Flucht und Recht (1) Die Genfer Flüchtlingskonvention
Nach der Katastrophe der beiden Weltkriege garantierte die Vereinbarung jedem Menschen grundlegende Rechte - auch wenn sie auf der Flucht sind. Doch wie so oft klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Die Genfer Konvention ist nicht immer einfach umzusetzen.
Der 28. Juli 1951 ist mit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention auf einer Sonderkonferenz zweifelsohne ein Meilenstein im Kampf um Menschenrechte, Grundrechte und insbesondere die Rechtsstellung von Flüchtlingen gewesen.
1967 wurde diese Rechtsstellung in einem gesonderten Protokoll noch einmal ergänzt. 145 Staaten sind der Flüchtlingskonvention beigetreten. Sie war zunächst darauf angelegt, hauptsächlich europäische Flüchtlinge im Zuge der massiven Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs zu schützen, wie der damalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld 1959 in einer beeindruckenden Rede betonte:
"Es wird angenommen, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges etwa 40 Millionen Männer Frauen und Kinder Flüchtling geworden sind. Viele, etwa 15 Millionen, sind noch Flüchtlinge. Das Flüchtlingsproblem ist ein menschliches Problem. Es liegt an jedem von uns, dieser Aufforderung Folge zu leisten."
Dag Hammarskjöld
Ein Satz, der auch heute noch gilt - mehr denn je. Denn seit Ende 2014 warnt die UNO, dass das globale Flüchtlingsheer auf mittlerweile 60 Millionen Menschen angestiegen ist. Das ist der höchste Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Symptom für die Lage der Welt
Flucht und Vertreibung seien ein Symptom für die Lage der Welt, so UN-Flüchtlingskommissar Antonio Gutiérrez im Juni dieses Jahres. Wann immer man in diesen Tagen einen internationalen Nachrichtenkanal aufsuche, gewinne man den Eindruck, dass die Welt in Krieg sei:
"This placement is just a symptom of the state of the world. And if in any day we see the news of an international news channel, it looks like the world is a world at war."
Antonio Guitiérrez
Klare Regeln - aber noch kein Recht auf Asyl
Die Genfer Flüchtlingskonvention legte zum ersten Mal im Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge fest, wer ein Flüchtling ist, welche Hilfe und welche sozialen Rechte Menschen auf der Flucht erhalten sollen, aber auch welche Pflichten sie zu erfüllen haben. Konkret heißt es in Art. 1 der Konvention: "Flüchtling ist jede Person, die sich aufgrund von Ereignissen aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit oder wegen politischer Überzeugung außerhalb ihres Heimatlandes befindet." Dies gilt auch für Staatenlose.
Die Definition bedeutet nicht automatisch ein Asylrecht, betont Martina Caroni, Professorin für Völkerrecht an der Universität Luzern:
"Wir haben die Flüchtlingskonvention einerseits: Die gibt Flüchtlingen - der Begriff ist sehr eng gefasst: Das sind Personen, die hauptsächlich aus politischen Gründen, religiösen Gründen verfolgt werden - ein Recht, Schutz zu erhalten. Es ist nicht ein Recht auf Asyl, aber Recht auf Schutz. Sie dürfen auch nicht zurückgeschickt werden, das ist dieses 'Non-refoulement-Gebot'."
Martina Caroni
Kein Recht für Verbrecher
Die Flüchtlingskonvention gilt nicht für Kriegsverbrecher, Kriminelle oder Gangster. Als allgemeine Verpflichtungen müssen Flüchtlinge die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Gastland beachten. Jeder Flüchtling hat freien und ungehinderten Zugang zu Gerichten, genießt Religionsfreiheit, darf bei der Arbeits- oder Wohnungssuche nicht diskriminiert werden und soll Zugang zu Unterricht oder Studium erhalten, zu medizinischer Versorgung, soziale Sicherheit sowie einen Personalausweis.
Keine Eingriff in die staatliche Souveränität
Allerdings müssen Flüchtlinge auch Steuern bezahlen, wenn Sie einen Job bekommen. Die Ausweisung darf nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen und zwar in einem durch gesetzliche Bestimmungen geregelten Verfahren. Das heißt: Aufnahme oder Ausweisung bestimmen die einzelnen Länder. Hier kann die UNO souveränen Staaten weder Vorschriften machen noch sie durchsetzen.
Die Genfer Flüchtlingskonvention ist also ein Rahmenwerk, das idealpolitische Vorstellungen und Forderungen formuliert , die in der Praxis nicht immer einfach umzusetzen sind.