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Tatort Franken: Warum Interview Valentina Sauca und Karl Markovics

Stand: 08.03.2022

von links.: Marie Keller (Valentina Sauca); Fritz Keller (Karl Markovics)
Im Schmerz um den Verlust des gemeinsamen Sohnes vereint, kommt sich das Ex-Paar wieder näher | Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Hagen Keller

Im Tatort Franken: "Warum" wird Lukas, ein allseits beliebter junger Mann ohne erkennbares Motiv ermordet. Sie spielen die Eltern des Jungen. Wie reagieren diese auf den Schicksalsschlag, durch den sie den Boden unter den Füßen verlieren?

Valentina Sauca: Mit Ohnmacht, die Introvertiertheit mit sich bringt. Mit dem Schmerz nicht nach außen zu treten, verschlägt es beiden die Sprache.

Karl Markovics: So absurd das klingt: Der Tod ihres Sohnes bringt sie nach Jahren der Trennung wieder zusammen. Als gäbe es ein unsichtbares Band. Sie reagieren gleich zu Beginn auch auf dieselbe Art – wie gelähmt, wie äußerlich versteinert. 

Marie und Fritz Keller beschäftigt vor allem auch die Frage nach dem "Warum". Wie gehen sie mit den quälenden Gedanken und Gefühlen um, nicht zu wissen, was mit ihrem Sohn passiert ist?

Valentina Sauca: Es geht auch um das eigene Überleben. Ohne das "Warum", das Hinterfragen, könnte es kein eigenes Leben mehr geben. Das "Warum" als Überlebens-Strategie. Das "Warum" als Suche nach einem Sinn in dieser menschlichen Katastrophe.

Karl Markovics: Der Verlust des einzigen Kindes bedeutet in gewissem Sinn den Verlust der Existenzberechtigung. Im Fall von Marie und Fritz ganz besonders. Trotz ihrer gescheiterten Beziehung, ist der Sohn des "Wahre, Gute und Schöne" im Leben. Warum muss so jemand sterben? 

Wie war die menschliche Beziehung der beiden vor der Tat, und wie verändert sich diese durch den Schicksalsschlag?

Valentina Sauca: Es sind zwei starke Charaktere, die bestimmt in jungen Jahren ihre individuellen Wünsche und Ziele nicht unbedingt koordinieren, nicht wirklich miteinander kommunizieren konnten und sich irgendwann mal trennten. Der Schicksalsschlag bringt wieder Nähe und ein gemeinsames Ziel: das "Warum" versuchen zu verstehen, und damit vielleicht eine neue Möglichkeit von einem Miteinander, wie auch immer das aussehen mag. Die Liebe und Fürsorglichkeit füreinander ist auf jeden Fall vorhanden.

Karl Markovics: Ich glaube, dass die Beziehung der beiden auseinandergegangen ist, nachdem der Sohn begonnen hat, ein eigenes Leben zu führen. Der Sohn war die Verbindung. Als er auszog, ging sie verloren. Sein Tod lässt Marie und Fritz spüren, dass es diese Verbindung weiter gibt – tiefer und fester, als sie gedacht hatten.

Mit Paula Ringelhahn und Felix Voss sind zwei erfahrene und empathische ErmittlerInnen mit dem Fall betraut. Wie ist das Verhältnis der Eltern zu den ErmittlerInnen und können diese sie in ihrer Trauer unterstützen und ihnen Halt geben?

Valentina Sauca: Die beiden ErmittlerInnen sind kluge, einfühlsame Menschen, und das macht sie zu guten Psychologen, auch wenn das nicht deren eigentlicher Beruf ist.
Das Mutter-Vater-Team grenzt sich ihnen aber aus, die angebotene Hilfe der beiden ErmittlerInnen wird nicht angenommen, obwohl das Annehmen der Hilfe eine erste wichtige emotionale Stütze wäre.

Karl Markovics: Marie und Fritz schotten sich von Anfang an gegen die Außenwelt ab. In ihrer Welt gibt es nur noch vier Wesen: den toten Sohn, den Menschen, der ihn getötet hat und sie beide. Niemand sonst kann ihnen Halt oder Unterstützung geben. Sie sind in einer emotionalen Quarantäne.

Wie ist es Ihnen während der Dreharbeiten gelungen, sich in die trauernden Eltern hineinzuversetzen, und war es schwierig für Sie, sich abzugrenzen?

Valentina Sauca: So einen großen Verlust kann man eigentlich nicht spielen und auf keinen Fall, indem man den Vergleich zu seiner eigenen Realität macht. Man kann aber aus vielen kleinen Verlusten schöpfen, die man im Leben erfahren hat, und mit der Technik des Schauspiels und Hingabe zu einer Wahrheit kommen. Ich versuche immer, mich, die Privatperson, und das, was ich spiele, kategorisch abzugrenzen.

Karl Markovics: Die Trennung von Rolle und realer Existenz ist ein Prozess, der sich schwer beschreiben lässt. Es läuft mit Sicherheit auch bei jeder anderen Schauspielerin und bei jedem anderen Schauspieler unterschiedlich ab. Bei mir ist es ein bisschen wie seelische Zellteilung. Es entsteht ein Wesen, das erst einmal alles von mir hat und sich nach und nach selbständig entwickelt. Schauspieler paaren sich mit sich selbst. Das Abgrenzen ist nie vollständig möglich. Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es Wochen oder Monate. Am besten, man denkt nicht allzu viel darüber nach.

Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseur Max Färberböck?

Valentina Sauca: Für mich war es eine sehr große Freude und Ehre. Da er nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben hatte, war mir klar, dass er eine ganz genaue Vorstellung von dem hatte, was er wollte. Um in seine Welt einzutauchen, musste ich ihm absolut vertrauen. Auch als er sagte: "Bitte kein Make-up". Mein Anspruch war es, dass ich so nah wie möglich an die Marie komme, die er sich vielleicht vorgestellt hatte. Es war eine sehr schöne Zusammenarbeit mit Max Färberböck und Karl Markovics, und im Grunde genommen war es einfach, diese großen Gefühle zu spielen.

Karl Markovics: Ich wollte immer schon einmal mit Max Färberböck arbeiten. An seinen Arbeiten merkt man sofort, dass sie ein persönliches Bedürfnis sind und nicht nur eine Aufgabe, die man erledigen will. Seine Geschichten sind stille Wasser – tief, unheimlich und elementar.


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