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Wurzel vieler Herzkrankheiten Arteriosklerose

Gefäßverengende Ablagerungen an den Arterien können lange unbemerkt bleiben. Jedoch: Eine solche Arteriosklerose ist lebensgefährlich. Es drohen Herzinfarkt und Schlaganfall.

Von: Sabine März-Lerch

Stand: 12.02.2024 |Bildnachweis

Arteriosklerose unter dem Mikroskop | Bild: picture-alliance/dpa

Arterien bringen sauerstoffreiches Blut vom Herzen weg zu Organen, Muskeln und Geweben. Im gesunden Zustand funktioniert das durch glatte Gefäßwände. Moleküle des Blutfettes Cholesterin und anderer Fette (Peptide) werden normalerweise mit dem Blutfluss transportiert.

Expertin:

Dr. med. Christa Bongarth, Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Internistische Intensivmedizin, Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Kardiovaskuläre Präventivmedizinerin, Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried

In geschädigten Arterien ist dieser Mechanismus gestört, so dass sich das Fett an den Gefäßwänden anlagert. Bindegewebe und manchmal Kalk kommen hinzu. Sogenanntes Plaque, das sich so bildet, besteht also nicht nur aus Kalk - wie es die umgangssprachliche Übersetzung für Arteriosklerose "Arterienverkalkung" suggeriert.

"Weiter werden noch Entzündungszellen, also weiße Blutkörperchen, aktiv und verstärken diese Plaque-Bildung weiter."

Dr. Christa Bongarth

Arteriosklerotische Ablagerungen verengen die Gefäße, das Blut kann nicht ungehindert fließen, die Sauerstoffversorgung ist eingeschränkt. Trotzdem kann dies über einen langen Zeitraum unbemerkt bleiben.

"Wenn die Gefäße nur langsam enger werden, dann kann der Körper sich daran gewöhnen, kann für eine gewisse Zeit Umgehungskreisläufe bilden."

Dr. Christa Bongarth

Schlummernde Zeitbombe

Wenn sich die Gefäße durch Plaques komplett verschließen, kann es sehr schnell zum Herzinfarkt kommen.

"Und was das Gefährliche ist: Aus den Ablagerungen heraus entsteht ein akuter Herzinfarkt, wenn so ein Plaque reißt. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen weichen und harten Plaques: Die weichen haben keine Verkalkungen, die harten schon. Die weichen Ablagerungen aber können schneller reißen."

Dr. Christa Bongarth

Denn nur eine dünne Zellschicht trennt Plaques von der Blutbahn. Reißt diese Gefäßinnenwand und damit das Plaque ein, wird sofort die Blutgerinnung angestoßen. Sie ist im Normalfall der ausgeklügelte Reparaturmechanismus des Körpers, Wunden zu schließen. Im Falle einer Plaque-Ruptur (so der medizinische Begriff für das Reißen des Gewebes) allerdings verengt sich damit das Gefäß gefährlich weiter. Bis hin zum kompletten Verschluss der teils nur Mikrometer (also tausendstel Millimeter) dünnen Gefäße:

"Setzt sich auf diese Plaque-Ruptur nämlich noch ein solches Blutgerinnsel, ist das Gefäß quasi von jetzt auf gleich komplett verschlossen und damit die Durchblutung abgeschnitten. Das ist, wie wenn sie einem Motor die Benzinzufuhr nehmen, da stirbt auch der ab. Das kann am Herzen und im Gehirn passieren, an den Beinen und auch im Bauch, wo wir eine plötzliche akute Durchblutungsstörung des Darmes sehen. Alle Arterien sind betroffen, am häufigsten Herz, Hirn und die Beine."

Dr. Christa Bongarth

Lösen sich solche Gerinnsel vorher ab und werden diese weitergeschwemmt, droht der Verschluss auch an anderer Stelle. Auch hier können die Folgen sein: Herzinfarkt, Lungenembolie und Schlaganfall.

Arterien – Elastisch und kraftvoll

"Die linke Herzkammer pumpt das Blut in die Hauptschlagader, die Aorta. Und die verzweigt sich in die Arterien. Die Arterien befördern das sauerstoffreiche Blut in den Körper - in die Muskulatur, in die Organe, ins Gehirn und in den Herzmuskel selbst, damit das Herz damit versorgt ist."

Dr. Christa Bongarth

Arterien haben die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen und zu erschlaffen - elastische Gefäßschichten und Muskelzellen sorgen dafür. Mit dem Alter, aber auch durch Arteriosklerose, verändert sich diese wichtige Charakteristik:

"Diese Elastizität ist für die Funktionsfähigkeit der Arterien sehr wichtig. Mit der Arteriosklerose geht sie verloren, weil durch die Plaques der dreischichtige Wandaufbau der Gefäße gestört wird."

Dr. Christa Bongarth

Arterien müssen einen großen Druck aushalten - anders als Venen, die das sauerstoffarme Blut zum Herzen zurück transportieren.

"Arterien sind das Hochdrucksystem und Venen das Niederdrucksystem. Daher spielt gerade bei den Arterien der Bluthochdruck eine große Rolle: Denn sie sind viel größeren mechanischen Belastungen ausgesetzt als Venen das sind. Werden die Blutgefäße enger und steifer, muss sich die gleiche Menge Blut durch viel engere Gefäße pressen. Und so erhöht sich der Blutdruck."

Dr. Christa Bongarth

Arteriosklerose kann alle Arterien des Körpers befallen: die Halsschlagadern, die die Gehirndurchblutung garantieren, oder die Beinschlagadern.

"Und natürlich auch die Gefäße, die die inneren Organe mit Blut versorgen. Das ist nicht ganz so häufig, aber doch grundsätzlich so, dass es hier zur Durchblutungsstörungen der inneren Organe kommen kann."

Dr. Christa Bongarth

Wird Arteriosklerose z.B. an den Herzkranzgefäßen diagnostiziert, ist es nicht ausgeschlossen, auch an anderen Gefäßen Veränderungen zu finden.

"Deshalb schauen wir uns, wenn jemand mit einem Herzinfarkt zu uns ins Krankenhaus kommt, auch immer die anderen Gefäßregionen an. In der Regel ist es so, dass auch andere Gefäße betroffen sind. Denn die Arteriosklerose ist eine Systemerkrankung. Das ist Patienten häufig nicht bewusst – sie denken, sie hätten ausschließlich eine koronare Herzerkrankung."

Dr. Christa Bongarth

Covid-19

Aus einer Schweizer Untersuchung geht übrigens hervor, dass das SARS-CoV-2-Virus auch die Endothelzellen der Arterien direkt befällt, also die Zellen der Gefäßinnenwände. Liegt dann eine Arteriosklerose als Risikofaktor vor, könne der Organismus die von SARS-CoV-2 ausgelösten Endothelschäden kaum abpuffern.