Oktoberfestattentat und NSU Vernichtete Spuren – Ermittlungsfehler mit Tradition
Erschreckende Parallelen zwischen beiden Tatkomplexen werden auch bei der Betrachtung der ermittelnden Behörden deutlich. Bei der Aufklärung des Oktoberfestattentats wie der der NSU-Morde wurden schwerwiegende Fehler gemacht.
Nicht nur bei den Taten und Tätern gibt es Parallelen, auch die Aufklärungsversuche und -versäumnisse ähneln einander oft. In beiden Tatkomplexen gab es Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem BKA und den jeweiligen Landeskriminalämtern. In beiden Fällen waren Verfassungsschutzbehörden mit V-Leuten im Umfeld der Attentäter aktiv. Die Versäumnisse und Fehler bei den Ermittlungen zum NSU-Komplex beschäftigen bis heute Parlamentsausschüsse und Strafverfolger. Manches wirkt wie eine Wiederholung der Versäumnisse bei der Untersuchung des Oktoberfestattentats.
Woher kam der Sprengstoff?
Ein Beispiel: Woher hatte Gundolf Köhler den Sprengstoff für seine verheerende Bombe? Es müssen ungefähr 1,4 Kilogramm TNT gewesen sein. Die gleiche Menge TNT hatte der NSU in seiner Jenaer Bombenwerkstatt. In Köhlers Elternhaus, wo der Student den Ermittlungen zufolge den Bombenkörper für das Oktoberfestattentat gebastelt hatte, fanden sich keine Sprengstoffspuren. Dafür ergab sich wenig später mit dem Auffliegen der Waffen- und Sprengstoffdepots des Forstmeisters Heinz Lembke in der Lüneburger Heide eine mögliche Quelle. Lembke hatte Sprengstoff in der militanten Neonaziszene angeboten. Doch kriminaltechnisch ist nach bisheriger Kenntnis nie untersucht worden, ob der in München verwendete Sprengstoff von ihm stammen konnte. Ähnlich wurde im NSU-Komplex verfahren. Die Rohrbomben aus der Jenaer Garage wurden umgehend vernichtet – und mit ihnen der darin enthaltene Sprengstoff. Als 2004 in der Kölner Keupstraße die Nagelbombe explodierte, gab es keine Asservate mehr, mit deren Hilfe man einen Sprengstoffvergleich hätte durchführen können.
Ignoranz der Ermittler
Zum falschen Umgang mit Beweismitteln kommt in beiden Tatkomplexen eine manchmal verstörende Ignoranz der Ermittler angesichts von Spuren ins rechtsextreme Milieu. In Gundolf Köhlers Zimmer in Donaueschingen fanden die Polizisten seinen Wikingjugend-Ausweis – und ließen ihn liegen. Dem Einsatzleiter war die Wikingjugend unbekannt. Als 2001 in München der Gemüsehändler Habil Kilic erschossen wurde, berichteten Zeuginnen von zwei Radfahrern in Tatortnähe. Die gleiche Beobachtung beim Mord an Theodorus Boulgarides im Juni 2005. Wenige Tage vorher war in Nürnberg Ismail Yasar ermordet worden. Auch hier laut Zeugen zwei Radfahrer am Tatort. Migranten werden ermordet, und Zeugen berichten von zwei Radfahrern - der damalige Leiter der Münchener Mordkommission jedoch kann sich Rechtsextremisten als Täter nicht vorstellen. "Ich habe noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen", so der Zeuge Josef Wilfling vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss.