Verpackungsmüll Karotten verpackt, Paprika lose - unser Einkaufsverhalten
Fraglos werden in Deutschland zu viele Plastikverpackungen für Lebensmittel eingesetzt. Die jährliche Abfallbilanz spricht für sich. Aber sind alternative Materialien oder der lose Warenverkauf auch immer nachhaltiger?
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Verpackungsmüll in Deutschland
Fast sechs Millionen Tonnen Verpackungsmüll fallen pro Jahr in den deutschen Haushalten an. Hat das Statistische Bundesamt zuletzt ermittelt. Vor allem Plastik- und Papierverpackungen haben zugelegt.
Das sind rund 72 Kilo pro Kopf. Rekordniveau. Das Verpackungsgesetz - seit 2019 in Kraft – sollte einen weiteren Anstieg eigentlich verhindern. Experten gehen aber davon aus, dass sich am Trend der vergangenen Jahre erstmal nicht viel ändern wird.
Warum Plastik nicht immer die schlechtere Wahl ist
Plastik ist nicht grundsätzlich schlecht. Eine dünne, angepasste Kunststofffolie kann auch schützen, sagt Lebensmittelchemikerin Carolin Hauser, die an der Technischen Hochschule Nürnberg nachhaltige Verpackungsmöglichkeiten erforscht: "Das heißt, wenn ich mir die Verpackung spare, aber dann das Lebensmittel wegwerfe, habe ich zehnmal mehr Ressourcen verbraucht." Es ist ein Abwägungsprozess.
Frankreich will ab 2022 einen radikalen Weg gehen. Gleich 30 Obst- und Gemüsesorten sollen schrittweise nur noch ohne Verpackung angeboten werden. Was zunächst nur für weniger empfindliche Sorten wie Gurken, Karotten oder Orangen gilt, soll in den nächsten fünf Jahren auch auf heiklere Waren, wie Trauben oder Beeren, ausgeweitet werden.
Warum REWE nach einem Test wieder viel Obst & Gemüse verpackt
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Stefan Weist von der REWE Group, einem der vier marktbeherrschenden Handelsunternehmen in Deutschland, kennt sich damit aus. Als Konzern-Abteilungsleiter für Obst und Gemüse hat er 2019 einen der größten Unverpackt-Tests in über 600 REWE-Filialen im Südwesten Deutschlands begleitet. Nur gut die Hälfte der Lebensmittel ist auch heute noch ausgepackt: "Bei ein paar Sachen haben wir halt eine Rolle rückwärts gemacht", gibt Stefan Weist zu, "also Eisbergsalat war ein Desaster." Bis zu 70% weniger verkauft und viel weggeschmissen, so das Fazit.
Beispiel Salatgurken. Mittlerweile werden sie in den meisten deutschen Supermärkten ohne Folie verkauft. Lediglich ein kleiner Aufkleber markiert noch die Bioware. REWE verkauft pro Jahr, nach eigenen Angaben, etwa 100 Millionen Salatgurken. Ohne Plastikhülle, schätzt Stefan Weist, verdirbt etwa ein halbes Prozent mehr Ware: "Da sagen alle, das ist nicht so viel. Aber dann reden wir mal schnell über 500.000 Gurken. Stellen Sie sich die auf einem Haufen vor!"
Was können die Hersteller gegen Verpackungsmüll tun?
Auch wenn sich der Handel bemüht gibt - irgendwoher müssen die zunehmenden Verpackungsabfälle kommen. Trotz verschärftem Verpackungsgesetz wird bei vielen Herstellern die Verpackung nicht vom Ende her gedacht. Nämlich, was passiert damit. "Ich kenne das ganz oft, dass Verpackungen auch total überdimensioniert sind", sagt Forscherin Carolin Hauser, "aber ich muss nicht tausend Lagen und Barrieren drum herum haben, wenn es gar nicht nötig ist."
Kunststoffbeschichtete Papiere oder auch so genannte kompostierbare Verpackungen sorgen dafür, dass eine klare stoffliche Trennung oder spätere Aufbereitung quasi unmöglich gemacht wird. Kompostierbare Verpackungen klingen gut, sind aber in der deutschen Biotonne verboten und müssen verbrannt werden. Nachhaltiger ist das auch nicht.
Der Ball liegt bei den Entsorgungsdienstleistern, die bei der Lizenzierung viel stärker die Daumenschrauben anlegen müssten: "Gute" Verpackungen fördern und "schlechte" eben finanziell abstrafen, meint Carolina E. Schweig, Verpackungs-Ingenieurin aus Ellerbek in Schleswig-Holstein. Sie berät viele große Handelsunternehmen in Sachen Verpackung: "Dann wird sich hier relativ schnell was verändern. Also ich denke mir, Geld regiert die Welt und das regiert auch den Verbrauch von Verpackung."
Warum Makkaronis als Trink-Strohhalme schlechter als Plastikstrohhalme sind
Viele Verbraucher scheitern bei der Mülltrennung oft schon an einem einfachen Joghurtbecher. Statt Aludeckel, Kunststoffkörper und Papier-Ummantelung sauber voneinander zu lösen, wandert alles zusammen in den Verpackungsmüll. Grundsätzlich gilt: Je einfacher eine Verpackung, desto besser. Und leicht sollte sie auch sein.
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Ein 500-Gramm-Karton Spaghetti, mit Sichtfenster, wirkt für viele - vom Gefühl her - nachhaltiger als ein dünner Folienbeutel. Aber das Gefühl dürfte trügen. Das liegt an der Grammatur, also dem Verpackungsgewicht pro Quadratmeter. Jedes Gramm mehr beim Transport wirkt sich sofort negativ auf die Ökobilanz aus. Vor allem dann, wenn die Ware aus Italien kommt. Ein deutscher Hersteller, der seine Spaghetti mit Plastik umhüllt, dürfte demnach nachhaltiger unterwegs sein. Zumal wenn die Verpackung - sind die Nudeln "al dente" - im gelben Sack oder der gelben Tonne entsorgt wird.
Aber auch das EU- Einwegplastikverbot, das seit Mitte 2021 gilt, treibt seltsame Blüten. Es gilt für Einweg-Plastikbesteck, Plastikteller oder Plastiktrinkhalme usw.. Ziel der Verordnung war die Vermeidung, aber nicht Kunststoffe durch andere Einweg-Materialien zu ersetzen. Wie zum Beispiel durch den Holzbestandteil Lignin, Zuckerrohr mit PLA (Milchsäuremolekülen) oder gar Bambuspulver. In Deutschland sind solche Trinkhalme daher ebenfalls verboten. In Dänemark, Italien oder auch Belgien aber nicht.
Viele Cafés oder Bars stecken seit dem Plastikverbot eine Makkaroni ins Glas. Warum das noch weniger nachhaltig ist, erklärt Lebensmittelchemikerin Carolin Hauser von der TH Nürnberg: "Erstens ist es ein Lebensmittel, was wir nur zum Trinken hernehmen. Zweitens werden zehnmal mehr Ressourcen verschwendet als durch den Plastik-Strohhalm."
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