Ende der Welt - Die tägliche Glosse Frühstücksforschung
Chinesische Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass wer vor acht Uhr frühstückt am gesündesten lebt. Blöderweise sagt die gleiche Studie, dass wer nach neun isst, sein Depressionsrisiko um 28 Prozent erhöht. Deshalb isst jetzt unser allseits beliebter Foodbloggerer Maggus 24 Stunden, also rund um die Uhr. Das hat er zwar gefühlt vorher auch schon gemacht, aber jetzt ist es offiziell. Er isst somit immer vor acht Uhr, auch wenn er nach neun isst, denn nach acht ist ja bekanntlich vor acht. Der Instagram Auftritt unseres Landesvaters macht einen irgendwie depressiv, egal ob vor oder nach acht. Eine Glosse von Helmut Schleich.
Sind Sie ein Frühstücks-Mensch? So richtig ausgiebig, mit Ei, Kaffee, Marmelade, Schinken, Müsli. Möglichst in aller Ruhe in den Vormittag hinein?
Eieiei, ganz gefährlich, sage ich Ihnen! Chinesische Wissenschaftler - ausnahmsweise einmal nicht amerikanische - haben jetzt nämlich herausgefunden, dass, wer nach 9 Uhr frühstückt, sein Depressionsrisiko um 28 Prozent erhöht. Also nicht um 29 Prozent, auch nicht um 27 Prozent, nein exakt um 28 Prozent. Und dass am gesündesten lebt, wer vor acht Uhr frühstückt. Wer gar nicht frühstückt, dem ist eh nicht zu helfen.
Die Tatsache, dass die S-Bahn München im morgendlichen Berufsverkehr gelegentlich Gratis-Brezen an Fahrgäste verspäteter oder ausgefallener S-Bahnen verteilt, darf also als Maßnahme zur Depressionsbekämpfung gewertet werden, sofern sie vor acht Uhr erfolgt. „Follow the science“, kann man da nur sagen.
Nie gab es mehr Forschung als heute
Natürlich müssen wir der Wissenschaft für ihre wertvolle Arbeit heute und zu jeder Zeit dankbar sein, aber in dem Fall fragt man sich schon, ob diese Wissenschaftler aus dem Reich der Mitte nichts anderes zu tun hatten als Frühstückszeiten mit Depressionen in einen unmittelbaren Zusammenhang zu setzen? Womöglich handelt es sich dabei ja auch einfach um die berühmte, sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Und: welche Erkenntnis kommt da wohl als Nächstes? Dass das Hungerrisiko signifikant ansteigt, wenn man gar keine Nahrung zu sich nimmt? Oder die altbairische Erkenntnis, dass, wer früher stirbt, länger tot ist?
Zumal ja viele andere Fragen bis heute vollkommen ungeklärt sind. Zum Beispiel, ob man 30-Grad-Wäsche bei 40 Grad Außentemperatur im Freien aufhängen darf, oder warum Festbier flüssig ist?
Wir leben schließlich im Zeitalter der Wissenschaft. Nie gab es mehr Forschung als heute. Und wo endlos geforscht wird, da gibt’s eben auch endlos Forschungsergebnisse.
Es werden ja heute auch deutlich mehr Bücher geschrieben als gelesen. Und Hand auf’s Herz: Oft kann der gesunde Hausverstand wissenschaftliche Erkenntnisse vom Kaliber „wer nicht frühstückt lebt ungesund“ oder so ähnlich, spielend ersetzen.
Schon Luther wusste: „Iss was gar ist, trink, was klar ist und sag was wahr ist“, ohne dass daraus eine wissenschaftliche Erkenntnis gemacht wurde.
Mitunter reicht die Inbetriebnahme des eigenen Verstandes vollkommen aus. Oder um es mit dem wunderbaren österreichischen Schriftsteller Anton Kuh zu sagen, der schon 1921 formulierte: „Wissenschaft ist der angesehenste und gangbarste Weg, nicht selber denken zu müssen. Die Barriere des Erweislichen gegen die Gefahr des Wirklichen.“
In diesem Sinne ein Hoch auf die neuesten chinesischen Forschungsergebnisse.
Eben alles eine Frage der Perspektive.