Stürzenberger und Bagida "Wer Deutschland nicht liebt ..."
Er gilt als der kleinste gemeinsame Nenner der Extremisten in München: Michael Stürzenberger. Wegen "islamfeindlichem Extremismus" beobachtet ihn der Verfassungsschutz. Rechtsextremist ist Stürzenberger nicht, aber zahlreiche seiner Anhänger sind es. Dafür kann er wenig. Etwas dagegen unternehmen tut er nicht.
"Das ist das letzte Plakat, das ich heute noch im Angebot habe!" Michael Stürzenberger gibt den Marktschreier bei Bagida. Mitgebracht hat er einen Wagen voller Schilder und Plakate - auf dem letzten steht "Frieden heucheln, Christen meucheln." Es ist die vierte Demonstration des Pegida-Ablegers Bagida in München. Rund 350 Unterstützer sind gekommen. Darunter, wie jeden Montag, zahlreiche Neonazis und Rassisten. Die Hauptorganisatorin von Bagida, Birgit Weißmann, selbst Mitglied der Ortsgruppe des Internetblogs PI [Politically Incorrect, zu Deutsch: politisch inkorrekt], der auch von Michael Stürzenberger regelmäßig bespielt und vom bayerischen Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird, wispert noch ein "Wenn der Islam heute zu Deutschland gehört, dann gehört schon bald Deutschland zum Islam."
"Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen."
Michael Stürzenberger
Danach schreitet Michael Stürzenberger ans Mikrophon: "Gehört der Islam zu Deutschland?" - "Nein!", brüllt die Menge - "Wollt Ihr mehr Asylmissbrauch in Deutschland?" - "Nein!". "Deshalb: Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen." Michael Stürzenberger schreit diesen Satz nur einmal in sein Mikrophon. Die Menge nimmt den Spruch auf. Sieben mal schallt es dann durch München. "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“ Auf diesen Spruch können sich auch die Neonazis bei Bagida einigen. Sie plärren mit. Die mit den Landser-Jacken, die mit den Hooligan-Mützen, die mit den Runen-Tattoos.
Von der CSU in den Kampf gegen den Islam
Michael Stürzenberger hat schon früh das Potential der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" erkannt. Im November war er beim Aufmarsch der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in Hannover. Dort hat er Hooligans, die am 26. Oktober randalierend durch Köln gezogen sind, beklatscht. Die Hooligans in Hannover bezeichnet er als "mutige Verteidiger unseres Abendlandes." Zum Dank strecken ihm einige Hools den rechten Arm entgegen. Mitte Dezember war Stürzenberger als Demonstrant bei Pegida in Dresden. Er gab dem ZDF ein Interview. Darin bezeichnet er sich als Journalist. Das stimmt, Stürzenberger ist Fernsehjournalist. Er kennt das Geschäft, ist ein Medienprofi. Unter Monika Hohlmeier er war kurzzeitig Sprecher der CSU in München. Von 2003 bis 2004 war das. 2011 verlässt Stürzenberger die CSU und verschreibt sich voll und ganz seiner neuen Aufgabe: Dem Kampf gegen den Islam.
Ein Mann voller Widersprüche
Dabei ist Michael Stürzenbergers Denkmuster so verstiegen - und so durchdacht - dass man ihn nicht als Rechtsextremisten bezeichnen kann. Aus mehreren Gründen: Für Stürzenberger ist der Nationalsozialismus das schlimmste Verbrechen der Menschheit. Den Islam als Religion stellt er auf die gleiche Stufe. Wenn Stürzenberger also von Faschismus spricht, dann bezeichnet er damit mal die Nazi-Herrschaft der Deutschen und mal den Islam.
Stürzenberger glaubt an die Demokratie. Die sei mit dem Islam nicht zu vereinbaren. Wer Deutschland vor dem Islam beschützt, der beschützt folglich auch die Demokratie, so Stürzenberger. Deshalb sieht er sich als Schützer der demokratischen Ordnung - im Gegensatz zu zahllosen Rechtsextremen, die bei Bagida mitmarschieren. Stürzenberger hat die Partei "Die Freiheit" als Vorstand übernommen. Die Ziele im Großen: Deutschland vor dem Islam retten. Ziele im Kleinen: Den Bau des Islamzentrums in München zu verhindern. Dafür hat er 67.000 Unterschriften gesammelt. Damit will er ein Bürgerbegehren gegen das Münchner Islam-Zentrum des Penzberger Imams Benjamin Idriz starten. Bei der Kommunalwahl in München verpasste Stürzenberger den Einzug in den Stadtrat. Das Gremium, in dem der ehemalige NPD Landesvorsitzende Karl Richter 2008 den Hitlergruß gab und dafür von Stürzenberger als der "letzte Mohikaner" bezeichnet wurde. Karl Richter sitzt bis heute für die Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) im Stadtrat und er besucht regelmäßig mit NPD-Freunden die Bagida-Demonstrationen in München und HoGeSa-Aufmärsche. Als Michael Stürzenberger in Hannover seine Ansprache an die Hooligans hielt, war Karl Richter mit seiner Gesinnungsgenossin Sigrid Schüßler ebenfalls anwesend.
"Islamfeindlicher Extremist"
Stürzenberger aber weiß, wie weit er in der Demokratie gehen kann. Deshalb musste ihn das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz neu auf der Landkarte des Extremismus' verorten. Sie nennen ihn einen "Islamfeindlichen Extremisten". Wenn er spricht, macht Stürzenberger kaum Fehler. Er pauschalisiert nicht, indem er von Asylbewerbern spricht, er verwendet den Begriff "Asylmissbrauch". Das sei die überwältigende Mehrheit der nach Deutschland geflohenen. Stürzenberger hat die Widerstandgruppe "Die weiße Rose" wiederbelebt. Es soll seine Abneigung gegen den Faschismus zeigen und wie gesagt: Heute kämpft die weiße Rose noch immer gegen den Faschismus. Nur nicht mehr den der Nazis, sondern den "Faschismus des Islam".
"Ich sehe hier keinen einzigen Rassisten."
Michael Stürzenberger auf einer Bagida-Demonstration
Diese Widersprüche setzen sich bei Stürzenberger im Umgang mit Rechtsextremen fort. Mal besteht er darauf: "Wir bei Bagida sind ausländerfreundlich." Mal sieht er über die Neonazis hinweg und will nur eine Handvoll wahrgenommen haben. Selbst als nachgewiesen war, dass hunderte Rechte die Bagida-Kundgebungen besuchten, insistiert er: "Nazis sind hier nicht willkommen." Und: "Ich sehe hier keinen einzigen Rassisten." Während er das sagt, steht ein Block von rund 100 teils vermummten Neonazis direkt neben ihm. In deren Mitte: Karl Richter und der stadtbekannte Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger. Michael Stürzenberger sieht nur Patrioten, aber keine Nazis.
Ganz nah: "Hells Angels", "Die Rechte" und "German Defence League"
Die genaue Rolle Michael Stürzenbergers bei Bagida ist unklar. Stürzenberger ist nicht Mitglied des Organisationsteams - obwohl er Plakate zur Verfügung stellt, die Anlage aufbaut, zwischen Polizei und Demonstranten vermittelt und den Ordnern ihre Binden umlegt. Das Landesamt für Verfassungsschutz kommentiert deshalb: "Nach bisherigen Erkenntnissen des LfV nimmt Michael Stürzenberger eine Schlüsselfunktion bei Bagida ein." Mitglied des Teams könne er laut Angaben der "Süddeutschen Zeitung" nicht werden, weil Birgit Weißmann keine politischen Führungskräfte dabei haben möchte. Die Ordner, die Stürzenberger dirigiert, sind Leute, die Symbole des Rocker Clubs "Hells Angels" offen tragen - oder Abzeichen der ausländerfeindlichen "German Defence League" auf die Jacke genäht haben. Bei der vierten Demonstration von Bagida am zweiten Februar war es vor allem der Ordner Stefan Werner, mit dem Stürzenberger warme Worte wechselte, bevor Werner Journalisten anpöbelte und herumschubste. Stefan Werner war Bundestagkandidat der NPD und ist heute Vorsitzender der "Pro Bewegung Bayern", die ähnlich wie Pro NRW im ganz rechten politischen Spektrum verortet ist.
Bindeglied zwischen den Gruppierungen
Ohne Stürzenberger als Bindeglied wäre die Anti-Islam-Bewegung in Bayern wohl schnell zerfallen. Vom besorgten Bürger bis hin zu Rechtsradikalen und Neonazis: Auf Stürzenberger als kleinsten gemeinsamen Nenner können sich alle einigen. Dabei ist der Islamgegner gar keine Integrationsfigur der rechtskonservativen oder rechtsradikalen Ecke. Im Gegenteil: Stürzenbergers ehemaliger Mitstreiter Thomas Weiß marschiert in München unter dem Banner der Muegida - und auch die extremen Rechten nutzen das gemachte Nest, das Stürzenberger ihnen bereitet eher widerwillig. Obwohl der Zentralrat der Juden vor dem PI-Blog mit den Worten warnt: "Diese rechten Gruppierungen stehen etablierten rechtsextremen Parteien wie der NPD in ihrer Gefährlichkeit für eine pluralistische Gesellschaft in nichts nach", nennt sich der PI-Protagonist Stürzenberger "Pro-Israel". Er versteht sich als Pro-Demokratie und Kontra-Nazifaschismus. Die Rechtsradikalen im Winter 2015 nehmen das alles in Kauf, um sich zu den größten Naziaufmärschen seit über 15 Jahren zu versammeln.
Je weniger Zuhörer, umso größer die Anlage
Die ersten Monate im Jahr 2015 sind der zweite Frühling des mittlerweile profiliertesten Islamgegners Deutschlands. Ab 2011 kam eigentlich kaum ein Münchner an ihm vorbei. Wer in den Fußgängerzonen der Stadt einkaufen wollte, sah den sich in Rage sprechenden Stürzenberger. Fast wöchentlich trat er auf. Immer, um vor dem Islam zu warnen. Je weniger zuhören wollten, umso größer wurden die Anlagen, die er aufstellte. Aber 2014, nach der verlorenen Kommunalwahl, wurde es ruhig um den extremistischen Islamfeind. Erst durch die "Gida"-Bewegungen trat er wieder in die Öffentlichkeit. Hier fühlt er sich wohl und in der Öffentlichkeit eifert er seinem politischen Vorbild nach: Geert Wilders. Wie der Niederländer Wilders, sieht sich der Münchener Michael Stürzenberger als christlicher Vertreter eines angeblich gefährdeten Abendlandes. Analysten wie Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung sehen in den christlichen Verteidigern des Abendlandes eine Fortführung der Tradition der Kreuzritter. Die beiden Politiker markieren im Radikalisierungs-Spektrum der Kreuzritter den noch relativ harmloseren Anfang. Über die Unterstützer der jeweiligen Defence Leagues in den Europäischen Ländern wie Deutschland, Schweden oder England, geht dieses Spektrum bis zum Rechtsterroristen Anders Brevik, der sich selbst als Kreuzritter bezeichnete.
Wird aus dem Frühling schon bald wieder Herbst?
Michael Stürzenberger ist das Gesicht von Bagida und er genießt das sichtlich. Solange Bagida marschiert kann sich Stürzenberger sicher sein, dass seine Islamfeindlichkeit Zuhörer findet. Nach Streitigkeiten und den Rücktritten der beiden Führungsfiguren Bachmann des Pegida "Mutterschiffs" in Dresden - Kathrin Oertel und Lutz Bachmann - ist die gesamte Pegida Bewegung geschwächt. Davon können Bagida und Michael Stürzenberger nur profitieren. Pegida ist als Verein organisiert, was heißt, dass den offiziellen Gida-Titel nur im Namen tragen darf, wer sich auf die 19 Punkte von Pegida beruft. Noch machen das Stürzenberger und Birgit Weißmann. Wer aber rassistische Parolen wie "Wer Deutschland nicht liebt ..." von sich gibt und noch dazu einen Neonazianteil von mindestens 10 bis 15 Prozent duldet, der läuft Gefahr von Pegida abgemahnt oder ausgeschlossen zu werden. Von dem mittlerweile geschwächten Pegida-Team in Dresden muss sich der Münchener Ableger jedoch nicht fürchten. Eher davor, dass tatsächlich nur noch der harte rechte Kern auf die Demos kommt, um Stürzenberger zu hören. Das könnte den unter Beobachtung stehenden Islamfeind endgültig diskreditieren. Damit würde Stürzenbergers zweiter populistischer Frühling enden, bevor der echte Frühling in Bayern überhaupt angebrochen ist.