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25 Jahre Genscher-Rede in Prag Über meterhohe Zäune in die Freiheit

30. September 1989. Seit Wochen sieht der Garten der deutschen Botschaft in Prag aus wie ein Zeltlager. Jeden Tag klettern weitere DDR-Flüchtlinge über die Zäune. Ihre Zukunft ist ungewiss. Bis Außenminister Genscher auf den Balkon tritt.

Von: Von Stefan Heinlein, ARD-Hörfunkstudio Prag

Stand: 30.09.2014 | Archiv

Genscher in Prag: "... mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ..."

Mitte September 1989 ist der Garten der westdeutschen Botschaft in Prag eine Schlammwüste. Ein Feldlager unter offenem Himmel. Die Zahl der Flüchtlinge steigt seit dem Sommer unaufhörlich - Tag für Tag. Auch nach der Schließung der Botschaftstore klettern die Familien über den meterhohen Zaun in die Freiheit. Der damalige ARD-Korrespondent Walter Tauber erinnert sich: "Am Nachmittag haben DDR-Bürger ein von der Polizei aufgestelltes Gitter einfach überrannt."

"Überall standen Zelte"

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Der Ansturm der DDR-Flüchtlinge ist für die Diplomaten eine gewaltige logistische Herausforderung. Mit Lkw werden Zelte, Decken und Nahrungsmittel der Bundeswehr über die Grenze aus Bayern nach Prag transportiert. Ehrenamtliche Mitarbeiter des Roten Kreuzes koordinieren die Hilfsmaßnahmen. "Überall standen Zelte und von da strömten die Menschen zum Essen, zur Toilette und zur Information", erinnert sich die damalige Einsatzleitern Waltraud Schröder.

Marion und Rolf Mahlke fliehen mit ihrem dreijährigen Kind aus der Nähe von Magdeburg in die Botschaft. Die Reise in die CSSR ist für DDR-Bürger ohne Visum möglich. Aus Sorge, dass auch diese Grenze geschlossen wird, machen sie sich nur mit einer kleinen Reisetasche auf den Weg nach Prag: "Wir haben uns immer nur gefragt, was passiert jetzt."

Die dramatischen Bilder von den Prager Botschaftsflüchtlingen gehen um die Welt. Seit Wochen verhandelt der damalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters mit der DDR-Regierung über eine Lösung. Die SED-Führung weigert sich allerdings beharrlich, ihre Bürger in den Westen ausreisen zu lassen. "Aber wir waren der festen Überzeugung, dass wir nichts unternehmen dürfen, was den Menschen die Hoffnung auf Freiheit nehmen kann", erklärt Seiters. "Das hieß, wir bauen keine Mauern um die Botschaften."

Durchbruch in New York

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Erst die Verhandlungen am Rande der UN-Vollversammlung in New York bringen schließlich den Durchbruch. Außenminister Genscher bekommt nicht nur von den Westmächten Unterstützung, sondern auch von seinem damaligen sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse. Und auch die Hoffnungen auf Devisenzahlungen aus Bonn steigern die Kompromissbereitschaft in Ost-Berlin, so Rudolf Seiters: "Je näher der 6. und 7. Oktober kam, je mehr man auch die Nervosität der DDR-Verhandlungspartner spürte - also diese große Feierlichkeit des 40. Geburtstages - desto mehr wuchs bei uns die Hoffnung, dass wir zu einem guten Ende kommen."

Genscher tritt auf den Balkon

Das gute Ende folgt am Abend des 30. September. Im Schein einer hastig herbeigeschafften Stehlampe tritt kurz vor 19 Uhr Hans-Dietrich Genscher auf den Balkon der Prager Botschaft und verkündet per Megafon das Ergebnis der Verhandlungen:

"Wir sind heute zu zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise … " Weiter kommt er nicht.

Der Jubel der über 5000 Flüchtlinge unterbricht ihn. Noch in der Nacht fahren mehrere Züge der Reichsbahn über Dresden nach Hof im bayerischen Oberfranken. Staats- und Parteichef Erich Honecker hatte darauf bestanden, die Ausreiseroute über das DDR-Territorium führen zu lassen, um die Souveränität seines Regimes zu dokumentieren. In der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera" wird die offizielle Lesart der SED-Führung verkündet:

"Angesichts der unhaltbaren Situation in den Botschaften der BRD in Prag und Warschau hat die Regierung der DDR einen humanitären Akt unternommen, um die Lage, die nicht von ihr herbeigeführt wurde, zu beenden. Die Personen aus der DDR, die sich rechtswidrig in diesen Botschaften aufhielten, wurden in der vergangenen Nacht in die BRD ausgewiesen."

Der Eiserne Vorhang ist Geschichte

Doch mit der glücklichen Ausreise in die Bundesrepublik ist die Flüchtlingswelle noch nicht beendet. In den folgenden Tagen und Wochen strömen erneut Menschenmassen in die Prager Botschaft. Bis zur Öffnung der Grenze der CSSR zur Bundesrepublik, Anfang November, gelangen rund 20.000 DDR-Bürger auf diesem Weg in den Westen. Der Eiserne Vorhang ist endgültig Geschichte.

Prag, die Flüchtlinge und die bundesdeutsche Botschaft sind damit ein Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung, so Rudolf Seiters: "Ich denke, dass der 30. September 1989 den Beginn des Untergangs der DDR markiert. Die Ausreise war für die DDR die Vorstufe zum Bruch aller Dämme, die die DDR jahrzehntelang um ihre Bürger errichtet hatte."


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