiter südlich, in der Amberger "Glaskathedrale", stehen inzwischen riesige Maschinen. Die Panoramatore ins Grüne sind seither geschlossen, der großzügig geplante Raum ist eng geworden. Möglich, dass Ostbayern demnächst um zwei Produktionsstätten ärmer und um zwei Industriedenkmale reicher ist.


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