Imprägnieren Ist Imprägnierspray wirklich notwendig?
Wie sinnvoll sind Imprägnierspray für Outdoor-Kleidung wirklich? Geht es auch ohne? Welche Alternativen es gibt, zeigt unser Podcast "Besser leben".
https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/impraegnierspray-braucht-s-das-eigentlich/bayern-1/93357808/
Wofür Imprägnierspray?
Bevor sich an Schuhen Schneeränder bilden oder Nässe die Funktionsjacke durchdringt, greifen viele Wanderer und Bergsportler zu speziellen Imprägniermitteln, um Kleidung oder Schuhe vor Schmutz und Nässe zu schützen. Egal, ob es sich dabei um Pumpsprays, Treibgas oder Schaum handelt, in den Mitteln steckt jede Menge Chemie. Dafür muss man sich noch nicht mal die Inhaltsstoffe ansehen, das kann man förmlich riechen. Auch in Hosen und Jacken sind über Jahre vorzugsweise Stoffe eingesetzt worden, die für die Umwelt und letztlich auch für den Menschen extrem schädlich sind.
Welche Chemikalien stecken in Outdoor-Kleidung?
In vielen Wanderklamotten sind sie immer noch enthalten: Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) oder oft auch per- und polyfluorierte AlkylSubstanzen (PFAS) genannt. Die Industrie liebt PFC wegen ihrer besonderen Eigenschaften - denn sie sind fett-, wasser-, und schmutzabweisend, aber zugleich auch chemisch und thermisch stabil. Die Substanzen lassen sich also ideal in zahlreichen Produkten, wie Textilien oder auch schmutzabweisenden Teppichen einsetzen.
Zur Stoffgruppe der PFC gehören mehr als 800 Stoffe, die aber in der Natur so gar nicht vorkommen. Sie sind künstlich vom Menschen hergestellt worden. Die Kohlenstoffketten der PFC haben verschiedene Längen. Vor allem die langen Ketten gelten als besonders schädlich und dürfen teilweise nicht mehr eingesetzt werden.
Warum sind PFC für Menschen gefährlich?
Die Superkräfte der PFC sind toll für den Imprägnierschutz, aber fatal für die Umwelt. Denn diese Stoffe können nicht abgebaut werden. Auch Filteranlagen oder ähnliches können PFC nicht stoppen, sagt Christoph Schulte vom Umweltbundesamt (UBA) in Dessau:
"Die Kläranlage ist gegen perfluorierte Chemikalien machtlos. Die sind nicht biologisch abbaubar. Und passieren die Kläranlagen, landen dann im Gewässer und werden mit den Gewässerströmen verbreitet."
Christoph Schulte, Umweltbundesamt (UBA)
PFC können mittlerweile selbst in den entlegensten Winkeln der slowakischen Hohen Tatra oder den Schweizer Alpen nachgewiesen werden. Das haben zahlreiche Untersuchung gezeigt.
Zudem verbleiben sie nicht nur für sehr lange Zeit in der Natur, sondern können sich zudem im Organismus und entlang der Nahrungskette anreichern. PFC wirken sich negativ auf die Fortpflanzung aus und gelten als Auslöser für Krebs. Über Textilien können PFC zwar nicht aufgenommen werden, aber eben über Trinkwasser und Nahrung.
Wie für eine Polarexpedition ausgerüstet - der normale Wanderer
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Viele Schönwetter-Wanderer, die allenfalls mal in einen heftigen Regenschauer kommen, rüsten sich aus wie für eine Polarexpedition. Weniger ist da mehr, meint Stefan Thumm, Koordinator für Innovation, Umwelt und Technologie beim Bayerischen Textilverband (BTV): "Es gibt die ökologisch imprägnierte Jacke, die für den Alltag sehr gut geeignet ist und es gibt natürlich auch die Spezialkleidung, die für den Extrembereich ausgelegt ist." Je besser Outdoor-Kleidung Wanderer oder Bergsteiger auch vor extremer Witterung schützt, desto mehr PFC ist oft drin. Leider kümmert das viele Käufer nicht, beklagt Manfred Santen von der Umweltschutzorganisation Greenpeace: "Es gibt wenig Bewusstsein, da nochmal nachzufragen, wie wird denn so eine Funktionalität überhaupt erreicht."
Auch Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Bergsportausstatters VauDe in Tettnang, rät zum Einkauf mit Augenmaß:
"Ein solider Wetterschutz mit Regenjacke und im Herbst/Winter dann eben eine Wärmeisolation drunter mit Vlies. Das ist eigentlich für ein ganz, ganz großes Einsatzspektrum schon ausreichend. Wichtig ist, dass man auf eine atmungsaktive Membrane im Wetterschutz achtet, damit man den Schweiß nach außen transportieren kann."
Antje von Dewitz, Geschäftsführerin Bergsportausstatter VauDe
Es geht auch ohne: PFC-freie Jacken und Hosen
Seit Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace erstmals PFC selbst in den letzten Winkeln der Erde nachgewiesen haben und alarmierenden PFC-Testergebnisse bekannt geworden sind, hat sich in der Branche einiges getan. Es gibt mittlerweile sehr viele Funktionsjacken und -hosen, die ohne PFC auskommen und trotzdem gut vor Wind und Wetter schützen. Hersteller wie Fjällräven oder Rotauf werben gezielt damit, dass ihre Kollektionen komplett PFC-frei sind. Marktführer Gore Fabrics (bekannt durch GoreTex) aus dem bayrischen Putzbrunn verzichtet bei den normalen, wetterfesten Beschichtungen seit 2020 und bei den Spezialbeschichtungen bis spätestens Ende 2023 auf PFC.
Das Familienunternehmen VauDe vom Bodensee hat es mittlerweile geschafft, seine gesamte Bekleidungskollektion, Schuhe und auch Rucksäcke wasserabweisend, aber ohne PFC auszurüsten, sagte Geschäftsführerin Antje von Dewitz: "Dafür haben wir auch die Anerkennung von Greenpeace erhalten. Das Ganze war nämlich eingebettet darin, dass wir das Greenpeace Detox Commitment unterschrieben haben und uns verpflichtet haben, in den Herstellungsprozess nicht nur die PFCs, sondern auch andere Chemikalien zu eliminieren."
Dennoch täuschen manche plakativ angebrachten Umweltsiegel auf Outdoor-Kleidung gerne darüber hinweg, dass noch immer PFC drin steckt. Deshalb ist die Beratung im Fachgeschäft unbedingt zu empfehlen.
Warum Ihr Imprägnierschutz länger hält als gedacht
Dass PFC für die Hersteller wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften nur schwer zu ersetzen sind, hat auch eine Untersuchung der Stiftung Warentest von PFC-freien Funktionsjacken gezeigt (10/20). Im Urteil hieß es:
"Keine fluorfreie Jacke bietet guten Regenschutz. Im Neuzustand hielten einige im Regenturm sehr gut dicht, die übrigen trotzten dem Regen akzeptabel. Nach fünf Wäschen hatten alle stark nachgelassen." Testurteil der Stiftung Warentest, Oktober 2020
Allerdings wurden die Jacken im Test einer extremen Witterung ausgesetzt, die viele Freizeitwanderer mit ihren Funktionsjacken kaum erleben werden.
Viele Verbraucher sind sich aber auch irgendwie sicher: Die Imprägnierung ist schnell weg, nutzt sich ab sozusagen. Ist aber gar nicht so: Wenn Sie Ihre neu gekaufte Jacke etwa vier Mal im Jahr waschen - und das ist viel - hält die Imprägnierung trotzdem weit über zehn Jahre, bestätigt Stefan Thumm: "Das heißt, die Imprägnierung ist so gut, dass sie über die Lebensdauer eines Textil - da rechnet man mit 50 Wäschen - eigentlich gut hält." Und selbst dann müssen Sie nicht unbedingt gleich zur Flasche greifen!
So können Sie die Imprägnierung auffrischen – ohne Imprägnierspray
Imprägnierschutz in der Kleidung lässt sich viel einfacher wiederherstellen, weiß Stefan Thumm vom Textilverband: "Bügeln zum Beispiel. Bei sehr moderater Temperatur. Das reicht schon aus und die Imprägnierungen funktionieren dann wieder." Das muss man sich natürlich trauen, denn leider steht auf vielen Outdoor-Textilien ausdrücklich drauf, dass Bügeln verboten ist. Ganz Vorsichtige können aber etwa ein Küchenhandtuch zwischen Kleidungsstück und Bügeleisen legen. Oder es nach der Wäsche in den (auf niedrige Temperatur gestellten) Trockner tun. Auch diese Wärme kann in gewissen Grenzen die imprägnierte Schicht wieder auffrischen.
Übrigens: Wenn es eine Stelle gibt, die bei Outdoorkleidung besonders beansprucht wird, dann sind es die Schulterstücke von Jacken, etwa weil Rucksackriemen darüber scheuern und den Imprägnierschutz schneller auflösen. Wenn schon Imprägniermittel einsetzen, dann reicht es oft, nur diese Stellen an der Schulter zu besprühen.
Ökologisch einwandfreie Imprägniersprays gibt es nicht
Tatsächlich hat ein Check der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen von Anfang 2017 gezeigt: Bei 11 von 15 untersuchten Imprägniermitteln war gar nicht aufgeführt, ob PFC enthalten sind oder nicht. Auch das Umweltbundesamt klagt immer wieder darüber, dass Inhaltsstoffe von den Herstellern verschleiert werden. Von daher gesehen haben wir Verbraucher nur die Möglichkeit, auf Mittel zurückzugreifen, auf denen ausdrücklich steht, dass KEINE PFC enthalten sind, wenn wir uns umweltbewusst verhalten wollen.
Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen, nur Hinweise wie "Frei von Fluorcarbonen" oder "OFC frei" garantieren lediglich, dass "PFOA" oder "PFOS" (die besonders schädlichen, langkettigen PFC) nicht im Spray sind. Kurzkettige PFC sind nach wie vor erlaubt, aber letztlich für die Verbreitung in der Umwelt genauso schädlich.
Richtig umgehen mit dem Imprägnierspray
Grundsätzlich gilt: Je weniger Mittel eingesetzt werden, desto besser. Und lieber zwei, drei Mal dünn versiegeln, als einmal dick drauf sprühen. Auf keinen Fall sollten Sprays in Innenräumen angewendet werden. Viele unterschätzen die Gefahr, die von den Mitteln für die Gesundheit ausgeht. "Sprays produzieren Aerosole, und das ist immer irgendwas Schmutz- und Wasserabweisendes, was man einatmet - und dann werden auch die Lungenbläschen imprägniert, was man ja eigentlich nicht will", sagt Manfred Santen von Greenpeace.
Flüchtige PFC aus Imprägniersprays verteilen sich aber auch draußen über Luftströmungen in die Atmosphäre und können über weite Strecken in der Luft transportiert werden. Über Niederschlagsereignisse gelangen PFC wiederum in Boden und Grundwasser.
Was die Entsorgung angeht: Leere Spraydosen kommen in die Gelbe Tonne und werden dort entsorgt. Angebrochene oder gar volle Spraydosen gehören auf den Wertstoffhof.
Wie imprägniert man Schuhe richtig?
Die meisten Schuhe sind bereits imprägniert, wenn sie die Fabrik verlassen und an die Geschäfte ausgeliefert werden. Die Schuh- und Lederwarenindustrie verweist jedoch darauf, dass die Wirkung nicht unbegrenzt anhält. Vorbeugend wird daher oft geraten, nach dem Schuhkauf - je nach Empfindlichkeit des Leders/Materials - ein oder sogar zweimal zu imprägnieren.
Lederschuhe halten länger, wenn sie richtig und gut gepflegt werden. Ansonsten wird Leder mit der Zeit rissig und spröde. Wenn Schuhe feucht sind, sollten sie mit saugfähigem Material (etwa Zeitungspapier) ausgestopft und langsam getrocknet werden - also nicht direkt auf oder an der Heizung. Zur richtigen Pflege gehört auch, die Schuhe nur einen Tag zu tragen und dann zu wechseln. So können insbesondere Lederschuhe die durchs Tragen gespeicherte Feuchtigkeit wieder abgeben.
Bei Glattleder-Schuhen kann ohnehin gut auf Sprays verzichtet werden. Pumpsprays oder Wachse, die man verteilt, sind aus gesundheitlicher Sicht sowieso deutlicher besser geeignet. Raulederschuhe sind meistens "durchgefärbt", von daher reicht es oft, Rau- und Wildleder mit einer Bürste von Staub und Schmutz zu säubern. Erst danach sollten die Schuhe imprägniert werden, da geraute Leder natürlich feuchtigkeitsanfälliger sind. Für Rauleder gibt es auch spezielle Kupferdraht-Bürsten, um das Material nach dem Ausbürsten oder der feuchten Reinigung wieder aufzurauen. Außerdem kann man spezielle Radiergummis benutzen, um Schrammen zu entfernen. Diese speziellen Radiergummis können auch für die hellen Sommersohlen (Schichtleder, helle PU- oder Rubrexsohlen) verwendet werden.
Gerade bei Outdoor-Schuhen bieten verschiedene Hersteller mittlerweile den Service, ihre Produkte für ein paar Euro professionell nachimprägnieren zu lassen. Ob es solche Möglichkeiten gibt, sollte man bereits beim Kauf im Fachhandel erfragen.
Quellen und weiterführende Links
www.swrfernsehen.de: Öko-Imprägniesprays im Test (1/2020)
www.test.de: Funktionsjacken im Test (10/2020)
www.detox-outdoor.org: PFC weltweit
www.greenpeace.de: Outdoor-Branche - Zukunft ohne gefährliche PFC
www.umweltbundesamt.de: Was sind PFC?
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