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Alltagsrassismus Wenn aus einem Araber ein Latino wird

Ein Latino kommt einfach besser an als ein Türke oder Araber. Diese Erfahrung musste Jihad oft machen. Deswegen nennt er sich im Club Fernando. Aus Angst vor Vorurteilen, die er so gut kennt. Leider klappt das nicht immer.

Von: Malcolm Ohanwe

Stand: 08.09.2016 | Archiv

Arabische Namen | Bild: BR

Aus Jihad wird Fernando, aus Ali wird Antonio, aus Olcay Francesco und aus Tugay wird Sergio. Nein, das sind keine Schauspieler, die von ihren TV-Gigs in Telenovelas erzählen. Sie sind ganz normale Deutsche muslimischer oder türkischer oder arabischer Herkunft, die in Alltagssituationen ihre wirklichen Namen nicht verraten.

Der Namenstausch klingt erstmal strange, passiert aber häufig. Zum Beispiel beim Feiern im Club - beim neue Leute kennenlernen, Frauen kennenlernen. Selbst auf Facebook melden sich einige mit falschem Namen an. Eine italienische oder eine Latino-Identität nehmen sie an, weil sie - bedingt durch ihr Aussehen - glaubwürdig ist.

"Viele sagen, ich könnte auch Brasilianer sein. Deswegen nenne ich mich öfters Fernando. Aber wenn ich sagen würde, dass ich Thomas heiße, würden die fragen: 'Bist du adoptiert?"

- Jihad El-Metnawy aus München

BWL-Student Tugay Yilmaz denkt sogar einen Schritt weiter, um seine Tarnung aufrecht zu halten. Er behauptet einfach, er sei Halbspanier, der Vater habe die Familie früh verlassen und deshalb könne er leider nur Türkisch. "Zieht immer wieder", sagt er lächelnd.

Ein Bild, das auch medial geprägt wird

Wovor Männer mit muslimischen, arabischen oder türkischen Namen Angst haben? Viele kennen Vorurteile, haben schlechte Erfahrungen gemacht. Sie machen die deutschen Medien mitverantwortlich für das Bild, das mancher Deutsche von ihnen hat. Da werden genannt: "nordafrikanische Vergewaltiger-Flüchtlinge" in Köln, der "persische Amokläufer" aus München oder Gangsta-Rapper ohne Schulabschluss und mit Nahost-Hintergrund wie Haftbefehl.

Auch unsere Interviewpartner erzählen von Vorbehalten:

"Wenn man wirklich wie ein typischer Kanacke aussieht und dann auch noch so einen Namen hat, dann denkt man: Aggressivität, der ist asozial, der ist vielleicht nicht so klug, nicht so gebildet."

- Jihad El-Metnawy aus München

"Nach dem Motto: Der Murat, wieder so einer - und der Moritz ist wieder so ein Netter, weißt?"

- Abid Azis aus München

Namen, die automatisch mit Terror assoziiert werden

Ein in Deutschland besonders verfänglicher Name ist Jihad. Wenn sich jemand so vorstellt, denken alle, die nichts mit arabisch-stämmigen Menschen zu tun haben: Terror! Oder bestenfalls: "Der will mich auf den Arm nehmen." Aber Jihad (oft auch Gihad) ist in der arabischen Welt ein weitverbreiteter Vorname, bei Muslimen gleichermaßen wie bei Christen. Der Name an sich hat nichts mit organisiertem Terror zu tun und kann vieles bedeuten, zum Beispiel geistige Anstrengung

Der Namenstausch funktioniert natürlich nur, wenn keine offiziellen Dokumente im Spiel sind - das heißt gerade da nicht, wo es ernst wird: im Beruf. Der Journalist Olcay Özdemir arbeitet als Reporter für Galileo. Sein Name hätte ihm bei anderen TV-Produktionsfirmen zum Verhängnis werden können.

"Ein Manager erzählte mir im Vertrauen, dass er viele Leute mit nahöstlichen Namen - auch wenn sie super qualifiziert sind - ungern einstellt, da ihr Name die Kontaktaufnahme mit potenziellen Drehpartnern erschwert. Man antwortet eher einem Thomas, als einem Mohammed. Thomas glaubt man auch eher, dass er fürs deutsche Fernsehen arbeitet. Das macht es uns einfach leichter."

- Olcay Özdemir aus Kettwig

Identitäts-Hopping für soziale Vorteile

In den Vereinigten Staaten gibt es den Begriff des "white passing": Nicht-weiße Menschen mit hellerer Haut geben sich als Weiße aus, um Privilegien zu genießen. Hierzulande sind es Männer mit islamischen, arabischen oder türkischen Namen, die von einer Ethnien-Box in die andere hüpfen, um dadurch gesellschaftliche Vorteile zu bekommen. Dieses Phänomen macht deutlich, dass Leute mit erkennbar fremder Herkunft – in diesem Fall eine aus dem Nahen Osten, zu oft nicht nur nach ihren eigenen Handlungen, sondern nach denen einer vermeintlich kollektiven Masse, beurteilt werden. Etwas worüber sich viele Deutsche ohne Migrationshintergrund wohl seltener Gedanken machen müssen.


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