Ende der Welt - Die tägliche Glosse Kaiser in Wachs
Ob unser aller Ministerpräsident eine Wachsfigur bei Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett bekommt, wer weiß? Er hätte ja lieber seine 50.000 liebsten Essensgerichte in Wachs gegossen. Auch mit dem möglichen Werbeslogan „Markus Söder, ab jetzt wachsweich im Kabinett“ wird er noch nicht so richtig warm. Eine Glosse von Helmut Schleich.
Der Kaiser bekommt eine Wachsfigur bei "Madame Tussauds" in Berlin. Also nicht DER Kaiser, Franz Beckenbauer, der hat sie längst, nein Roland Kaiser. Der Schlagersänger.
Jetzt gehört ja Wachs nicht unbedingt zu den allerbeständigsten Materialien, die es so gibt auf der Welt. Alle, die schon einmal Christbaumkerzen auf dem Dachboden eingelagert haben, wissen, wie schnell aus hübschen Weihnachtslichtern ein sinnloser Baaz- Klumpen werden kann. Das wünscht Roland Kaiser natürlich niemand, aber in der Tat werden Promi-Kollegen bei "Madame Tussauds" immer wieder einmal eingeschmolzen um sie auf den aktuellen Stand zu bringen.
Helene Fischer zum Beispiel. Die aktuelle Helene stammt von 2017, die Vorgängerfigur von 2011, sodass anzunehmen ist, dass die nächste Schmelze unmittelbar bevorstehen dürfte.
In 30 Jahren weiß womöglich kaum noch jemand, wer Roland Kaiser war
Das ist halt der Nachteil, wenn man sich zu Lebzeiten zum Denkmal machen lässt. Ein David Bowie verändert sich nicht mehr. Oder auch Politiker. Helmut Kohl, Willy Brandt, Walter Ulbricht. Wenn die eingeschmolzen werden, dann aus anderen Gründen. Zum Beispiel, weil sie politisch nicht mehr tragbar sind. Wobei es dafür bei "Madame Tussauds" vorher noch eine eigene Abteilung gibt. Die der „Bösewichte“. Das ist nicht wie bei Straßennamen, wo der Wehrmachtsgeneral durch die afrikanische Freiheitskämpferin ersetzt wird und weg ist er. Vielleicht sollte man sich bei woken Stadtverwaltungen ein Vorbild an "Madame Tussauds" nehmen und Bösewicht- Viertel einrichten. Also jetzt nicht die ganz Bösen. Die sind eh längst weg. Aber zum Beispiel Richard Wagner, Ludwig Thoma, Messerschmitt. Herbert Quandt. Das gäbe doch ein schönes Geviert. Zumal Straßenumbenennungen immer Konfliktpotential bergen. Aber das nur am Rande.
Wenn Du bei "Madame Tussauds" raus fliegst, dann weißt Du, deine Bedeutsamkeit hat sich pulverisiert. Das könnte Roland Kaiser eines Tages schon passieren. In 30 Jahren weiß womöglich kaum noch jemand, wer Roland Kaiser war. Da hat der Straßenname wiederum einen Vorteil gegenüber der Wachsfigur. Bei 90% der Straßennamen weiß kein Mensch, wer dahinter steckt. Trotzdem sind sie da. Da muss ich mich nur bei mir in München Schwabing umschauen: Teng. Destouches. Schwind. Wer kennt die schon? Und eine Kaiserstraße gibt es in fast jeder Stadt. Halt ohne „Roland“ davor. Aber Rolandstraßen gibts auch. Roland- Ecke Kaiserstraße. Also wenn das kein Denkmal ist.
Bevor man sich da von so einem Entertainment-Konzern wie ""Madame Tussauds"" abhängig macht ist es doch letztlich sicherer, sich eine Nische zu suchen, aus der man nicht vertrieben werden kann. Wenn ich da noch mal von mir ausgehen darf. Einen Schleichweg gibt’s überall. Man muss ihn nur kennen.
Eben alles eine Frage der Perspektive.