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Telefonzellen 135 Jahre Münzfernsprecher

Das Erscheinungsbild der Telefonzelle veränderte sich mit der Zeit: von sauber und gelb zu magenta und oft versifft. Gebraucht werden die Häuschen, die keine mehr sind, nur noch selten. Vor 135 Jahren wurde das erste aufgestellt.

Von: Michael Kubitza

Stand: 25.01.2013 | Archiv

gelbe Telefonzellen | Bild: picture-alliance/dpa

Ihr Rosa heißt Magenta. Manchmal sind sie auch gelb, meist versifft und man braucht sie nur selten. Trotzdem: Je weniger Telefonzellen es gibt, desto mehr Fans haben sie. Aus ausrangierten Modellen machen sie Schaukästen, Leihbüchereien oder Aquarien. Die Telekom ist skeptisch.

Das Telefon war den Ameisen egal. Schön trocken war es unter dem gelben Zellendach. Jetzt ist die gelbe Kiste in der Münchner Schönstraße weg und die Ameisen sind immer noch da. Was nun wieder denen egal ist, die eine Telefonzelle suchen. 80.000 davon standen 2011 in Deutschland, 20.000 weniger als noch drei Jahre zuvor. In Bayern gab es 2011 noch 10.000 öffentliche Münzfernsprecher.

Die letzten Häuschen im Handyzeitalter

Karte statt Münzen

Münzfernsprecher: Ein Wort wie Telegraphenanstalt und Fräulein vom Amt. Es ist schon ziemlich lang her, ein Jahrzehnt mindestens, dass in der Zelle eine alte Dame mit den Tränen kämpfte, weil ihre Zehnerl nicht in den Telefonkartenschlitz passten. Sagen wir also besser Telefonzelle. Obwohl: Gelb und zellenartig, also mit Tür dran, sind heute nur noch knapp 13.000. Und wer besucht die? Menschen, die kein Handy haben. Oder kein Handy zur Hand. 

Handyverweigerer sterben aus

Udo Harbers von der Deutschen Telekom macht eine andere Rechnung auf: "Telefonzellen werden meist aus wirtschaftlichen Gründen abgebaut - sie werden nicht mehr genutzt, der Umsatz entspricht nicht mehr den laufenden Kosten. Von öffentlichen Telefonstellen wurden 2010 rund 120 Millionen Gespräche geführt. Zum Vergleich: 1999 waren es noch eine Milliarde." Die Telekom muss es wissen - Konkurrenz muss der Anbieter der gelben und magentafarbenen Zellen kaum fürchten. Bei Vodafone etwa winkt man ab: "Man geht nicht mehr aus dem Haus und um die Ecke zum Telefonieren. Die Zahl der Menschen ohne Handy nimmt täglich ab." 

Finanzieller Verlust

Ein Beispiel: Mit einer Telefonzelle in Lichtenfels in Oberfranken verdiente die Telekom im Februar 2011 exakt 2,40 Euro - bei laufenden Kosten um die hundert Euro pro Monat. Deshalb wurde sie abgebaut. In solchen Fällen geht es schnell. Die Telekom beschließt: Abbau, die Kommune stimmt zu. Möglichst bald werden dann die Leitungen gekappt und das Häuschen verschwindet.

Das Verschwinden der Telefonzellen fällt bei der Polizeiarbeit kaum ins Gewicht, sagt Werner Kraus vom Polizeipräsidium München - im Gegenteil: "Es gibt keine offizielle Statistik, aber die Tendenz ist klar: Es kommen relativ gesehen mehr Notrufe als früher, und sie kommen schneller."

Ein Mittel gegen den Phantomschmerz

Man braucht sie also nicht mehr, die kleinen gelben Zellen. Und leidet manchmal doch, wenn sie weg sind. Phantomschmerz? Gelbsucht? Zellulitis? In Rainer Knepperges Filmkomödie "Die Quereinsteigerinnen" - einem Publikumsliebling auf dem Münchner Filmfest 2005 - kidnappen zwei Frauen den Telekomchef und zwingen ihn zur Herausgabe der gelben Zellen.

Kunst im Telefonhäuschen

Weitaus friedlicher gingen Ingeborg Freytag und Margarete Schrader aus dem niedersächsischen Brokeloh vor, die ihre Zelle 2007 mannhaft gegen die Abräumbestrebungen der Telekom verteidigten und seither wie einen Schaukasten immer neu dekorieren - je nach Jahreszeit und Anlass, inzwischen über 30 Mal. Anderswo werden aus Telefonzellen Bücherzellen - in Bayern etwa in Tutzing und Ingolstadt.

Moderne Lösungen

Die Häuschen verschwinden, gleichzeitig werden die verbleibenden öffentlichen Telefone der Telekom moderner. Mit Bildschirmen, Internetzugang und Fahrplanauskünften sollen Kunden geworben werden. Statt Zellen werden Säulen und sogenannte Basistelefone aufgebaut, für die man eine spezielle Telefonkarte mit PIN braucht. Ob die mehr Kunden anlocken oder in einigen Jahren auch wieder verschwinden, bleibt abzuwarten.

Zellenfeinde: Die Haftung und der Schredder

Telekom-Mann Harbers freut sich über die nostalgische Fernsprecherliebe - privat. Verkaufen will das Unternehmen die Telefonhäuschen aber nicht, nur vermieten: "Zum Beispiel für Filmaufnahmen, auf Wunsch auch funktionsfähig. Das kostet aber. Verkaufen können wir die Zellen aus haftungsrechtlichen Gründen nicht. Obwohl wir wissen, dass sie immer wieder auf Ebay angeboten werden." Der offizielle Weg ausgemusterter Zellen ist kurz, für Liebhaber aber nicht schmerzlos. Harbers: "Die Zellen werden von externen Dienstleistern abtransportiert und auf Wertstoffhöfen fachgerecht geschreddert."


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