Interview Regisseur Thomas Schadt
Als renommierter Dokumentarfilmer haben Sie schon zahlreiche Filme realisiert. Was hat Sie an diesem Projekt gereizt?
Ich bin sehr sportbegeistert und seit der Kindheit ein Fußballfan durch und durch. Natürlich habe ich auch Franz Beckenbauers Karriere intensiv verfolgt und als Zuschauer gewissermaßen daran teilgenommen. Er begleitet mich als Sportidol schon seit der WM 1966 – da war ich neun Jahre alt. Das Angebot, ihn zu porträtieren, war deshalb für mich ein absolutes Muss!
Franz Beckenbauer hat Sie und Ihr Team für eine längere Zeit so nah an sich herangelassen wie kein anderes TV-Team zuvor. Was war ausschlaggebend dafür, Ihnen dieses Vertrauen zu schenken?
Ich glaube, in erster Linie hat ihn das Konzept überzeugt, das andere Wege geht als manch andere Kaiser-Doku oder Geburtstags-Sendung. Wir erzählen sein Leben ganz stark entlang der Weltmeisterschaften, schlagen so einen großen Bogen von 1954 bis 2014. Besonders gut hat Franz gefallen, dass wir tatsächlich an die Austragungsorte gereist sind und vor Ort ganz konkret über die Ereignisse gesprochen haben.
Was war Ihnen wichtig, mit dem Porträt zu zeigen?
Von Anfang an wollte ich vor allem eines herausfinden: Denkt Franz Beckenbauer, wie er gespielt hat? Oder hat er gespielt, wie er denkt? Salopp gesagt: Wie ist die Verbindung von Kopf zu Fuß oder umgekehrt. Beim Dreh bin ich schnell dahintergekommen: Das Bauchgefühl und die Intuition, die sein Spiel geprägt und so einzigartig gemacht haben, spielen in Franz‘ Leben auch abseits des Platzes eine ganz entscheidende Rolle. Das rauszukriegen und zu zeigen, fand ich enorm spannend.
Wie ist Franz Beckenbauer damit umgegangen, auf Schritt und Tritt begleitet zu werden? Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihm erlebt?
All die Begegnungen und Reisen zu organisieren, war manchmal gar nicht so –einfach – Franz hat ja immer noch einen sehr vollen Kalender. Aber wenn ein Termin dann mal fix war, hat er sich voll auf das Projekt eingelassen und sich viel Zeit genommen. Trotz all seiner Erfolge spürt man bei Franz eine enorme Erdung und Respekt gegenüber anderen Menschen. Uns gegenüber war er absolut direkt, offen und empathisch. Einmal hatten wir einen Drehblock, bei dem wir nacheinander nach Berlin, London und Rom geflogen sind. Da waren wir drei Tage zusammen, gingen abends gemeinsam essen und redeten nicht nur über Fußball. Das schuf ein gegenseitiges Vertrauen, das das ganze Projekt über hielt. Auch nach längeren Pausen konnten wir sofort nahtlos weitermachen, wo wir Wochen zuvor aufgehört hatten.
Was für ein Bild hatten Sie von Franz Beckenbauer vor Beginn des Drehs und inwiefern hat sich dieses im Laufe der Dreharbeiten geändert?
Vor dem Dreh konnte ich mir unter dem Menschen Franz Beckenbauer nicht wirklich etwas vorstellen. Ich war ihm ja nie begegnet, kannte nur die verschiedenen Spiegelbilder, die die Medien von ihm zeichnen: als Spieler, Trainer, Funktionär, Familienvater etc. Deshalb war ich schon sehr neugierig, was für einem Menschen ich da tatsächlich begegnen würde. Und ich muss sagen: Ich habe jemanden kennengelernt, der erstaunlich normal geblieben ist.
Welche Momente während der Dreharbeiten haben einen ganz besonderen Eindruck bei Ihnen hinterlassen?
Da gab es so manche. Etwa die Szene im neuen Londoner Wembley-Stadion. Wir hatten organisiert, dass Franz alleine in der Arena sitzt, während auf der Videoleinwand Szenen der WM 1966 laufen. Dieses unglaubliche, riesige Stadion, darin der große Beckenbauer ganz klein und andächtig: Das ist schon ein Wahnsinnsbild bei dem man deutlich spürt, was die Faszination am Fußball ausmacht! Oder die Begegnung mit Pelé in New York: Wenn Franz der Fußballkaiser ist, ist Pele für meine Generation der Fußballgott. Sie beide gleichzeitig zu treffen, war ein Wahnsinnserlebnis, bei dem ich Gänsehaut bekommen habe.
Was ist für Sie das Besondere am Menschen Franz Beckenbauer – abgesehen von seinen sportlichen Erfolgen?
Er ist einer der bekanntesten Menschen der Welt – und trotzdem völlig geerdet. Wo immer er aus dem Taxi steigt, wird er von Fans umringt, die ein Foto oder Autogramm wollen. Die Geduld, ja beinahe schon Demut, mit der er alle Wünsche erfüllt, ohne dass es aufgesetzt, ungeduldig oder oberflächlich wirkt, finde ich sehr beeindruckend. Außerdem ist er wunderbar schlagfertig und hat einen trockenen bayerischen Humor, der mir als Franke sehr liegt. Und nach wie vor versprüht er eine wahnsinnige, lebensbejahende Energie.