Mafia in Bayern Die Probleme der Mafia-Jäger
"Großer Lauschangriff", Straftatsbestand der Mafia-Zugehörigkeit, Beschlagnahme von Vermögen - in Italien verfügen die Behörden über ein breites Instrumentarium zur Fahndung und Strafverfolgung - ganz im Gegensatz zu Deutschland.

Im Juli 2010 gelang der italienischen Polizei ein ganz großer Coup gegen die 'Ndrangheta. Nach jahrelangen Ermittlungen der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaften in Mailand und Reggio Calabria wurden 300 zum Teil hochrangige Mafiosi festgenommen und Immobilien im hohen zweistelligen Millionenbereich beschlagnahmt. Insgesamt zogen in Italien die Behörden in den vergangenen zwei Jahren Vermögenswerte in Höhe von mehreren Milliarden Euro ein. Das wäre in Deutschland nicht möglich gewesen. Auch beim eingangs des Dossiers geschilderten Sonthofener Fall waren die Ermittler davon ausgegangen, dass die Verdächtigen einer mafiösen Struktur angehören, konnten aber nicht den Nachweis erbringen.
Dafür ist in Deutschland ein sehr hoher Ermittlungsaufwand nötig. Wie meist in solchen Fällen kamen auch in der Causa Sonthofen Verurteilungen wegen Rauschgiftdelikten heraus - und nicht etwa wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Unterschiedliche Rechtssysteme
Die beiden Ereignisse zeigen exemplarisch die länderspezifisch unterschiedlichen Zugriffsmöglichkeiten der Behörden, es gibt in diesem Zusammenhang keine EU-weit verbindlichen Gesetze.
Allein im Vergleich zwischen Italien und Deutschland existieren bereits große Abweichungen im Rechtssystem.
Eine Übersicht zur "Standortfrage" von Mafiosi zeigt nebenstehende Bildergalerie.
An die "großen Fische" kommt man nicht heran
Bei der Mafia-Bekämpfung gehen in Deutschland der Polizei fast nur "kleine Fische" ins Netz. "Die meisten Fälle, die vor bayerischen Gerichten verhandelt wurden, hatten entweder Drogenhandel, in Einzelfällen Schutzgelderpressung, Waffenhandel als Ursache", erinnert sich Josef Geißdörfer, der ehemalige Leiter des Dezernats für Organisierte Kriminalität beim LKA München. An die eigentlichen Drahtzieher, die Clanchefs, kämen die Fahnder jedoch nicht heran.
Internationale Zusammenarbeit mangelhaft
Oft genug sind deutsche Ermittler angewiesen auf Informationen aus Italien, doch die fließen längst nicht immer im erforderlichen Umfang. Nach dem Massaker von Duisburg 2007 wurde eine deutsch-italienische Taskforce gegründet, doch ihre Effektivität wird von Fachleuten unterschiedlich eingeschätzt. Mit russischen Behörden gibt es so gut wie keine Kooperation.
Hohe Hürden beim "Lauschangriff"
Das wirksamste Mittel, um Mafiosi zu überführen, scheint das Abhören von Telefongesprächen zu sein. In Italien gewännen die Behörden 90 Prozent der Informationen über die Mafia durch angezapfte Leitungen, berichtet Roberto Scarpinato.
Der sizilianische Oberstaatsanwalt gehörte schon dem Anti-Mafia-Pool um die ermorderten Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino an, ist bis heute einer der führenden Mafia-Jäger in Italien, lebt daher seit rund zwei Jahrzehnten isoliert und ständig unter Polizeischutz.
Von solchen Zugriffsmöglichkeiten können deutsche Fahnder nur träumen. Um einen richterlichen Beschluss für den "Lauschangriff" zu erwirken, muss ein Staatsanwalt einen langen Atem haben. Die Ermittler befinden sich hier zudem in einer Zwickmühle: Abhören erleichtert zwar ihre Arbeit, andererseits verteidigen viele Staatsanwälte und Polizisten das hohe deutsche Rechtsgut des Schutzes der Privatsphäre.
Laxe Verhältnisse in Italien
Zwar verbucht Italien die spektakuläreren Fahndungserfolge als Deutschland, aber die justizielle Nachhaltigkeit steht auf einem anderen Blatt. Ob Verfahren verjähren oder Urteile in der dritten Instanz vom Kassationsgericht gekippt werden: Verhaftete Mafiosi sind in Italien häufig relativ schnell wieder auf freiem Fuß. Und es gibt noch ein weiteres Problem: "Durch die Regierung Berlusconi werden ja regelmäßig Amnestien ausgesprochen. Die Masse ist da ganz schnell wieder freigelassen", beklagt der Kemptener Staatsanwalt Gunther Schatz.
Harter Strafvollzug in Bayern
In Bayern etwa sei der Strafvollzug dagegen wesentlich härter, wovor nicht nur italienische Kriminelle inzwischen Respekt hätten, sondern auch osteuropäische, wie die folgenden Auszüge von Telefongesprächen zeigen, die die Staatsanwaltschaft Kempten abhören ließ: