Ooooh Tannenbaum Dein Baum, das unbekannte Wesen
Der Tannenbaum steht noch immer in vielen Haushalten als Symbol des Weihnachtsfests schlechthin. Doch woher kommt er eigentlich? Und wie ist es ihm ergangen? Wir haben nachgefragt und lassen Baum-Freunde frei von der Borke weg plaudern.
"Oft ist es im Wald ja sehr, sehr leise", sagt Fritz Heimsöth, passionierter Jäger und Waldbesitzer. "Vor allem im Winter." Das Knarzen der Bäume, "das Gefühl, Teil von etwas schönem Ganzen zu sein. Weg von diesem Getriebe und Geschiebe." Ein Moment des Eingebettet sein, so beschreibt es Heimsöth. Genau so soll es sich anfühlen, wenn wir grün sehen: Wir spüren tiefe Entspannung, schnuppern an der würzigen Waldluft, umarmen bei Bedarf ein Bäumchen und träumen von dem besseren Leben.
"Der Ruf nach der Natur hat für mich immer etwas mit einer romantischen Vorstellung vom Dasein zu tun", sagt Heimsöth. Fernab von den ökonomischen Zwängen mal zu sehen, wie es wäre, wenn Menschen nicht dabei wären. Weit gefehlt: "Der Wald ist nach wie vor ein von reinen Wirtschaftsinteressen gesteuertes Ensemble."
Zu dem gehört natürlich die weichnadelige Nordmanntanne, der hierzulande beliebteste Weihnachtsbaum. Sie stammt aus dem Kaukasus, wo sie 1835 vom finnischen Botaniker Alexander von Nordmann entdeckt worden war. Heute werden dort die Samen geerntet und in die europäischen Baumschulen gebracht.
Von der Schule in den Schlag
Die meisten Bäume, die in Deutschland angeboten werden, wuchsen in Dänemark, weil sich die Nordmanntanne dort wie zu Hause fühlt. Die Samen gedeihen zwei bis drei Jahre in der Baumschule, dann kommen sie für zwölf Jahre in den sogenannten Schlag. Schön in Reih und Glied, bereit für die mechanische Ernte.
Ein Schlag, das ist eine riesige Fläche, wo 1.000 Christbäume draufstehen, erklärt Andreas Bussmann, ein Experte für das Baumgeschäft. Seit 30 Jahren verkauft er alle Arten von Weihnachtsbäume: die marktbeherrschende Nordmanntanne ebenso wie Rotfichten, Blaufichten und Sitkafichten, aber auch Schwarzkiefern, Korktannen oder Nobilistannen.
Im Schlag stehen alle schön in Reihe, so Bussmann weiter, weil sie mechanisch gepflegt und geerntet werden. "Es ist ja nicht so, dass man den Christbaum einpflanzt und dann 12 Jahre wartet und dann erntet man ihn als fertigen Christbaum, sondern man muss schauen, dass die Spitzen grad bleiben, dass unten das Gras nicht in die Bäume reinwächst, weil sonst kein Licht an die unteren Zweige hinkommt und dort die Nadeln abfallen."
Anspitzen, Nachpflegen, Freischütteln
Oder es gibt Schädlinge. Oder es regnet zu viel im Sommer und die Spitzen schießen in die Höhe und machen die Wunschfigur zunichte. Es steckt ziemlich viel Arbeit in so einem Baum und man kann sich nur wundern, warum er am Ende dann so billig auf dem Verkaufsplatz steht. Denn dort geht die Arbeit weiter, sagt Bussmann.
"Man ist immer draußen. Bei Wind und Wetter. Rumstehen gibt es nicht." Bäume anspitzen, Ware nachpflegen, also schauen, ob Äste rausstehen, zuschneiden, den Platz eisfrei halten, die Elektrik checken, Bäume umstellen, vom Schnee freischütteln … "Dann braucht man brutal Nerven, weil es Tage gibt wo man vielleicht nur einen Christbaum verkauft." Denn die Konkurrenz wächst, so Bussmann: "Baumärkte haben alle Christbäume. Und fangen schon Ende Oktober an, das zu verkaufen."
Dass die Schnäppchenjägermentalität auch im Bäumchenbusiness Einzug gehalten hat beim Konsumspektakel Weihnachtsgeschäft. Natürlich zum Leidwesen derer, die mit Liebe und viel Handarbeit für die Traditionspflege sorgen. Doch trotz aller Liebe, auch der Christbaumverkauf ist in erster Linie ein Geschäft.
Vom Mann, der acht Stunden nach einem Baum suchte
Wie gut es sich anfühlt, nach der Suche zwischen kalten, spitzen Nadeln endlich das rechtgewachsene Objekt der vorweihnachtlichen Begierde gefunden zu haben, kann wohl jeder Baumkäufer nachfühlen. Denn manchmal kann das durchaus dauern. Andreas Bussmann erinnert sich an einen Herrn, der an einem Sonntag acht Stunden lang nach einem Baum suchte.
"Er wollte keine Beratung haben und dann haben wir ihn durchschauen lassen." Auf dem Platz standen vielleicht 70 oder 100 Bäume. Mehrfache Ansprachen durch Angestellte blieben freundlich, aber fruchtlos. Und nachmittags um fünf war er immer noch da. "Um halb sechs hat er sich dann einen Baum ausgesucht hat ihn gekauft und ist gegangen. Und wir haben gedacht: Naja, das war jetzt auch mehr als ein Christbaumeinkauf. Das war irgendwas, was wir nicht verstanden haben."
Doch normalerweise geht es schon um das Eine: das Verkaufen. Und das ist bei manchem Exemplar gar nicht so einfach. Mancher Dauersteher bleibt vom ersten Advent bis kurz vor Weihnachten, sagt Bussmann. "Und die kannte man auch schon, weil man die öfters in der Hand hatte und dann hat man sie mal dahin oder dort hingestellt, vorne, rechts, links und umgedreht."
Aber wenn ein Baum von keiner Seite schön anzusehen ist, hilft auch das nichts. Solch garstige Bäume bekommen dann manchmal Spitznamen wie Kraxen oder Hallelujastauden oder Fernsehantennen. "Aber es gab auch Leute, die bewusst einen greislichen Baum wollen", erzählt Baumhändler Bussmann.
Zahlen, Daten & Fakten zum Weihnachtsbaum
Der erste Baum
Erst die Reichen...
Lange Zeit war der Brauch den Reichen vorbehalten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehört er in vielen Familien zum Fest und hat sich von Deutschland aus in die ganze Welt verbreitet. Neuerdings werden Weihnachtsbäume sogar immer häufiger in den Arabischen Emiraten aufgestellt.
Professioneller Anbau
Professionellen Weihnachtsbaumanbau gibt es in Deutschland seit rund 50 Jahren. Davor kamen die Bäume ganz einfach aus dem (Bauern-)Wald.
Die Mode
Früher wurden meisten einfache, heimische Fichten als Christbaum verwendet. Doch mit den neuen Plantagen wurden die Kunden anspruchsvoller. Und es entstanden Moden. Durchgesetzt hat sich vor allem eine Sorte: Etwa 90% der Christbäume sind heute Nordmanntannen, eine Baumart, die nach dem finnischen Biologen Alexander Nordmann benannt wurde.
Rekordverkäufe
Letztes Jahr wurden in Deutschland 29 Millionen Christbäume verkauft – in Bayern waren es rund 4 Millionen. Ein neuer Rekord, den man auch darauf zurückführt, dass die Leute neuerdings oft mehr als einen Baum haben.
Der Kunstbaum
Zuckerstangen, Gelantine und Stanniol
Egal, wie der Baum aussieht: Wenn dann zuhause steht, wird er geschmückt. Vieles von dem, was heute als Tradition gilt, kam im 19. Jahrhundert in Mode. Zu dieser Zeit hat sich in Sachen Christbaumdeko viel getan, weiß Felizitas Höptner, die Direktorin des Weihnachtsmuseums zu Rothenburg o.d.T.
Die Glaskugel zum Beispiel. Glas rund zu blasen ist seit dem Mittelalter bekannt, der erste schriftliche Beweis einer Christbaumkugel aus Glas stammt aus dem Jahr 1831 aus Lauscha in Thüringen. "Die ersten Christbaumkugeln sind noch richtig stark und dick in der Wandung geblasen." Und die Färbung besteht aus Gelantine.
Im 19. Jahrhundert ist Weihnachten ganz bei sich und dem bürgerlichen Repräsentationsbedürfnis angekommen. Die weihnachtlichen Wurzeln liegen allerdings in alte heidnischen Winterbräuchen. Die lebendigen Kräfte der Natur und ihre fruchtbare aber auch furchtbare Macht sollte mit Ritualen gefeiert und gleichzeitig gebändigt werden.
Daher kommt es, dass Bäume immer schon eine wichtige Rolle bei der Markierung bedeutsamer Orte spielten. Maibäume, Dorflinden oder Hausbäume haben dieselben uralten Wurzeln wie eben die Weihnachtsbäume, die im 16. Jahrhundert im deutschen Sprachraum auftauchten und seither nicht mehr wegzudenken sind.
"Am Anfang hat man den Baum sehr natürlich dekoriert", weiß Weihnachtsmuseums-Direktorin Höptner. "Mit Äpfelchen, mit ungeweihten Oblaten, mit Nüssen, mit Zuckerstangen oder mit Plätzchen, Lebkuchen." Oder auch Papierblumen. "Der immergrüne Baum als Zeichen des ewigen Lebens, was man ja im weiteren Sinne mit Weihnachten feiert, das wird an diesem Baum dargestellt."
Oma bügelt die Lametta
Und nach dem Fest? Wird abgeschmückt und der Schmuck sorgsam verstaut. Es sei denn, es geht um ein ganz besonders haariges Objekt, das heutzutage eher grob behandelt wird. "Das Lametta ist bei vielen Besuchern ein Thema, weil damit auch viele Kindheitserinnerungen verbunden sind", wie Bettina Oswald vom Weihnachtsmuseum zu erzählen weiß. Früher wurde das schwere, sogenannte echte Lametta aus Stanniol statt gefärbtem Kunststoff weit vorsichtiger gehändelt, auch bei der Oma von Frau Oswald.
"Das wurde Fähnchen für Fähnchen an den Baum gehängt, ganz akkurat, und nach Weihnachten wurde es wieder Fähnchen für Fähnchen abdekoriert. Und der Opa stand hinterm Bügelbrett und hat jedes Fähnchen mit dem Bügeleisen glatt gebügelt, in die Kiste hinein gelegt, dann Seidenpapier darüber und so ist es aufbewahrt worden für das nächste Weihnachtsfest."
Der benutzte Baum dagegen erlebt in der Regel kein weiteres Fest. Wenig besser ergeht es nicht verkauften Bäumen, weiß Händler Bussmann. Die gehen in seinem Fall zurück zum Großhändler, erklärt er. "Der hatte teilweise richtige Halden in der Großmarkthalle liegen. Und es gab Jahre, da stand dann ein Mann in der Großmarkthalle und hat tagelang Bäume verhäckselt. Das war relativ bitter."
Obendrein wollte früher niemand diese Baumschnitzel haben. Heute werden sie immerhin als Biomasse verwertet. und wird gut verwertet in Heizkraftanlagen. Irgendwie auch ein Happy End.