Oktoberfestattentat und NSU Gut vernetzt
Die Kontakte Gundolf Köhlers wie die des NSU-Trios reichten weit in die rechte Szene hinein. "Wikingjugend", "Hammerskins", "Blood & Honour" - die Rechtsterroristen kannten das "Who is who" der rechten Szene, waren gut vernetzt.
Zumindest ideologisch war der Wiesn-Attentäter Gundolf Köhler alles andere als ein Einzeltäter. Als eifriger Neonazi und Judenhasser war Köhler im rechtsextremen Milieu gut vernetzt: Ermittler fanden bei ihm einen Mitgliedsausweis der Neonazi-Kaderschmiede Wikingjugend. Deren letzter „Bundesführer“ Wolfram Nahrath gehört als gelegentlicher Vertreter zur Verteidigerriege des mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffers Ralf Wohlleben beim Münchener NSU-Prozess. Bei der Wikingjugend war auch Odfried Hepp Mitglied, der später mit seiner "Hepp/Kexel-Gruppe" Sprengstoffanschläge in Deutschland verübte, finanziert durch Raubüberfälle – ein Muster, das sich zwanzig Jahre später beim NSU wiederholte.
Frühe Kontakte in die rechte Szene
Mit Odfried Hepp war Gundolf Köhler nicht nur über die Wikingjugend verbunden. Schon ein Jahr vor dem Oktoberfestattentat fanden Ermittler bei Hepp eine Adressenliste, auf der auch Köhlers Name verzeichnet war. Und wie Hepp fand auch Köhler über die Wikingjugend zur Wehrsportgruppe Hoffmann. Karl-Heinz Hoffmann bestreitet bis heute, dass Köhler Mitglied seiner Wehrsportgruppe gewesen sei. Allerdings war es erklärte Strategie der WSG, den Mitgliedsstatus der Kameraden zu verschleiern. An mindestens einer Übung jedenfalls hat Köhler laut Zeugen teilgenommen und dabei eine selbstgebaute Handgranate geworfen. Der junge Mann aus Donaueschingen war von Waffen und Sprengstoff fasziniert – genau wie Uwe Böhnhardt im Jena der 90er.
Mit Karl-Heinz Hoffmann hatte Köhler schon 1976 zu tun. Hoffmann sollte bei einer Veranstaltung des rechtsextremen Hochschulrings Tübinger Studenten (HTS) als Redner auftreten. Auch Köhler wollte sich den Vortrag anhören. Dazu kam es jedoch nicht, Gegendemonstranten protestierten, Hoffmanns Anhänger gingen vor der alten Mensa Tübingen auf die Gegner los. Zu den Veranstaltungen des HTS in Tübingen, der wöchentlich Flugblätter herausgab, kam gelegentlich auch Gundolf Köhler. Da saßen sie dann zusammen: Ein Kreis von überzeugten Neonazis, der sich, wie Ulrich Chaussy in seinem Buch zum Oktoberfestattentat schreibt, als „letztes Häuflein anständiger und aufrecht national denkender Deutscher“ begreift und regelmäßig zu Stammtischrunden trifft. Zwanzig Jahre später gab es so etwas wieder. Statt HTS hieß das Kürzel diesmal THS, und bei den wöchentlichen Stammtischen des Thüringer Heimatschutzes waren Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stets dabei.
Schweigende Brüder – das Helfernetz des NSU
"Samteinfassung im Nacken, 100% Baumwolle, Druck auf der Brust". Für 19,95 Euro kann der national gesinnte Onlinekunde beim "Hardliner Streetware"-Versand in Thonhausen bei Zwickau ein T-Hemd, wie im Neonazi-Sprech T-Shirts genannt werden, erwerben. Der Druck auf der Brust besteht aus den Worten: "Brüder schweigen...bis in den Tod". Dazu ein von Motorrädern flankierter Totenkopf. "Brüder schweigen", das ist auch eine bekannte Zeile im sogenannten Treuelied der SS, und es ist der deutsche Name der amerikanischen Rechtsterrorgruppe "The Order", die 1984 den liberalen amerikanischen Radiomoderator Alan Berg ermordete. Ein solches T-Shirt trug der Angeklagte André E. am 151. Verhandlungstag im NSU-Prozess. An diesem Tag sollte der Zeuge Thomas G. über seine Verbindungen zu den Terroristen berichten. Thomas G. gilt als führendes Mitglied der Hammerskins, einer streng hierarchisch organisierten international tätigen Neonazi-Organisation. Und G. hielt sich an diesem Tag an die von seinem Kameraden André E. präsentierte Losung "Brüder schweigen". Zu den Hammerskins sagte er - nichts.
Was bei Gundolf Köhler die Wehrsportgruppe Hoffmann war – ein verschworener Zusammenschluss von Kameraden mit ausgeprägtem Hang zu Waffen - das sind im NSU-Komplex die Netzwerke wie "Hammerskins" oder "Blood & Honour". Als Mundlos, Zschäpe und Böhnhard nach ihrer Flucht aus Jena in Chemnitz untertauchten, da halfen ihnen Mitglieder der sächsischen Blood&Honour-Sektion. Auch bei der Beschaffung von Waffen und Ausweisdokumenten soll B&H als Unterstützernetzwerk tätig gewesen sein. Kein Wunder: Nach Einschätzung der Zielfahnder im Dezernat 12 des thüringischen Landeskriminalamts, die die drei abgetauchten Jenaer Nazis jagten, gehörten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe selbst "zum harten Kern der Blood-and-Honour-Bewegung". Wie bei Köhler und der WSG: Die Attentäter sind verbunden mit einer rechtsextremen Organisation.
Karl-Heinz Hoffmann - Bindeglied der Rechtsterroristen?
Tatsächlich taucht der Name von Karl-Heinz Hoffmann nicht nur bei den Oktoberfest-Ermittlungen, sondern auch im aktuellen Zusammenhang mit dem NSU-Umfeld auf. Im September 2010 verzeichnete die Kriminalpolizeiinspektion Saalfeld ein Telefongespräch zwischen Thüringer Neonazis mit brisantem Inhalt. Das Gespräch führten vier Männer, die gerade auf der Heimreise von einem Vortrag Hoffmanns waren. In einem sächsischen Landgasthof hatte der ehemalige Wehrsportchef zum Thema "Die WSG. Klischee und Wirklichkeit" referiert und nach den Erkenntnissen der Polizei die rund 100 Zuhörer ermutigt, "ausgetretene Wege" zu verlassen: "Überraschen Sie Ihre politischen Gegner mit unerwarteten neuen Strategien". Unter den vier Rückreisenden befand sich unter anderem André K., einer der engsten Vertrauten von Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt zu Jenaer Zeiten. Die vier wurden unterwegs von einem anderen bekannten Thüringer Neonazi namens Steffen R. angerufen. R.s Frage an seine Freunde: "Hat der Hoffmann euch das C4 mit Anleitung zur einfachen Handhabung mitgegeben?" C4 ist ein hochexplosiver militärischer Plastiksprengstoff. Möglich also, dass die NSU-nahe Szene schon drauf und dran war, Hoffmanns Ratschlag von den „unerwarteten neuen Strategien“ in die Tat umzusetzen. Vielleicht aber wollten die im Umgang mit der Polizei erfahrenen Kameraden durch die am Telefon gestellte Frage auch nur herausfinden, ob ihre Telefone überwacht wurden. So oder so, die Ermittler durchsuchten umgehend die Wohnungen und Autos der Verdächtigen. Auch bei Karl-Heinz Hoffmann wurde durchsucht – ohne Ergebnis. Plastiksprengstoff fanden die Beamten nicht.