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Flucht und Recht (2) Dublin und Schengen

Sie ist in aller Munde, wenn es um das Thema Flüchtlinge geht: die sogenannte Dublin-Verordnung. Seit den 90er Jahren regelt sie, wie in der EU mit Migranten umgegangen wird. Doch die Verordnung ist höchst umstritten und stößt nun an ihre Grenzen. Wie funktioniert Dublin, wo liegen die Schwächen? Und wie hängt das Ganze mit dem Schengener Abkommen über den Abbau der Grenzkontrollen zusammen?

Von: Holger Romann

Stand: 11.10.2015 | Archiv

Illustration: Flüchtlinge vor Kartenausschnitt, Symbol: EU-Sterne | Bild: BR

Reisen ohne Pass - für EU-Bürger selbstverständlich. Und doch eine der bedeutendsten Errungenschaften der Europäischen Einigung. Vor 30 Jahren vereinbarten Deutschland, Frankreich und die drei Benelux-Staaten, Schlagbäume und Grenzzäune für immer abzumontieren - die Vision eines grenzenlosen Europas wurde Wirklichkeit:

"Der europäische Binnenmarkt beruht auf den vier großen Freiheiten: freier Verkehr für Personen, Dienstleistungen, für Waren und Kapital. Und dieser Idee musste man Leben einhauchen. Kanzler Kohl und der französische Präsident Mitterrand haben seinerzeit gesagt: gut, jetzt haben wir unsern großen Binnenmarkt, jetzt muss er auch Realität werden, indem wir die Grenzen abschaffen."

Jacques Santer, früherer EU-Kommissionspräsident

Große Freiheit Schengen?

Dem Beispiel, das Jacques Santer beschreibt, sind seit damals mehr als 20 Länder gefolgt. Auch Nicht-EU-Mitglieder, wie die Schweiz oder Norwegen, gehören zum Schengen-Raum. Im Innern dieses Raumes wird praktisch nicht mehr kontrolliert, von wenigen, zeitlich begrenzten Ausnahmen, wie dem G7-Gipfel in Elmau, Anfang Juni, abgesehen. Lange Schlangen an Grenzübergängen und Flughäfen oder penible Zollkontrollen sind im "Schengen-Land" Vergangenheit.

Zurück zum Schlagbaum?

Die große Freiheit, von der inzwischen auch die Menschen in Osteuropa profitieren, hat allerdings ihre Kehrseite: Wer im Innern die Kontrollen abschafft, muss seine Außengrenzen umso strenger sichern. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen, aber auch angesichts der wachsenden Terrorgefahr mehren sich die Stimmen derer, die sich Wachhäuschen, Zöllner und Schlagbäume zurückwünschen. Für die EU-Kommission, als "Hüterin der Verträge", bleibt Schengen trotzdem "nicht verhandelbar" …

Dublin: Wer ist zuständig für die Flüchtlinge?

Nicht-EU-Bürgern, insbesondere Flüchtlingen, ist es freilich nicht erlaubt, nach Belieben kreuz und quer durch die Union zu reisen oder sich dort anzusiedeln. Geregelt ist das in der sogenannten Dublin-Verordnung. Das Gesetz schreibt fest, welcher Staat zuständig ist, wenn ein Flüchtling in der EU einen Asylantrag stellt. Prinzipiell gilt: dort, wo der Betreffende das erste Mal seinen Fuß auf europäische Erde setzt, muss er auch registriert und sein Fall verwaltungstechnisch und juristisch behandelt werden. Reist er weiter in ein drittes Land, kann dieses ihn zurückschicken - notfalls zwangsweise.

Jahrelang funktionierte das System mehr oder weniger reibungslos, wobei Gegner es von Anfang an als ungerecht brandmarkten. Schließlich waren Staaten am Rande der EU, wie die Mittelmeer-Anrainer Italien und Griechenland, durch ihre geografische Lage benachteiligt. Deutschland, im Herzen der EU gelegen, konnten Asylsuchende legal eigentlich nur per Flugzeug erreichen.

Mit Schengen überfordert

Anders ist die Lage in Italien, Griechenland und mittlerweile auch Ungarn. Diese Länder müssen derzeit mit einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen fertig werden und sind damit sichtlich überfordert. In der Folge werden Asylsuchende häufig nicht ordnungsgemäß registriert und untergebracht, sondern einfach ins Nachbarland durchgewinkt.

Deutschland setzt Dublin aus - für Syrer

Ein Missstand, der zum Beispiel die Bundesrepublik zunehmend vor Probleme stellt. Ein Land, das stets auf strikte Einhaltung der Dublin-Regeln bestanden hat. Jetzt hat Berlin diese Regeln aus humanitären Gründen für Kriegsflüchtlinge aus Syrien ausgesetzt. In Brüssel sieht man darin einen "Akt europäischer Solidarität". Zugleich macht sich hier die Erkenntnis breit: In seiner jetzigen Form hat das Dublin-System wohl ausgedient.

Die Krux mit der Quote

Eine Alternative wäre es, die Flüchtlinge mittels fester Quoten, gemessen an Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft, gerechter auf alle 28 EU-Staaten zu verteilen; so, wie es die Kommission im Mai vorgeschlagen hat. Doch Briten, Osteuropäer und Balten stellen sich quer und setzen auf Abschottung.


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