Bayerisches Richtergesetz "Ein intransparentes Ausguckverfahren"
Abrechnungsbetrug und mögliche politische Einflussnahme auf die Justiz - darum ging es im Untersuchungsausschuss "Labor" des Bayerischen Landtags. Nicht nur Grüne und Freie Wähler auch der Richterverein fordert eine Reform.
Das bayerische Richtergesetz ist eines der rückständigsten Deutschlands, sagt Walter Groß, Vorsitzender des Bayerischen Richtervereins. Denn über die Beförderung von Richtern und Staatsanwälten entscheidet - anders als in vielen anderen Bundesländern - allein die Staatsregierung bzw. die Zuständigen in den jeweiligen Ministerien.
Keine Ausschreibung nötig
Spitzenpositionen werden in Bayern nicht einmal ausgeschrieben. Dazu zählen die Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Landesarbeitsgerichts, des Landessozialgerichts, der Finanzgerichte, des Verwaltungsgerichtshofs und auch die Generalstaatsanwälte. "Ich würde das Verfahren als intransparentes Ausguckverfahren beschreiben", so Groß. Eine echte Unabhängigkeit der Justiz sei damit nicht gegeben, kritisiert auch Franz Schindler, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender des Rechtsausschusses im bayerischen Landtag. Er ist zwar überzeugt, dass niemand auf Spitzenpositionen von Staatsanwaltschaft und Gerichten landet, der nicht die fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Dennoch ist der Spielraum für die Staatsregierung aus seiner Sicht noch viel zu groß.
"Natürlich werden die nie sagen, wir setzen an die Stelle des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts einen treuen CSU-Diener. Das werden die nie sagen. Aber dass bei der Auswahl derjenigen, die überhaupt in Betracht kommen, das mit eine Rolle spielen kann, das wird man nicht bestreiten können. Und das ist doch der Grund, warum die CSU und die Staatsregierung diese Vorschrift im Bayerischen Richtergesetz mit Zähnen und Klauen verteidigen. Weil sie diesen Einfluss sich behalten wollen."
Franz Schindler, rechtspolitischer Sprecher der SPD in Bayern
Staatsregierung lehnt Reform ab
Die bayerische Staatsregierung weigert sich seit Jahren, eine umfassende Justizreform überhaupt zu diskutieren. In einer Stellungnahme des Justizministeriums heißt es dazu:
"Beförderungsentscheidungen orientieren sich ausschließlich an der persönlichen und fachlichen Qualifikation des Bewerbers. Für die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist entscheidend, dass Besetzungsentscheidungen schnell und rechtssicher getroffen werden, damit offene Stellen zeitnah nachbesetzt werden können."
Stellungnahme aus dem Justizministerium
Kritik an diesem System kommt mittlerweile allerdings auch immer stärker von europäischer Ebene. Der Europarat hat bereits mehrfach angemahnt, die tatsächliche Unabhängigkeit der Richter und auch der Staatsanwaltschaften in Deutschland durchzusetzen.
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Argus A., Dienstag, 27.September 2016, 14:07 Uhr
4. Unabhängige Justiz
Schon bemerkenswert wie lange so ein skandalöser Zustand andauern kann, ohne dass das jemanden stört. Wenn die Bayerischen Regeln heute in Ungarn oder Polen neu eingeführt würden, da würden sofort Stimmen laut, die eine Gefährdung des Rechtsstaates befürchten - und das zu Recht.
Da zeigt die CSU dann doch mal wieder ein Gesicht, dass eher an Strauß als an Seehofer erinnert.
Wenigstens einige Juristen wagen es, sich zu Wort zu melden - immerhin.
Artus, Dienstag, 27.September 2016, 12:11 Uhr
3. Unabhängigkeit der Justiz
Da muss sich in Bayern dringend was ändern. Ohne Druck von außen (EU) wird da kaum etwas geschehen.
Der CSU freilich passt das nicht. Wer heute Karriere am Gericht machen will muss wohl auch bei seinen Urteilen die CSU Handschrift zeigen um Karriere als Richter und Staatsanwalt zu machen.
BR24, Dienstag, 27.September 2016, 10:46 Uhr
2. @Sokrates Fan bzgl. Zitat Franz Schindler
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Sokrates Fan, Dienstag, 27.September 2016, 08:48 Uhr
1. Schindler und JM
Laut Ihrer o.g. Berichterstattung ist ja die Stellungnahme Schindlers genau dieselbe wie jene des JM. Qualitätsjournalismus ade...schnell schnell was schreiben...was soll das?