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Ausschlag durch neue Kleidung Kann uns das neue Shirt krank machen?

Die eben gekaufte Bluse oder die neue Jeans Zuhause gleich anziehen? Da klingt vielen wahrscheinlich die Ermahnung ihrer Mutter im Ohr: "Zuerst waschen, dann anziehen." Warum dieser Ratschlag noch immer aktuell ist.

Stand: 15.11.2023

Frau in einem Modegeschäft sieht sich Blusen an | Bild: mauritius images

Auch heute noch werden bei der Herstellung von Textilien viele Chemikalien verwendet, die später beim Tragen Probleme wie Rötungen, Juckreiz und Hautausschläge auslösen können. Manche dieser Substanzen schützen die Stoffe beim Transport vor Schimmel, Motten und anderen Schädlingen; andere verleihen den Textilien erwünschte Eigenschaften wie etwa "geruchshemmend" oder "bügelfrei".

Giftstoffe in Kleidung: Was bringt Waschen?

Die Waschmaschine entfernt zumindest wasserlösliche Schadstoffe.

Nicht so viel, wie man vielleicht hofft - aber immerhin so viel, dass es sinnvoll ist. "Wir empfehlen, Textilien vor dem ersten Tragen zu waschen, weil dann möglicherweise vorhandene wasserlösliche Schadstoffe ausgewaschen werden", sagt die Diplomchemikerin Dr. Kerstin Etzenbach-Effers von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. So verschwinden etwa Tenside, die bei der Stoffherstellung verwendet wurden, überschüssige wasserlösliche Farbstoffe oder auch viele Biozide, die eingesetzt werden, um die Kleidungsstücke vor Schädlingsbefall (Mottenfraß) während des Transports und der Lagerung zu schützen.

Der Haken: "Man hat's dann nicht auf der Haut, aber in der Umwelt. Und früher oder später kommen viele Schadstoffe wieder über die Nahrungskette zu uns zurück", betont die Chemikerin.

Mit dem regelmäßigen Waschen werden allerdings auch einige Substanzen herausgelöst, die der Kleidung bestimmte erwünschte Eigenschaften verliehen haben - und über unsere Umwelt letztlich wieder bei uns landen. Welche das sind, darüber gibt oft das Etikett Auskunft: 

"Bügelfrei", "separat waschen": Das verrät das Etikett über verwendete Chemikalien

Kleideretiketten sind weit mehr als Wasch- und Pflegehinweise. Richtig gelesen verraten Sie uns, welche Chemikalien drinstecken - eine Hilfestellung für jeden, der empfindliche Haut hat oder zu Allergien neigt.

Chemikalien in Kleidung entdecken

Bügelfreie Hemden können auf empfindlicher Haut Juckreiz auslösen.

"Bügelfrei" oder "knitterfrei" bei Hemden und Blusen weist auf die Verwendung von Kunstharzen, wie Formaldehyd-Harz oder Glyoxal hin. Und die halten sich hartnäckig: "Ist ein Kleidungsstück mit Formaldehyd-Harz behandelt, wird Formaldehyd nach und nach freigesetzt. Das ist nicht so, dass man da mit einmal Waschen alles entfernen kann", erklärt Chemikerin Etzenbach-Effers. Laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest vom September 2019 war die Formaldehyd-Belastung der untersuchten Hemden zwar insgesamt im gesetzlichen Rahmen. Wenn Sie allerdings trotzdem beim Tragen bestimmter Hemden oder Blusen ein unangenehmes Gefühl auf der Haut bekommen, könnten nicht-bügelfreie Textilien die Lösung sein. 

"Geruchshemmend" oder "antibakteriell" sind typische Hinweise in Sport- und Funktionskleidung, die mit Bioziden behandelt wurde, um die für die Zersetzung von Schweiß verantwortlichen Bakterien unschädlich zu machen. Oft kommen dabei Silber und Silberverbindungen zum Einsatz, was Verbraucherschützer und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung kritisch sehen:

"(…) Eine zunehmende unkontrollierte, großflächige und niedrig dosierte Anwendung von Silber und Nanosilber in Alltagsprodukten könnte die Selektion von Resistenzen gegen Silber aber auch die Ausbreitung von Multiresistenzen gegen Antibiotika bei Mikroorganismen fördern (…)."

Bundesinstitut für Risikobewertung

Obendrein verschwindet der erwünschte Effekt schneller als uns lieb sein dürfte: "Silberionen und viele andere geruchshemmende Biozide sind wasserlöslich", sagt die Chemikerin Etzenbach-Effers, und: "Schweizer Forscher haben in einer Untersuchung festgestellt, dass teilweise schon ein Waschgang genügte, um fast die Hälfte des Silbers auszuwaschen."

"Wasserabweisend" ist für Outdoorbekleidung nahezu ein Muss. Einige der dafür oft verwendeten sogenannten perfluorierten Verbindungen (PFOA oder PFOS) sind allerdings hormonell wirksam und schädigen die Leber. Um diese Stoffe zu vermeiden, sollten Sie im Label auf die Bezeichnung "fluorfrei" achten oder auf "PFC-frei". "PFOA free" bzw. "PFOS free" genügt nicht - im Gegenteil, häufig kommen bei diesem Hinweis verwandte perfluorierte Substanzen zum Einsatz.

"Separat waschen" oder "Farbe blutet aus" bedeutet, dass die Farbstoffe nicht gut an die Stofffasern gebunden sind. Unklar ist, warum - sei es, weil zu viel Farbe verwendet wurde oder Farbe und Faser nicht zueinander passen. Das Urteil der Chemikerin Etzenbach-Effers: "Kann von Hautirritationen bis krebserregend alles zur Folge haben - genaueres verrät die Kennzeichnung leider nicht." Im Zweifel also lieber Finger weg von so einem Kleidungsstück.

Kann schwarze Kleidung Hautprobleme auslösen?

"Es gibt Farbstoffe, die Kontaktallergien hervorrufen können, und das sind hauptsächlich Dispersionsfarbstoffe", erklärt Etzenbach-Effers. "Richtig angewendet machen sie in der Regel auch keine Probleme", betont die Diplomchemikerin. In der falschen Dosierung oder auf der falschen Faser angewendet, können sie sich allerdings aus dem Stoff lösen - und da sie weniger wasserlöslich, sondern eher fettlöslich sind, werden sie relativ gut über die Haut aufgenommen. Was viele Menschen problemlos vertragen, löst bei anderen rote Flecken, Juckreiz oder sogar Hautausschläge, wie etwa die berüchtigte Socken-Dermatitis, aus. Dass diese Fälle häufiger bei dunklen bis schwarzen als bei andersfarbigen Textilien auftreten, bestätigt die Diplomchemikerin aus ihrer täglichen Erfahrung bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:

"Wenn Kontaktallergien aufgetreten sind, war häufig schwarze oder dunkle Kleidung im Spiel"

Dr. Kerstin Etzenbach-Effers, Diplomchemikerin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Wie sieht es mit Giftstoffen bei Kleidung aus dem Internet aus?

Wie bei allen online gekauften Waren gelten für Produkte, die in Deutschland oder im EU-Ausland bestellt wurden, meist höhere Verbraucherschutzstandards als in anderen Ländern. Wer seine Kleidung über eine große Plattform bestellt und nicht bemerkt, dass er dabei in China oder Südostasien kauft, riskiert eine deutlich höhere Chemikalien-Dosis. Chemikerin Etzenbach-Effers warnt: "Und wenn die Kleidung dann noch extrem billig ist, kann man davon ausgehen, dass Sozialstandards, Chemikalienmanagement und Umweltschutz keine Rolle spielen". Ihr Fazit: "Da würde ich auf keinen Fall Textilien kaufen."

So schnell kaufen Sie in China ein, ohne es zu merken - China oder Deutschland: Wo bestelle ich wirklich?

Giftstoffe in Kleidung aus deutschen Läden - wie kann das sein?

Schadstofffreie Kleidung? Auch in Deutschland sind wir davon noch weit entfernt.

Warum bei uns allen Verbraucherschutz-Standards zum Trotz mit Schadstoffen belastete Kleidung in den Läden hängt, hat viele Ursachen. Eine ist die über die halbe Welt verteilte Produktion der Waren: "Die meisten Textilen werden importiert und die Kontrollen sind sehr lückenhaft", erklärt die Chemikerin Etzenbach-Effers, "und selbst wenn ein Stoff verboten ist, heißt es ja nicht, dass damit behandelte Textilien nicht trotzdem in den Handel kommen." Die staatlichen Untersuchungsämter können nur geringe Stichproben machen. Was also tun?

Wie kann ich Giftstoffe in Kleidungsstücken vermeiden?

Initiativen wie die Detox-Kampagne der Umweltorganisation Greenpeace haben nach Ansicht von Dr. Etzenbach-Effers von der Verbraucherzentrale NRW schon einiges dazu beigetragen, das Bewusstsein in der Branche zu schärfen und den Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Textilindustrie zu verringern. Wer einen Markennamen hat, hat ihrer Ansicht nach durchaus etwas zu verlieren, wenn er sich dieser Entwicklung verschließt. Und es gibt mittlerweile durchaus viele ökologisch und sozial nachhaltig produzierte Kleidungsstücke - etwa mit GOTS-Siegel, das auch auf Kleidung vom Discounter mittlerweile oft zu finden ist. Es gibt allerdings so viele Textillabel, dass sie oft eher für Verwirrung als für Klarheit beim Einkauf sorgen. Hoffnung macht das übergreifende Label "Grüner Knopf", das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) seit 2019 herausgegeben wird und ökologische, soziale und nachhaltige Faktoren berücksichtigt. Es steckt allerdings erst in den Kinderschuhen.

Was immer geht, ist die schnelle und meist auch noch preiswerte Alternative, an schadstoffarme und umweltschonende Kleidung zu kommen - der gute alte Second-Hand-Laden.

Was bedeutet Fast Fashion eigentlich für usnere Umwelt? Hier refahren, in dieser Episode unseres Podcasts Besser leben:

https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/warum-sollen-billige-t-shirts-schlecht-fuer-die-umwelt-sein/bayern-1/87988270/

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