"Wunsiedel ist bunt" Eine Stadt wehrt sich gegen Neonazis
Durch den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß ist Wunsiedel zu einer Kultstätte für Neonazis geworden. Jedes Jahr treffen sich Rechtsextreme in der oberfränkischen Stadt. Doch engagierte Bürger stellen sich ihnen in den Weg.
Als Simone Schmidt erfuhr, dass sie nach Wunsiedel versetzt wird, galt ihr erster Gedanke Rudolf Heß, dessen sterbliche Überreste in der oberfränkischen Stadt begraben wurden. Nachdem sie im November 2012 miterlebte, wie Neonazis feixend durch Wunsiedel marschierten und eine als "Heldengedanken" getarnten Kundgebung abhielten, fasste die Lehrerin für Geschichte, Deutsch und Sozialkunde den Entschluss, sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu engagieren.
"Ab und zu kommt es vor, dass rechtsextreme Symbole an der Schule auftauchen. Bei uns wurde schon ein Hakenkreuz am Schulgebäude eingeritzt."
Simone Schmidt, Lehrerin
Schnell knüpfte die 30-Jährige Kontakt zum pensionierten Lehrer Karl Rost. Er hat 2005 die Bürgerinitiative "Wunsiedel ist bunt" mitgegründet und engagiert sich seit Jahren gegen Neonazis in seiner Stadt. Inzwischen koordiniert Simone Schmidt am Luisenburg-Gymnasium Aktionen im Rahmen der bundesweiten Kampagne "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage".
"Es genügt nicht, nur dagegen zu sein. Mann muss es auch zeigen."
Karl Rost, Sprecher von 'Wunsiedel ist bunt'
Jahrelang hatte Rost dem Neonazi-Treiben in Wunsiedel angewidert zugeschaut, doch irgendwann "ging es nicht mehr". Rost wurde aktiv und organisiert seitdem den Widerstand in der Stadt, die noch heute, drei Jahre nach der Auflösung des Heß-Grabes, für Neonazis eine ganz besondere Bedeutung hat.
Engagierte Kirchengemeinde
Als Rost sich zu engagieren begann, feierte der evangelische Pfarrer Jürgen Schödel bereits regelmäßig Gottesdienste, in denen er gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eintrat. Für ihn ist Nächstenliebe eine Tugend, die aktiv gelebt werden will, "auch außerhalb der Kirchenmauern", wie er betont.
Engagement schweißt zusammen
Den christlichen Grundwerten folgt auch der Wunsiedler Marketing-Profi Arno Speiser, der die Jugendinitiative gegen Rechtsextremismus gegründet hat. Obwohl die Mitglieder längst erwachsen und in der ganzen Welt verstreut sind, treffen sie sich jedes Jahr um den Volkstrauertag wieder in Wunsiedel, um gemeinsam Flagge zu zeigen gegen Neonazis.
Neue Gefahr von rechts
Jahrelang zeichnete die Neonazi-Organisation "Freies Netz Süd" für die Aufmärsche in Wunsiedel verantwortlich. Seit 2013 kommen die Anmelder aus dem Spektrum ebenso jungen wie ultrarechten Partei "Der dritte Weg". Günter Pierdzig, der Koordinator der nordbayerischen Bündnisse gegen Rechtsextremismus, sieht in der Partei ein gefährliches Sammelbecken für die gewaltbereite rechtsextreme Szene.
"Wenn wir nicht gegen die Neonazis demonstrieren, müssen wir die Konsequenzen tragen."
Karl Rost, Sprecher von 'Wunsiedel ist bunt'
Bis zu 1.000 Gegendemonstranten konnte die Bürgerinitiative "Wunsiedel ist bunt" in den vergangenen Jahren mobilisieren. Und auch wenn vor allem einige ältere Einwohner meinen, Neonazis ignoriere man am besten, lassen die Mitglieder des Bündnisses in ihrem Engagement nicht nach.