Chronik der Einheit Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung - eine Zeitreise
Es scheint, als sei im letzten Jahr der DDR mehr geschehen als in den 40 Jahren zuvor. Ein Zeitreise vom Mauerfall zur Wiedervereinigung. Von Günter Mayr-Eisinger.
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9. November 1989
Schabowski bei der Pressekonferenz am 9. November 1989
9. November 1989
Pressekonferenz mit Folgen
Günter Schabowski, seit kurzem Sekretär des Zentralkomitees der SED für Informationswesen und damit Regierungssprecher der DDR, verkündet kurz vor 19 Uhr auf einer Pressekonferenz großzügigere Reiseregelungen für DDR-Bürger. Auf Nachfrage erklärt er, diese träten seines Wissens "sofort, unverzüglich" in Kraft. Eigentlich hätte die Nachricht erst am kommenden Tag, ab vier Uhr früh, verkündet werden sollen.
Im Lauf des Abends wird der Andrang an den Grenzübergängen immer größer - schließlich lassen die Grenzschützer die Menschen passieren. -
13. November 1989
Der letzte SED-Regierungschef Hans Modrow
13. November 1989
Letzter Regierungschef der SED
Die Volkskammer wählt Hans Modrow, bisher Erster Sekretär der SED im Bezirk Dresden, zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR. Er ist damit der letzte Regierungschef des Staates.
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17. November 1989
17. November 1989
Letzte Rettungsversuche der SED
Hans Modrow gibt seine Regierungserklärung ab. Er schlägt eine „Vertragsgemeinschaft“ der beiden deutschen Staaten vor. Sie sollen eine Konföderation bilden, also einen Staatenbund. Sein Ziel ist eine sozialistische Marktwirtschaft in der DDR - und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Westeuropa.
Den DDR-Bürgern reicht das nicht: Täglich verlassen rund 2.000 den zusammenbrechenden Staat. Der DDR-Führung bleibt keine Zeit mehr, diese Pläne weiterzuverfolgen. -
20. November 1989
Montagsdemonstration in Leipzig 1989
20. November 1989
Rufe nach der Wiedervereinigung in Leipzig
Bei der Leipziger Montagsdemonstration fordern erstmals größere Teilnehmergruppen die Wiedervereinigung Deutschlands. Rufe wie "Deutschland, einig Vaterland" waren erstmals zwei Wochen zuvor registriert worden.
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28. November 1989
28. November 1989
Zehn-Stufen-Plan zur deutschen Einheit
Bundeskanzler Helmut Kohl stellt im Bundestag einen Stufenplan zur Deutschlandpolitik vor. Das Ziel ist die "Herstellung einer bundesstaatlichen Ordnung" - also die deutsche Einheit. Bis wann dieses Ziel erreicht werden soll, sagt Kohl nicht.
Kohl hatte sich noch wenige Tage zuvor deutlich zurückhaltender gezeigt - vor allem aus außenpolitischer Rücksichtnahme. Doch Mitte November hatte Moskau signalisiert, dass man ein Zusammenrücken der beiden deutschen Staaten als eine "interne Angelegenheit" (Deutschlands) betrachte. -
7. Dezember 1989
Der erste Runde Tisch. Im Vordergrund der DDR-Staatsratsvorsitzende Manfred Gerlach.
7. Dezember 1989
Runder Tisch in Ost-Berlin
Die Führung der SED versucht, ihre Macht und den Staat zu stabilisieren: In Ost-Berlin tagt erstmals der „Runde Tisch“. Die SED und ihre Blockparteien wollen die neuen oppositionellen Bewegungen einbeziehen.
Die Teilnehmer beschließen in dieser ersten Sitzung die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit (Stasi) und die Durchführung von Wahlen zur Volkskammer am 6. Mai 1990. -
19. Dezember 1989
Umjubelt in Dresden: Bundeskanzler Helmut Kohl. Links der DDR-Regierungschef Hans Modrow.
19. Dezember 1989
Kohl und Modrow treffen sich in Dresden
Bundeskanzler Helmut Kohl reist nach Dresden. Er spricht mit DDR-Ministerpräsident Hans Modrow über die von der DDR vorgeschlagene "Vertragsgemeinschaft" der beiden deutschen Staaten. Am nächsten Tag spricht Kohl zur Dresdner Bevölkerung. Es wird ein Triumphzug für den späteren "Kanzler der Einheit".
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22. Dezember 1989
Feiernde Menschen am wiedereröffneten Brandenburger Tor.
22. Dezember 1989
Das Tor ist wieder offen
Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow öffnen das Brandenburger Tor in Berlin. 100.000 Menschen feiern das Ereignis. 28 Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer ist der Durchgang wieder frei.
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15. Januar 1990
Zerstörungen in der Stasi-Zentrale in Berlin.
15. Januar 1990
Sturm auf die Stasi-Zentrale
Demonstranten stürmen das Gebäude des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin, die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße. Schon in den Wochen zuvor waren die Gebäude der Stasi-Spitzel in anderen Städten wie Erfurt und Leipzig besetzt worden.
Den Demonstranten ging es darum, die Vernichtung der Stasi-Akten zu verhindern. Sie wollten wissen, wer sie im Auftrag des Staates zum Beispiel als "Inoffizieller Mitarbeiter (IM)" in den vergangenen Jahrzehnten bespitzelt und drangsaliert hatte. -
13. Februar 1990
Altes und neues Geld: DDR-Mark und D-Mark
13. Februar 1990
Pläne für eine Wirtschafts- und Währungsunion
DDR-Ministerpräsident Hans Modrow kommt zu einem zweitägigen Besuch nach Bonn. Eine Expertenkommission soll eine Wirtschafts- und Währungsunion vorbereiten.
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14. Februar 1990
Grund zum Feiern gab es sieben Monate danach: Bei der Vertragsunterzeichnung in Moskau.
14. Februar 1990
Die Siegermächte zeigen sich verhandlungsbereit
Frankreich, Großbritannien, die UdSSR und die USA vereinbaren, dass sie mit den beiden deutschen Staaten über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit verhandeln wollen. Die sogenannten „Zwei-plus-vier“-Verhandlungen werden auf den Weg gebracht.
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18. März 1990
18. März 1990
Die DDR wählt
Die DDR-Bürger sind zur ersten (und gleichzeitig letzten) freien Wahl zur Volkskammer aufgerufen.
Stärkste Partei im DDR-Parlament wird die Allianz für Deutschland - ein Zusammenschluss der DDR-CDU mit zwei weiteren konservativen Parteien. Sie erringt 48 Prozent. Auf Platz zwei landet die SPD (21,9), auf drei die PDS - das ist die frühere Staatspartei SED, die sich inzwischen umbenannt hat. Sie bekommt noch 16,4 Prozent.
5,3 Prozent erhält die Allianz Freier Demokraten. Bündnis 90, in dem sich viele oppositionelle Kräfte zusammengeschlossen haben, erreicht nur 2,9 Prozent. -
12. April 1990
DDR-Ministerpräsident nach freien Wahlen: Lothar de Maizière (CDU).
12. April 1990
Lothar de Maizière wird letzter Ministerpräsident
Der CDU-Politiker Lothar de Maizière wird zum Ministerpräsidenten gewählt. Er bildet eine Koalition mit der SPD und der Allianz der Freien Demokraten.
Hauptaufgabe der neuen Regierung ist es, einen geordneten Übergang in den künftigen gesamtdeutschen Staat zu organisieren.
Wegen eines Streits über das Wahlrecht bei der geplanten ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 steigen die Freien Demokraten im Juli 1990 aus der Koalition aus - ihre Minister bleiben jedoch im Kabinett. Im August verlässt auch die SPD die Koalition. -
5. Mai 1990
Baker (USA), Schewardnadse (UdSSR), Genscher (BRD), Dumas (F), Meckel (DDR) und Hurd (GB).
5. Mai 1990
Die "Zwei-plus-vier"-Verhandlungen beginnen
In Bonn beginnen die „Zwei-plus-vier“-Gespräche. Beteiligt sind die Außenminister der beiden deutschen Staaten (Hans-Dietrich Genscher und Markus Meckel) und der vier Siegermächte Frankreich (Roland Dumas), Großbritannien (Douglas Hurd), UdSSR (Eduard Schewardnadse) und USA (James Baker).
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21. Juni 1990
21. Juni 1990
Garantie für Polen
Bundestag und Volkskammer verabschieden eine gleichlautende Erklärung. Sie schreibt die Oder-Neiße-Linie als deutsche Ost- und polnische Westgrenze fest.
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1. Juli 1990
Leipziger Demonstranten im Februar 1990 mit einem Transparent. Sie fordern die D-Mark.
1. Juli 1990
Die D-Mark kommt - 1:1
Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion tritt in Kraft. Die D-Mark wird alleiniges Zahlungsmittel in beiden deutschen Staaten. Der Umtauschkurs von 1:1 gilt für Löhne, Gehälter und Renten sowie für Bargeld und Sparguthaben bis 4 000 Mark pro Kopf. Damit setzt sich die Regierung über Vorschläge der Bundesbank hinweg. Sie hatte im April einen Kurs von 2:1 vorgeschlagen. Für zwei DDR-Mark hätte es dann nur eine D-Mark gegeben. Dieser Vorschlag hatte zu heftigen Protesten in der DDR geführt.
Alle Personenkontrollen an der innerdeutschen Grenze fallen weg. -
6. Juli 1990
6. Juli 1990
Schwerarbeit für Wolfgang Schäuble und Günther Krause
Die Verhandlungen über den Einigungsvertrag beginnen. Sie werden geleitet von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und DDR-Staatssekretär Günther Krause (CDU).
Grundsätzlich bestehen zwei Wege zur deutsche Einheit: Ein Beitritt der DDR-Gebiete nach Artikel 23 des Grundgesetzes oder die Erarbeitung einer neuen Verfassung - vorgesehen im Artikel 146 des Grundgesetzes.
Kohl und Schäuble befürworten einen Beitritt nach Artikel 23 - die DDR-Volkskammer spricht sich im August ebenfalls dafür aus. -
16. Juli 1990
Genscher, Gorbatschow und Kohl im Kaukasus.
16. Juli 1990
Weltpolitik in der Strickjacke
Bundeskanzler Helmut Kohl und der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow beraten über außenpolitische und militärische Aspekte der deutschen Wiedervereinigung. Die Gespräche finden im Kaukasus in betont entspannter Atmosphäre statt. Sie werden mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass die UdSSR einer NATO-Mitgliedschaft des künftigen Gesamtdeutschlands zustimmt. Die sowjetischen Truppen sollen innerhalb von drei bis vier Jahren aus Deutschland abgezogen werden.
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23. August 1990
23. August 1990
Beschluss zur Selbstauflösung
Die Volkskammer in Ost-Berlin beschließt den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 nach Artikel 23 des Grundgesetzes.
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31. August 1990
Innenminister Schäuble und DDR-Staatssekretär Krause bei der Vertragsunterzeichnung.
31. August 1990
Der Vertrag ist fertig
Wolfgang Schäuble und Günther Krause unterzeichnen in Ost-Berlin den Einigungsvertrag. Er umfasst rund 1.000 Seiten und regelt die politischen Bedingungen des DDR-Beitritts zum Grundgesetz.
Der Vertrag legt auch fest, dass völkerrechtliche Verträge und Mitgliedschaften in internationalen Organisationen - etwa NATO und Europäische Gemeinschaft - weiterbestehen. -
12. September 1990
Zeremonie zur Unterzeichnung des "Zwei-plus-vier-"Vertrags in Moskau.
12. September 1990
Deutschland wird besatzungsfrei
Die Außenminister der vier Siegermächte und der beiden deutschen Staaten unterzeichnen in Moskau den "Zwei-plus-vier"-Vertrag. Er beendet die Besatzungsrechte von Frankreich, Großbritannien, der UdSSR und den USA. Auf Wunsch Deutschlands wird dieser Vertrag nicht als "Friedensvertrag" mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Ein Friedensvertrag hätte unter anderem den Weg für Reparationsforderungen anderer Staaten frei gemacht. Außerdem hätten dann nicht nur die vier Siegermächte beteiligt werden müssen, sondern alle Staaten, mit denen Deutschland sich 1945 im Kriegszustand befand.
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20. September 1990
20. September 1990
Einigung perfekt
Volkskammer und Bundestag ratifizieren den Einigungsvertrag, einen Tag später auch der Bundesrat.
In der DDR-Volkskammer gibt es 299 Ja-Stimmen, 80 Nein-Stimmen und eine Enthaltung.
Im Bundestag sprechen sich 442 Abgeordnete für den Vertrag aus, 47 dagegen, 3 enthalten sich. -
3. Oktober 1990
Schwarz-rot-gold wird wieder salonfähig: Privates Glück am Tag der deutschen Einheit.
3. Oktober 1990
Deutschland ist wiedervereinigt
Um Mitternacht tritt der Einigungsvertrag in Kraft. Deutschland feiert mit Volksfesten die Einheit. Der 3. Oktober wird zum Nationalfeiertag.