Mafia in Bayern Die Arbeitsweise der 'Ndrangheta
Mit Kokain verdient die 'Ndrangheta Milliarden. Doch wohin mit dem kriminellen Geld? Vergraben kann es die Mafia nicht, daher wäscht sie einen Gutteil davon. Pizzerien eignen sich für die dunklen Geschäfte der 'Ndrangheta besonders gut.
Im Juli 2010 warnte das Bundeskriminalamt (BKA) vor zunehmender Kriminalität italienischer Banden in Deutschland. Mehrere Hundert mutmaßliche Mafia-Mitglieder leben demnach dauerhaft hier, mehr als die Hälfte sollen dem Syndikat mit dem sperrigen Namen 'Ndrangheta angehören. "Bezogen auf das Investitionsverhalten und die Geldflüsse der Clans werden die Hinweise immer deutlicher, dass in Deutschland Investitionen in großer Höhe vorgenommen werden, hauptsächlich im Gastronomie- und Hotelgewerbe", hieß es weiter aus BKA-Quellen. "Investitionen in großer Höhe" - das bedeutet im Klartext: Da ist Geldwäsche im Spiel. Aufgrund der für sie vorteilhafteren Gesetzeslage wählen Mafiosi dazu lieber ein Land wie Deutschland als Italien.
Geldwäsche in großem Stil
Das Geld wird gewaschen, weil es kriminell erworben wurde. Die Mafia verfügt über horrende Summen. Laut Francesco Forgione, dem Ex-Vorsitzenden des Mafia-Ausschusses im italienischen Parlament, machen 'Ndrangheta, Camorra und Cosa Nostra zusammen einen Jahresumsatz zwischen 120 und 180 Milliarden Euro (Angaben von 2009).
Das entspricht mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts Italiens. Einer der lukrativsten Zweige der Schattenwirtschaft ist der Handel mit Rauschgift, vor allem mit Kokain. Darauf hat sich besonders die 'Ndrangheta spezialisiert, die diesen internationalen Markt inzwischen weitgehend kontrolliert.
Clans der Organisation beziehen den Stoff im Wesentlichen über Seerouten von südamerikanischen Drogenkartellen. Rotterdam, Hamburg und Antwerpen sind die drei wichtigsten europäischen Häfen, wo das weiße Pulver ankommt.
Goldgrube Kokain
Mit Kokain erzielt die Mafia riesige Gewinnspannen, zumal sie nach Angaben von Mario Huber, Leiter des Dezernats für Organisierte Kriminalität am Landeskriminalamt in München, mittlerweile Zwischenhändler auf dem Weg des Stoffes von Kolumbien oder Peru nach Europa ausgeschaltet hat. Für ein Gramm Kokain zahlt die 'Ndrangheta 2,50 Euro an südamerikanische Drogenbarone. Im Verkauf kostet das Gramm 60 Euro.
Zusätzlichen "Mehrwert" schafft man durch Qualitätsverminderung: Ein Kilo Kokain wird in eigenen Laboren auf zwei gestreckt.
So verdient die 'Ndrangheta schätzungsweise jährlich mehr als 30 Milliarden Euro allein durch illegalen Rauschgift-Handel. Die Organisation sei eine "Holding des Drogenmarktes", sagt Forgione - und "Deutschland ein Zentrum des Kokainhandels".
Gutbürgerliche Kunden
Auch wenn die 'Ndrangheta ursprünglich aus Kalabrien kommt, sitzen ihre Bosse längst auch anderswo, vor allem in Mailand. Diese verstehen sich heutzutage weniger als allmächtige "Paten" denn als Geschäftsleute, die in Büros mit schicken Designer-Möbeln residieren - wie ein Gutteil ihrer Kunden: In der 1,3-Millionen-Metropole Mailand leben italienischen Experten zufolge etwa 130.000 regelmäßige Konsumenten der Modedroge Kokain.
Dessen leistungssteigernde Wirkung schätzen längst nicht nur mehr unter Ausdauerdruck stehende Partylöwen, sondern auch gestresste Rechtsanwälte, Ärzte oder Hochleistungssportler. Kokain muss man sich leisten können, es ist kein Stoff für Junkies und Aussteiger.
Pizzeria mit Drogen-Lager
Zwar ist Mailand laut Forgione die europäische Kokain-Hauptstadt, doch ähnliches Klientel, und nicht zu wenig davon, wartet auch in Amsterdam, Zürich, Berlin, Frankfurt oder München auf Nachschub.
37 Kilo Kokain - im Dezember 2007 entdeckt und sichergestellt von der bayerischen Polizei
Die 'Ndrangheta-Bosse lassen den verdünnten Stoff dementsprechend in ihre "Filialen" transportieren - meist italienische Restaurants, die zur Tarnung Pizza, Pasta und Pannacotta anbieten, aber in Wirklichkeit Umschlagplätze für europaweiten Kokainhandel sind.
Der ahnungslose Gast speist in südländischem Ambiente - und hat keinen blassen Schimmer, dass im Keller oder im Hinterzimmer kiloweise Drogen lagern, die nur darauf warten, an ihre Endverbraucher verkauft zu werden. Aber die Pizzeria hat - siehe oben - ja noch eine weitere Funktion: Geldwäsche.