Bayern 2 - Gesundheitsgespräch


40

Internetsucht Wann ist man onlinesüchtig?

Wenn jemand völlig die Kontrolle über seine Internetnutzung verliert, ständig an das denkt, was er im Internet als Nächstes machen möchte, auch wenn er gerade nicht online sein kann, wenn die Zeit, die jemand vor dem Rechner verbringt, immer länger wird (mindestens sieben Stunden und zum Teil noch deutlich mehr), dann ist er womöglich onlinesüchtig.

Von: Holger Kiesel

Stand: 30.03.2017

Jugendlicher sitzt vor Computerspiel, daneben eine Tüte Chips | Bild: picture-alliance/dpa

Natürlich fehlt bei der Onlinesucht der konkrete Stoff, der an den Rezeptoren im Gehirn direkt Schaden anrichtet. Dennoch ist das Endresultat dasselbe wie bei stofflichen Suchtformen (Alkoholismus, Drogensucht): Das Belohnungssystem wird durch digitale Reize von bestimmten Botenstoffen (Dopamin, Endorphine) angesprochen und verlangt nach Wiederholung.

Wonach ist man online süchtig?

Insgesamt dürften etwa 800.000 bis eine Million Menschen in Deutschland internetsüchtig sein. Das sind mittlerweile mehr Abhängige als z.B. beim Glücksspiel. Betroffene können dabei letztendlich von verschiedensten Inhalten im Netz abhängig sein, z.B. von Onlinespielen, dem Aufenthalt in sozialen Netzwerken oder auch allem, was im Internet mit Sex zu tun hat (Cybersexsucht).

Spezialfall Cybersexsucht

Unter Cybersexsucht versteht man die Sucht nach sexuellen Inhalten im Netz. Dazu gehört jedoch nicht nur Pornografie, sondern auch Sexchats, sexuelle Handlungen vor der Webcam (häufig auch gegen Geld) oder Sexdating. Gerade für Jugendliche wird dabei der allzu leichte Zugang zu sexuellen Inhalten im Internet oft zum Problem, da sie neben der Suchtgefahr auch ein stark verzerrtes Bild von Sexualität vermittelt bekommen.

Wer ist von Onlinesucht betroffen

Am ehesten für Onlinesucht empfänglich ist die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dabei sind bei der Abhängigkeit von sozialen Netzwerken (die klinisch eher selten vorkommt) vor allem Frauen und Mädchen betroffen. Dagegen trifft die Sucht nach Onlinespielen eher Jungen und junge Männer. Allerdings finden sich beide Suchtformen auch bei erstaunlich vielen Frauen und Männern mittleren Alters.

"Interessanterweise tauchen in den Ambulanzen deutlich mehr onlinesüchtige Männer auf. In den klinischen Studien steigt aber dann der Anteil der Frauen. Der Leidensdruck bei den Frauen scheint insgesamt nicht so groß zu sein. Vielleicht, weil man der Sucht nach sozialen Netzwerken beiläufiger nachgehen kann als der nach Onlinespielen."

Prof. Dr. med Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen.

Der 'typische' Onlinesüchtige

'Typische' Onlinesüchtige sind oft junge Männer, die auf dem Weg ins Erwachsenenalter ins Schleudern geraten, weil sie in Schule, Ausbildung oder Beruf nicht zurechtkommen, sich im realen Leben nicht aufgehoben fühlen oder Ausgrenzungserfahrungen machen, etwa in Beziehungen, Freundschaften, beim Sport oder in der Schule.

Im Netz zum Helden werden

Für viele Internetsüchtige ist die reale Welt häufig eher beängstigend und kränkend. In der virtuellen Welt können sie dann den Helden spielen und ihr Selbstwertgefühl steigern. Auch Kommunikation ist für diese Menschen im Netz leichter. Irgendwann wird das Ganze dann zum Teufelskreis und das Internet zum einzigen Ort für positive Erfahrungen.


40