Behandlung Training oder Tabletten?
Lagerungsschwindel - diese häufige Schwindelart ist harmlos. Um die losen Kristalle aus dem betroffenen Bogengang hinaus und an ihren richtigen Platz zu befördern, führt man ein sogenanntes Befreiungsmanöver durch - die ersten Befreiungsmanöver unter ärztlicher Anleitung, rät Prof. Strupp. Danach kann jeder Patient selbst mit diesen einfachen Übungen weitermachen. Nach wenigen Tagen ist der Schwindel dann meist schon überstanden, kann aber wiederkommen.
Medikamente sind nicht immer sinnvoll
Bei den meisten Medikamenten, die heute immer noch zur Behandlung von Schwindel eingesetzt werden, ist deren Wirksamkeit zur Behandlung von Schwindel überhaupt nicht sicher nachgewiesen - möglicherweise haben einige einfach einen Placebo-Effekt. In der Schwindelambulanz setzt Prof. Strupp daher Medikamente vor allem bei zwei Schwindelformen ein: bei Schwindelmigräne und der Menièreschen Erkrankung.
Die Therapie der Schwindel-Migräne entspricht der einer normalen Migräne: Bei mehr als zwei Attacken pro Monat und bei schweren Attacken gibt er einen Beta-Blocker.
Medikamente gegen die Menièresche Erkrankung
Diese Schwindelform wird ebenfalls medikamentös behandelt: mit dem sogenannten Betahistin. Es verbessert die Durchblutung im Innenohr, reduziert so wahrscheinlich die Produktion der Flüssigkeit im Innenohr und verbessert deren Aufnahme. Dadurch lassen sich weitere Attacken vermeiden. Wichtig ist, das Medikament in ausreichender Menge, regelmäßig und langdauernd, d.h. oft viele Monate, einzunehmen, denn es hilft nicht während einer Attacke, sondern beugt einer Attacke vor. Außerdem muss man es ausreichend hoch dosieren - Prof. Strupp empfiehlt nach seiner eigenen Erfahrung mindestens dreimal 96 Milligramm pro Tag für mindestens zwölf Monate. Dank dieses Medikaments sind nur noch selten Injektionen ins Mittelohr mit bestimmten Antibiotika notwendig.
Training zur Prima Ballerina - ein Fallbeispiel:
"Eine junge Patientin stellte sich wegen bewegungsabhängigem Schwankschwindel und Gangunsicherheit in unserer Ambulanz nach einer Odyssee von Arztbesuchen vor. Letztlich stellte sich heraus, dass beide Gleichgewichtsorgane ausgefallen waren. Sie konnte beim Gehen nur unscharf sehen, hatte große Probleme, sich im Dunkeln zu bewegen und berichtete, dass sie bei Kopf- und Körperdrehungen vermehrt schwanke. Dazu muss man wissen: Es gibt eine enge Verbindung zwischen dem Gleichgewichtssinn und dem Augenbewegungssystem. Diese ist notwendig, damit wir auch beim Gehen und bei Kopfbewegungen Gegenstände fixieren und scharf sehen können. Der erste Teil der Behandlung bestand deshalb aus Informationen, wie unser Gleichgewichtsorgan funktioniert und woher die Beschwerden kommen: Dies muss der Patient wissen, das entlastet. Der zweite Teil ist lebensbegleitendes tägliches Gleichgewichtstraining mit Gangschulung, sodass die Patientin für ihre Balance zusätzlich Informationen aus Gelenken und Muskeln nutzen lernte, um im Alltag besser zurechtzukommen. Schwindelpatienten müssen sich zur Prima Ballerina oder zum Seiltänzer trainieren, um ihre Defizite auszugleichen."
Prof. Strupp
Eigeninitiative
Manche Schwindelformen müssen die Patienten selbst behandeln, so Prof. Strupp: Beim gutartigen Lagerungsschwindel führen sie Befreiungsmanöver durch, beim funktionellen Schwindel sollten sie sich selbst den Schwindel auslösenden Situationen aussetzen. Ist das Gleichgewichtsorgan betroffen, sind Balanceübungen sinnvoll: Zum Beispiel auf einem Bein stehen, barfuß eine Linie entlang gehen, bestimmte Drehungen mit dem Kopf schaffen.
"Es gehört also sehr viel Eigeninitiative zur Diagnose und Behandlung dazu!"
Prof. Strupp