Bayern 2

     

9

Ohne Zustimmung geht gar nichts 75 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess

Im Dritten Reich beteiligten sich viele Mediziner ohne Skrupel an Menschenversuchen, bis hin zum Tod. Wenige davon mussten sich beim Nürnberger Ärzteprozess verantworten. Ein Prozess, der bis heute große Bedeutung hat, wenn es um die Selbstbestimmung der Patienten geht.

Von: Stephan Kolb

Stand: 16.08.2022 | Archiv

Ohne Zustimmung geht gar nichts: 75 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess

Ohne eine "informierte Zustimmung" geht heute in der gesamten Medizin nichts. In Diagnostik oder Therapie sind nur solche medizinischen Maßnahmen erlaubt, die vom Willen des Patienten, d.h. einer "informierten Einwilligung", getragen sind. Behandlungen ohne eine wirksame Einwilligung können daher zu Ersatzansprüchen von Patienten gegen ihre Behandelnden führen.

Dieses Grundprinzip ist eine Errungenschaft in Folge der unheilvollsten Entwicklungen der Medizin, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus. Heute legitimiert das Prinzip der "informierten Zustimmung" die Medizin. Sein Anspruch stärkt die Autonomie und Selbstbestimmung von Patienten und schützt deren körperliche Integrität – letztere gilt als Grundrecht und ist im Grundgesetz bereits im zweiten Artikel beschrieben: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

75 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess

Der Hauptangeklagte Karl Brandt beim Nürnberger Ärzteprozess

Was heute als selbstverständlich gilt, galt nicht zu allen Zeiten. Im Gegenteil. Die Medizin, insbesondere forschende Ärztinnen und Ärzte haben schon vor, aber vor allem während der NS-Zeit Menschenrechte missachtet und abertausenden Menschen unermessliches Leid zugefügt – bis hin zu ihrem Tod. Davon handelt der Nürnberger Ärzteprozess, der vom Oktober 1946 bis August 1947 im Nürnberger Justizpalast stattfand und dessen Urteilsverkündung sowie die Verkündung des Nürnberger Kodex sich zum 75. Mal jährt. Er hat die strafrechtliche Verantwortung für die Medizinverbrechen in der NS-Zeit verhandelt, insbesondere die Menschenversuche und die sogenannte Euthanasie im Dritten Reich. Angesichts einer jahrelangen Praxis von Menschenversuchen, nicht nur in Konzentrationslagern, und der im ganzen Reich praktizierten Tötungen von körperlich und geistig behinderten Menschen mutet es merkwürdig an, dass die Zahl der Angeklagten verhältnismäßig klein war.

"Im Nürnberger Ärzteprozess waren es 23 Angeklagte, die meisten auch mit der KZ-Medizin assoziiert, dann drei Personen eher aus der Gesundheitsverwaltung, eine Frau war dabei, letztlich heißt das Verfahren ja 'United States versus Karl Brandt' wie die amerikanische Justiz das immer auch etwas personalisiert. Der Hauptangeklagte war der Leibarzt Hitlers, der eben auch als Reichskommissar für das Gesundheitswesen zuständig war und der etwa für die Euthanasie verantwortlich zeichnete. Man hat dann auch immer wieder die Zahl von etwa 350 Medizinverbrechern genannt, aber all das trifft es natürlich nicht, denn in der Breite hat die Ärzteschaft mitgewirkt, hat die Medizin auch eine enorm hohe Anzahl an Mitgliedschaften in den Organisationen von SA, SS und NSDAP gehabt. D.h., es war auch kein Zufall, dass der Nürnberger Ärzteprozess das erste Verfahren von zwölf Nachkriegsprozessen war, weil die Berufsgruppe der Ärzte sich so enorm beteiligt hatte an der ideologischen Umsetzung."

Andreas Frewer, Medizinethiker an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Grässliche Experimente und Versuche

Der Nürnberger Ärzteprozess

139 Tage dauerte der Prozess vor dem amerikanischen Militärgericht. Allein die Erhebung des Beweismaterials zu den Experimenten enthüllte viele Monate lang grässlichste Details, die für Zeugen, Prozessbeteiligte wie auch Prozessbeobachter schwer zu ertragen waren. Eine der Beobachterinnen war die damals 36-jährige Ärztin Dr. Alice Ricciardi-von Platen, die zu der sehr kleinen und durchaus umstrittenen offiziellen deutschen Ärztekommission im Auftrag der Westdeutschen Ärztekammern gehörte. 50 Jahre später, im Jahr 1996, erinnert sie sich.   

"Wir kamen also im Dezember 1946 im zerbombten, kalten Nürnberg an und wurden im Gasthaus 'Zum Schlachthof' untergebracht – ein düsterer Ort in einer düsteren Umgebung – und mit handfestem Abendbrot versorgt. Abends mussten wir die angefallenen Dokumente des Tages durcharbeiten und Auszüge für die erste Dokumenten-Publikation Mitscherlichs und Mielkes vorbereiten. Sie behandelte hauptsächlich die Menschenversuche. Da wir oft nur zu zweit waren, hatten wir genug zu tun: Am Morgen wohnten wir den Gerichtsverhandlungen bei, abends arbeiteten wir unter ungünstigen Bedingungen an den Berichten und Dokumenten. Anklage und Verteidigung besprachen meist völlig emotionslos die vorgelegten Dokumente. Auch die Aussagen der Angeklagten und Zeugen, die uns besonders aufrüttelten, nahmen die überaus fairen Richter ruhig entgegen. Wir dagegen waren meist von den grauenhaften Tatsachen so erschüttert, dass es uns noch Stunden später schwerfiel, objektiv über die Geschehnisse zu berichten."

Dr. Alice Ricciardi-von Platen im Jahr 1996

Experimente an Unfreiwilligen, die an Grausamkeit und Menschenverachtung kaum zu überbieten waren: Sogenannte Unterkühlungsversuche, mit denen an Versuchspersonen erprobt wurde, wie sich der menschliche Körper in Eiswasser verhält – bis hin zum Tod. Sogenannte Höhenversuche, mit denen an Versuchspersonen erprobt wurde, wie sich der menschliche Körper in großer Höhe ohne Druckausgleich verhält – bis hin zum Tod. Es gab viele weitere Versuchsreihen – auch die, von denen der Medizinethiker Andreas Frewer berichtet.

"Nehmen wir nur die in Nürnberg vielleicht am emotionalsten verhandelten Humanexperimente, nämlich am Frauen-KZ Ravensbrück, als jungen polnischen Widerstandskämpferinnen die Beine fast meterlang aufgeschnitten worden sind und da quasi Bombenverletzungen simuliert werden sollten. Es wurden Keime, Dreck, Glassplitter, Holzwolle eingebracht, manche Beine wurden zugenäht, manche Beine wurden offengelassen, manche sollten ein neues Präparat Sulfonamid bekommen. Defacto haben diese jungen Frauen über Monate ein Martyrium erleiden müssen, was beispiellos war, auch ohne Schmerzmittel im Bewusstlosigkeits- oder Trancezustand quasi über Monate im Krankenbett gelegen und zwei Drittel bis drei Viertel dieser Frauen ist gestorben."

Andreas Frewer, Medizinethiker an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Der "Nürnberger Kodex" entsteht

Der Nürnberger Ärzteprozess offenbarte nicht nur die grausamen Verbrechen einer üblicherweise hoch geschätzten Berufsgruppe. Er offenbarte auch das Denkmodell und Selbstverständnis einer reduktionistisch ausgerichteten Medizin. Am 20. August 1947 endete der Nürnberger Ärzteprozess – es gab Todesurteile, lange Haftstrafen und wenige Freisprüche. Zusätzlich zum Urteil regten die amerikanischen Richter zehn Prinzipien an zum Umgang mit dem Menschenexperiment. Denn auch damals war klar, dass die Medizin auf den Versuch am Menschen im Sinne des Fortschritts und der Weiterentwicklung schwerlich verzichten könne, das Humanexperiment aber streng geregelt sein müsse. Diese als Nürnberger Kodex bezeichneten Prinzipien sind in ihrer Bedeutung bis heute unumstritten und wirken fort.

Medizin und Gewissen: Der lange Weg der Aufarbeitung

Weit weniger Wirkung entfaltete dagegen der Ärzteprozess selbst und die mit ihm eröffnete Chance zur Selbstreflektion, substanziellen Aufarbeitung und moralischen Erneuerung. Eine Rezeption in medizinischen Fachzeitschriften fand kaum statt, die mühsam erarbeitete Prozess-Dokumentation verschwand trotz tausendfacher Auflage auf unerklärliche Weise, frühere Täter und Mitläufer nahmen alsbald wieder führende Positionen im Medizinbetrieb ein. Kurzum: Es sollte mehr als drei Jahrzehnte dauern, bis in den 1980er Jahren die Aufarbeitung durch Journalisten und Historiker langsam begann. Der angesehene Münsteraner Medizinhistoriker Richard Toellner fragte 1996 in seinem Vortrag auf dem ersten großen Kongress zum Ärzteprozess, "Medizin und Gewissen – 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess", "ob die deutsche Medizin, ob die deutsche Ärzteschaft den Nürnberger Ärzteprozess als Chance begriff, sich selbst im Spiegel der Angeklagten, im Spiegel deren Verhaltens und derer Taten im Dritten Reich selbst zu prüfen, ja selbst zu erkennen." Die Antwort, die der Medizinhistoriker sich selbst gab, fiel ernüchternd aus.

"Das freilich hätte bedeutet, die eigene Mittäterschaft, die Duldung und Zulassung des Unrechts und der Verbrechen eingestehen und bekennen zu müssen. Von einer solchen Wirkung, geschweige denn von einer kathartischen Wirkung des Ärzteprozesses kann jedoch keine Rede sein. Der Spiegel, in dem sich selbst und seine Schuld hätte erkennen können, blieb blind. Alle Einsicht blieb aus."

Medizinhistoriker Richard Toellner im Jahr 1996

Eine ernüchternde Beobachtung damals. Und eine, die fort galt, und in gewisser Weise bis in unsere Zeit fort gilt. Aus diesem Grund nutzten vor genau zehn Jahren, im Sommer 2012, über 40 anerkannte Expertinnen und Experten aus Medizin, Wissenschaft, Medizingeschichte und Medizinethik die Tatsache, dass der Deutsche Ärztetag, das jährliche Standestreffen der Ärzteschaft, nach einer auffallend langen Abstinenz erstmals wieder in Nürnberg stattfand. Sie appellierten an die Bundesärztekammer und die Delegierten des Ärztetages, sich erstmals offiziell zu den Verbrechen der Medizin im Nationalsozialismus zu bekennen.

Streit um Gedenkstätte in Erlangen

Während die wissenschaftliche Aufarbeitung der Medizin im Nationalsozialismus in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, tun sich manche medizinischen Organisationen, Universitäten oder Fachgesellschaften noch heute schwer damit, wegweisende, mutige und selbstkritische Zeichen zu setzen. In diesem Sinne erscheint der gegenwärtige Umgang mit der psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalt in Erlangen, der sogenannten HuPflA, die bis auf einen kleinen Teil bis Anfang 2023 abgerissen werden soll, als eine verpasste Chance.

Auf dem Areal am Flüsschen Schwabach waren während der NS-Zeit 908 Patienten untergebracht, die im Laufe der Jahre in Tötungsanstalten abtransportiert wurden. Weitere rund 1.500 Patienten starben an den direkten oder indirekten Folgen mangelhafter Ernährung, der sogenannten Hungerkost. Heute soll an dieser Stelle ein Forschungszentrum der Max-Planck-Gesellschaft entstehen, über Ort, Umfang und Form einer Gedenkstätte läuft seit Jahren eine intensive und bisweilen scharfe Kontroverse.

Mitten in der selbsternannten "Bundeshauptstadt Medizin", dem Medical Valley, und inmitten ihrer anerkannten medizinischen Fakultät könnte ein bundesweit einmaliges Beispiel gelungener Erinnerungskultur entstehen – vorausgesetzt, dem Vorhaben läge der notwendige Mut und ein starkes Bekenntnis zugrunde. Während die letzten noch lebenden Opfer der NS-Medizin zwangsläufig in den nächsten Jahren sterben dürften, könnten die steinernen Zeugen der Tatorte noch für Jahrzehnte sprechen – vorausgesetzt sie dürfen stehen bleiben.

Ärzte, die nicht wegschauen wollen

Es sind vielfach eher unabhängige Initiativen oder Organisationen, die sich für eine glaubwürdige und gelegentlich auch unbequeme Erinnerungsarbeit engagieren. Nicht nur der Appell an den Deutschen Ärztetag 2012, sondern auch der Kongress "Medizin und Gewissen" im Oktober 1996 wurde von einer kleinen Nürnberger Ärzteinitiative organisiert. Sie gehört zur internationalen Organisation "Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung", die bereits zweimal mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Die langjährige Vorsitzende der Regionalgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen, die Internistin und Psychotherapeutin Elisabeth Wentzlaff, erinnert an den ursprünglichen Antrieb dieser Gruppe.

"Ärzte, Ärztinnen – der Beruf hat ja ein sehr gutes Image, wir helfen, wir kämpfen um das Leben der Patienten und wir wähnen uns oft auf der guten Seite. Und die dunkle Seite, da gucken wir nicht so gerne hin. Und wenn man nicht hinguckt, dann denkt man: das ist nicht da. Aber diese Gruppe von Ärztinnen und Ärzten, die wollten eben nicht weggucken. Und sie haben deswegen ein mutiges Projekt gestartet. Nämlich einen großen Kongress genau zu diesem Thema, die Verbrechen der Ärzteschaft, der Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus. Das war mutig, weil damals und auch heute zum Teil noch gelten Ärztinnen und Ärzte, die so etwas machen, als Nestbeschmutzer."

Elisabeth Wentzlaff, Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung

Der Nürnberger Kodex: klar und kompromisslos, unbequem und sperrig

Die Kongresse unter dem Motto "Medizin und Gewissen", die seit 1996 etwa alle fünf Jahre stattfinden, treffen stets auf großes Interesse, nicht nur bei Ärztinnen und Ärzten sowie Medizinstudierenden, sondern auch bei Pflegenden und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe. Im Oktober findet der Kongress nun zum sechsten Mal statt. Gerade den Nürnberger Kodex hat die Kongressreihe in vielfältiger Hinsicht genutzt, um den Bogen von der Aufarbeitung der Vergangenheit in die medizinethischen Diskussionen der Gegenwart zu spannen. Der Kodex mit seinem strengen Schutz der Versuchspersonen fordert die Verantwortung von Ärztinnen und Ärzten bis heute heraus – gerade dann, wenn man ihn auf die alltägliche Arzt-Patientenbeziehung anwendet. Seine Prinzipien sind klar und kompromisslos und damit auch unbequem und sperrig.

Für die Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen, Claudia Wiesemann, die als Medizinethikerin auch viele Jahre in Erlangen gelehrt hat, drückt sich im Kodex ein sehr grundlegender und berechtigter Regelungswunsch gegenüber der Medizin aus.

"Ärztinnen und Ärzte haben eine Menge Macht über unser Leben. Wenn wir krank sind, vertrauen wir ihnen unser Leben an, und dann wollen wir auch sichergehen, dass mit diesem großen Gewicht verantwortungsvoll umgegangen wird, und insbesondere wollen wir sichergehen, dass unsere grundgesetzlich verbrieften Rechte berücksichtigt und beachtet werden und dieser Gedanke hat im 20. Jahrhundert mehr und mehr an Bedeutung gewonnen und was noch hinzukommt, es wurden auch die entsprechenden Kontrollinstanzen begründet. Also eine schriftliche Erklärung wie der Kodex reicht da ja nicht aus, es muss auch jemanden geben, eine Kontrollinstanz, die den entsprechenden Leuten auf die Finder schaut. Und diese Kontrollinstanzen haben am Ende für eine effektive Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts gesorgt."

Claudia Wiesemann, Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen

Solche Kontrollinstanzen sind etwa die Ethikkommissionen für Forschung am Menschen, die in Deutschland ab Ende der 1970er Jahre gegründet wurden und die bereits in der Planung eines Experiments involviert werden müssen. Auch das Arzneimittelrecht schreibt heute vor, dass Arzneimittelforschung am Menschen zunächst von einer solchen Kommission begutachtet werden muss. Letztlich haben aber auch einzelne Gerichtsurteile eine Veränderung in der Praxis bewirkt, bei denen Ärztinnen und Ärzte verurteilt wurden, weil sie ihre Patienten vor einem Eingriff nicht ausreichend aufgeklärt hatten.

Neben den Regeln für die Forschung gibt das Prinzip des informed consent, der aufgeklärten Zustimmung, eben auch die Regeln für den alltäglichen Umgang von Ärztinnen und Ärzten mit ihren Patienten vor, was, so die Medizinethikerin Claudia Wiesemann, eine große Herausforderung und einen gerechtfertigt hohen Anspruch darstellt.

"Nach wie vor ist die Arzt-Patient-Beziehung eine Beziehung der Abhängigkeit. Ich bin da meistens in einem Krankenhaus, in einem beeindruckenden System, das wie so eine Maschine mit lauter Zahnrädchen funktioniert, die wie Rädchen ineinandergreifen, wo der Patient fast schon so was wie ein Störelement ist. Und in einer solchen Situation, wo man dann auch noch von Expertinnen und Experten umgeben ist, die in einer Fachsprache sprechen. In einer solchen Situation das Recht auf Selbstbestimmung zu realisieren, durchzusetzen, vielleicht sogar gegen die Routinen durchzusetzen, das ist überhaupt nicht einfach. Das setzt voraus, dass man ein Gegenüber hat, eine Ärztin oder einen Arzt, die das ernst nimmt, die sich Zeit nimmt, die eine gute Information liefert, eine verständliche Information liefert."

Claudia Wiesemann, Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen

Schwierige Selbstbestimmung

Nicht wenige Patientengruppen haben auch aufgrund ihrer Erkrankung Probleme, ihre Selbstbestimmung umzusetzen. Ein besonders drastisches Beispiel sind Menschen, die sich durch einen Unfall oder eine Erkrankung im Koma befinden; oder ältere Menschen, die Phasen von Altersverwirrtheit haben oder unter einer Demenz leiden und auf die Unterstützung von Angehörigen angewiesen sind. Auch Kindern und Jugendlichen gegenüber wird das Recht auf Selbstbestimmung immer ernst genommen und gerade sie müssen in besonderer Weise an eine Entscheidung und eine entsprechende Fragestellung herangeführt werden.

Lichtblick und Hoffnung

Im Umgang der Medizin mit den Ängsten und Zweifeln der Patientinnen und Patienten, aber vor allem mit dem Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit zeigt sich heute – 75 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess, wie sehr das Gerichtsverfahren und sein Kodex nachwirken und ernst genommen werden. Ein Lichtblick und eine Hoffnung sind dabei nicht zuletzt auch die künftigen Generationen von Ärztinnen und Ärzten, die sich der Vergangenheit ihres Berufsstandes unbelastet stellen können und auch wollen.


9