NSU-Prozess, 421. Verhandlungstag Verteidiger fordern maximal zehn Jahre Haft für Zschäpe
Im NSU-Prozess haben die Verteidiger von Beate Zschäpe eine Freiheitsstrafe von höchstens zehn Jahren für ihre Mandantin gefordert. Zum Abschluss ihres zweieinhalbtägigen Plädoyers stritten die Anwälte die Mittäterschaft ihrer Mandantin an den Taten des NSU rundweg ab.
Hermann Borchert und Mathias Grasel forderten damit ein Strafmaß, das deutlich abweicht von der Maximalstrafe, die die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer gefordert hat. Sie streiten die Mittäterschaft ihrer Mandantin an den Taten des NSU rundweg ab.
Anwälte sehen keine Mitverantwortung Zschäpes für Morde
Zschäpe habe sich allein für die 15 Raubüberfälle des NSU, die sie befürwortet habe, zu verantworten und die Brandlegung in der Zwickauer Frühlingsstraße. Auch die hat sie gestanden. Von allen anderen Taten des NSU - den zehn Morden, den über dreißig Mordversuchen, der Bombenlegung - sei sie freizusprechen, so ihre Anwälte. "Sie war an keinem Tatort, hat keinen Schuss abgegeben, keine Bombe gezündet", sagte Zschäpes Vertrauensanwalt Hermann Borchert im Gerichtssaal. Wenig später trat sein Kollege Matthias Grasel vor die Presse:
Dass Matthias Grasel vor die Presse trat, war ein seltener Moment. Viele Male vorher hatte er Statements abgelehnt mit der Begründung, seine Mandantin wünsche das nicht. Doch mit ihrem Plädoyer wollten die Vertrauensanwälte nun auch dem Bild ihrer Mandantin in der Öffentlichkeit entgegentreten.
Kritik an der Bundesanwaltschaft
Die Bundesanwaltschaft hätte sie von Anfang an als Mittäterin verurteilt sehen wollen und wenn Beweise nicht in das Anklageschema passten, würden sie passend gemacht, kritisierte Rechtsanwalt Hermann Borchert mehrmals in seinem Plädoyer. Zschäpes Einlassung würde dagegen nicht geglaubt.
Borchert appellierte am Schluss seines Plädoyers an das Gericht, die schriftliche Aussage Zschäpes in die Urteilsfindung einzubeziehen. Überrascht waren Prozessbeteiligte, dass Borchert und Grasel die Existenz einer terroristischen Vereinigung NSU in Frage stellten - und sogar so weit gingen, Zschäpes rechtsradikale Gesinnung in 13 Jahren Untergrund in Zweifel zu ziehen. Die Zschäpe-Verteidigung blende den politischen Hintergrund aus, lautete die Kritik von Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier.
"Überzeugend und mit erdrückender Indizienlast" sei Zschäpes Rolle ausgeführt wordent, ergänzte Bliwier.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Beate Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied im Terror-Trio NSU war, dass sie sämtliche Taten des NSU wollte und mitgetragen hat. Und sie forderte die Maximalstrafe: lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Das Terror-Trio sei bei seinen Taten arbeitsteilig vorgegangen. Zschäpe habe den Rückzungsraum abgesichert, während Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Taten ausgeführt hätten.
Terroristin oder nur harmlose Mitläuferin?
Zschäpes Verteidiger, die ihr Plädoyer mit ihrer Mandantin abgestimmt haben, zeichnen dagegen das Bild einer Frau, die sich 1998 für den Weg in den Untergrund entschieden habe, nicht aber in den Terror. Sie sei von Mundlos und Böhnhardt in viele Entscheidungen nicht eingebunden gewesen, habe von den Morden und Bombenattentaten immer nur im Nachhinein erfahren und diese vehement abgelehnt.
Sie habe sich nur aufgrund ihrer abhängigen Liebe zu Böhnhardt nicht lösen können. Diese Version wird aber sowohl von der Bundesanwaltschaft als auch von den Nebenklägern bestritten. Nach Ansicht von Nebenklage-Anwalt Stefan Kuhn litten beide Plädoyers auch daran, dass sie die Ergebnisse der Beweisaufnahme nicht entsprechend gewürdigt hätten.
Prozess auf der Zielgeraden
Matthias Grasel und Hermann Borchert haben mit ihrem Plädoyer die Schlussphase des insgesamt fünfjährigen Verfahrens eröffnet. Auch Zschäpes drei weitere sogenannte Altverteidiger werden für Zschäpe plädieren - nach den Verteidigern der anderen vier Angeklagten im NSU-Prozess. Damit erscheint ein Urteil noch vor der Sommerpause nicht ausgeschlossen.