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Der Fall Bruckner Darstellerin Christiane Paul im Interview

Stand: 01.09.2014

Filmszene: Der Fall Bruckner | Bild: BR

In „Der Fall Bruckner“ werden nicht die typischen Klischees bedient. Es steht keine sozial schwache Familie im Vordergrund, sondern eine erfolgreiche Architektin. Warum scheitert Jacqueline Bremer an ihrer Mutterrolle?

Sie scheitert, weil sie zu hohe Ansprüche an sich selbst hat – den Anspruch, alles alleine schaffen zu können und zu müssen, sich keine Hilfe holen zu wollen. Ihre Handlungen passieren, weil sie überfordert ist mit ihrer Lebenssituation und mit ihrem Kind. Sie bräuchte dringend jemanden, der ihr hilft. Dafür müsste sie sich aber eingestehen, dass sie es nicht alleine schafft. Dieses Verhalten oder Versagen hat nichts mit dem sozialen Status zu tun, es ist eine Frage der Persönlichkeit.

Was hat Sie motiviert, die Rolle der Jacqueline Bremer anzunehmen?

Ich wollte mit Jacqueline Bremer eine Person spielen, die über ihre Grenzen geht, Schuld auf sich lädt, sich schwer belastet. Sie tut etwas, was gesellschaftlich und moralisch negativ bewertet wird und ist. Mich hat interessiert, was dahinter steht: Was bewegt diese Frau? Das führt zu der noch übergeordneten Frage: Warum handeln Menschen, wie sie handeln....

Für Jacqueline Bremers Sohn ist die Hartnäckigkeit von Katharina Bruckner die Rettung. Jacqueline Bremer kann erst zu einem sehr späten Zeitpunkt ihren Fehler eingestehen. Macht sie sich selbst etwas vor oder versteckt sie ihr Handeln gezielt?

Beides. Sie denkt, sie kann es kontrollieren und sie lügt ganz gezielt. Auf der einen Seite ist sie davon überzeugt, dass sie richtig handelt und nimmt das „Angebot“ des Jugendamtes auszusteigen, bewusst nicht an. Gleichzeitig versucht sie, ihr Handeln zu verstecken und hat Angst, dass es nach draußen dringt. Jacqueline Bremer hat trotz ihres gehobenen sozialen Status – sie ist Architektin – keine Kinderfrau, keine Haushaltshilfe, die beiden, Mutter und Sohn sind immer alleine. Es ist im Drehbuch bewusst so geschrieben, dass es niemanden weiter gibt. Der Autor und Kinderhausleiter Hans-Ullrich Krause nennt dies aus der praktischen Erfahrung „Familie als Festung“: Die Familie nach außen „zu“ machen, niemanden mehr hinein oder hinaus zu lassen.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Ich habe mich lange mit dem Drehbuchautor Dr. Hans-Ullrich Krause, der sich in der Praxis sehr gut auskennt, unterhalten und mit ihm auch das Kinderhaus besucht, in dem Kinder mit ihren Eltern auf Zeit leben. Und ich habe versucht, viel zu lesen. Aber es gibt nicht sehr viel über Kindesmisshandlung – die Fachliteratur beschäftigt sich meist mit dem Thema Missbrauch. Und außerdem war gerade über die Täter wenig zu finden. Ich habe in vielen Opferforen gelesen und es ist höchst beklemmend, wie sehr die Misshandlung Leben zerstört.

Darüberhinaus habe ich mich auch sehr intensiv mit dem Regisseur Urs Egger vor dem Dreh über die Rolle auseinandergesetzt und mich darauf vorbereitet.

Das Jugendamt und seine Mitarbeiter stehen oft im negativen Licht – DER FALL BRUCKNER ist wohl der erste Film, der wirklich in einem Jungendamt spielt und beide Seiten zeigt...

„Der Fall Bruckner“ ist auf jeden Fall ein Film, der zum Nachdenken anregt. Er zeigt den Alltag, die Probleme, den Kampf der Menschen, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Oft ist es von außen nicht so leicht, die Dinge zu erkennen. Es sind die finanziellen Nöte, der Fokus der Presse, wenn es öffentlich wird, dass Problemfälle nicht rechtzeitig oder gar nicht erkannt wurden. Und natürlich gibt auch dort – wie überall – Menschen, die sich mehr oder weniger für ihren Beruf, „die Sache“ einsetzen. Corinna Harfouch spielt die Hauptfigur der Jungendamtsmitarbeiterin Bruckner mit viel Liebe, Herzblut und Engagement. Und trägt womöglich dazu bei, dass man diesen Menschen mit ihrer Arbeit größeres Verständnis entgegenbringen kann.

Im besten Falle wird man durch den Film auf sich selbst zurückgeworfen und denkt über das eigene Handeln nach  – das Potential hat „Der Fall Bruckner“.


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