Oktoberfestattentat und NSU Der rechte Terror, der keiner sein durfte
Die Taten liegen rund 20 Jahre auseinander – doch Zusammenhänge sind unübersehbar. Das Oktoberfestattentat und die NSU-Morde haben mehr gemein als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Manche Gemeinsamkeiten sind beunruhigend.
21. September 1980. In einer Nebenstraße zwischen dem Hauptbahnhof und der Theresienwiese in München sitzen vier Männer und eine Frau in einem bronzefarbenen Ford Consul mit dem Kennzeichen VS-DD 500. Wenige Meter weiter zieht der Trachtenumzug vorbei.
Ein schweres Motorrad, japanisches Fabrikat, fährt an dem Wagen vorbei. Der Fahrer, sehr groß gewachsen und in Motorradkleidung, gibt den Insassen des Consul ein Zeichen. Darauf folgt der Wagen dem Motorrad, bis es wegen der zahlreichen Schaulustigen, die den Trachtenumzug sehen wollen, nicht mehr weitergeht. Wütend steigt der Motorradfahrer ab und knallt seine Handschuhe auf die Sitzbank. Fünf Tage danach wird der Halter des Ford Consul den schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik verüben.
Gundolf Köhler - Wirklich nur ein Einzeltäter?
26. September 1980, gegen vier Uhr nachmittags. Der bronzefarbene Ford Consul fährt aus der Innenstadt nach Norden und biegt am Mittleren Ring Richtung Olympiastadion ab. Drei Männer sitzen im Auto, zwei vorn, einer hinten. Am gleichen Tag, gegen zehn Uhr abends. Der Halter des Ford Consul, Gundolf Köhler, steht auf der Verkehrsinsel gegenüber vom Wiesneingang. Er unterhält sich hektisch mit zwei Männern in grünen Parkas. Köhler trägt dabei in der einen Hand ein Köfferchen und in der anderen eine schwere weiße Plastiktüte. 22.19 Uhr: Die von Köhler gelegte Bombe am Eingang des Oktoberfests tötet 13 Menschen und verletzt über 200 zum Teil schwer. Doch war Köhler in diesem Moment allein?
Zeugen wecken Zweifel an Einzeltätertheorie
Wenige Augenblicke vor der Explosion beobachtet eine Zeugin am Tatort, wie zwei Männer an einem weißen, faltigen Gegenstand zerren. Plötzlich fliegt der Gegenstand in die Luft, gefolgt von einem hellen Lichtschein. In diesem Moment läuft jemand aus dem Lichtschein heraus und entfernt sich. Dann erst folgt ein lauter, dumpfer Knall. Die Explosion der Bombe. Minuten später. Gundolf Köhlers verstümmelte Leiche liegt am Rand der Straße vor dem Eingang zum Oktoberfest. Ein paar Meter rechts davon ruft ein etwa 25 Jahre alter Mann mehrmals: "Ich wollt's nicht! Ich kann nichts dafür! Bringt's mich um! Ich kann nichts dafür! Ich wollt's nicht!" Ein älterer Begleiter, etwa 35, versucht erfolglos, ihn zu beruhigen. All das haben Zeugen berichtet. Und auch wenn die Sonderkommission Theresienwiese Gundolf Köhler als Einzeltäter sah: Diese und zahlreiche andere Aussagen legen den Verdacht nahe, dass das Oktoberfestattentat von mehreren Personen vorbereitet und durchgeführt wurde.
Generalbundesanwalt will wieder ermitteln
11. Dezember 2014, Wiesbaden. Generalbundesanwalt Harald Range verkündet die Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat. Endlich soll geklärt werden: Gab es Mittäter? Terroristen, die nach dem Anschlag unbehelligt blieben, womöglich weitere Verbrechen begehen konnten? Auch Beobachter beim Münchener NSU-Prozess werden fast täglich mit solchen Fragen konfrontiert. Denn auch beim NSU gibt es den Verdacht, dass Mittäter bis heute frei herumlaufen. Dass in Wahrheit ein Netzwerk von Neonazis hinter den Attentaten steckt. Und dass dieses Netzwerk wieder zuschlagen könnte. Zwischen der Mordserie der Zwickauer Neonazis und dem Bombenanschlag auf das Oktoberfest gibt es viele Parallelen. Nicht alles, was sich ähnelt, ist von Belang. Doch einiges sticht ins Auge.