Bayern 2 - Hörspiel

100 aus 100: Die Dezember-Staffel Von "Garou-Garou" zu "Metropolis"

Die Dezember-Staffel unserer Hörspiel-Collection bietet einen ganzen Schatz an Poesie und Gesellschaftskritik. In "Garou-Garou" von 1954 verliert ein Finanzbeamter den Verstand. Und in "Metropolis" erheben sich Menschen und Maschinen.

Stand: 28.11.2023 | Archiv

100 aus 100 Hörspiel Collection. Dezember Staffel | Bild: ARD / BR

1930: Der Narr mit der Hacke

Der Mönch Doin hat einen Menschen getötet. Um zu büßen, schlägt er mit seiner Hacke einen Gang durch einen Berg, um den Bewohnern eines abgelegenen Dorfes zu helfen, die ihren Weg über einen gefährlichen Felsenpass nehmen müssen. Als er 40 Jahre später mit seiner Arbeit fast fertig ist, kommt der Samurai Akisuka, um Doin für seine Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Aber er erkennt, dass durch eine Tat der Güte und Nächstenliebe auch das schwerste Verbrechen gesühnt werden kann. „Der Narr mit der Hacke“ aus dem Jahr 1930 gilt als das erste poetische Werk der Hörspielgeschichte. | Von Eduard Reinacher | Mit Hermann Probst, Kurt Ehrhardt u.a. | Komposition: Hans Ebert | Regie: Ernst Hardt | Reich-Rundfunk-Gesellschaft 1930

Der Narr mit der Hacke: Hier in der ARD-Audiothek hören!

1953: Knöpfe

In einer Zeit allgemeiner Arbeitslosigkeit hat Ann Beschäftigung in einer Knopffabrik gefunden. Hier sortiert sie den ganzen Tag ungewöhnlich schöne leuchtende Knöpfe. Doch allmählich wächst in ihr ein diffuses Unbehagen, etwa darüber, dass alle Knopfmodelle Mädchennamen tragen, oder dass hinter der Wand seltsame Geräusche zu hören sind. Auch von den beiden Vertretern Bill und Jack geht etwas Unheimliches aus. Dann verschwindet Anns Kollegin Jean, und wenige Tage später ist der neue Knopf da: Er heißt Jean. Ilse Aichingers Hörspieldebüt „Knöpfe“ löste, ähnlich wie Günter Eichs „Träume“, eine heftige Kontroverse beim Publikum aus. | Von Ilse Aichinger | Mit Liselotte Köster, Karin Schlemmer, Ingeborg Engelmann | Komposition: Rolf Unkel | Regie: Otto Kurth | SDR/NWDR 1953

Knöpfe: Hier in der ARD-Audiothek hören!  

1954: Garou-Garou

Der Mann, der eines Tages erschüttert entdeckt, dass er durch die Wand gehen kann, ist ein braver Finanzbeamter. Zunächst sucht er Heilung beim Arzt, doch bald schon reizt es ihn, Grenzen zu überschreiten. Ganz Paris wird von seinen Taten als Gentleman-Einbrecher belustigt oder erschreckt. Doch als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere von einem Besuch bei seiner Freundin zurückkehren will, bleibt Garou-Garou in der Hausmauer stecken. Die Liebe hat ihm seine Begabung genommen. Marcel Aymés Novelle „Le passe muraille“ aus dem Jahr 1943 wurde mehrfach verfilmt, u.a. 1959 mit Heinz Rühmann unter dem Titel „Ein Mann geht durch die Wand“. | Von Marcel Aymé | Mit Peter Lühr, Erich Ponto, Ernst Schlott u.a. | Bearbeitung: Hellmut von Cube | Komposition: Mark Lothar | Regie: Walter Ohm | BR 1954

Garou-Garou: Hier in der ARD-Audiothek hören!

1968: Die Maschine

In diesem Hörspiel ist der Versuch unternommen worden, die Arbeitsweise eines Computers zu simulieren. Ihm wird die Aufgabe gestellt, „Wanderers Nachtlied“ (Über allen Gipfeln ist Ruh) von Goethe systematisch zu analysieren und aufzugliedern. Dem aufmerksamen Hörer kann somit deutlich werden, dass dieses Spiel über die Sprache nicht nur die Arbeitsweise einer Maschine beschreibt, sondern auch, wenngleich verborgener und subtiler, den inneren Mechanismus der Poesie aufzeigt. Das Ergebnis ist verblüffend: ein Riesenjux, ein Sprachspiel, das sich selbst, Goethe und den Zuhörer auf den Arm nimmt. | Von Georges Perec | Aus dem Französischen von Eugen Helmlé | Mit Olaf Quaiser, Heiner Schmidt u.a. | Regie: Wolfgang Schenck | SR/WDR 1968

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1976: Die Grünstein-Variante

Eine merkwürdige gemeinsame Haft 1939 in Paris. Drei „unerwünschte Ausländer“ sitzen in einer Zelle: Lodek, ein antifaschistischer deutscher Seemann, Grünstein, ein polnischer jüdischer Fleischer und schließlich ein kaisertreuer griechischer Koch ohne Namen. Lodek ist begeisterter Schachspieler. Er bringt dem Juden, der sich anfangs sträubt, das Spiel bei. 18 Siege des Deutschen zählt der Grieche, bis beim 19. Spiel Grünstein eine Eröffnung erfindet, die ihm den Sieg sichert. Jahre später versucht sich Lodek an diese Schachvariante zu erinnern. Eine Geschichte in Erinnerung an Geschichten, die der Emigrant und Schriftsteller Ludwig Turek (1898–1975) erzählt hat. | Von Wolfgang Kohlhaase | Mit Kurt Böwe, Rolf Ludwig u.a. | Komposition: Tilo Medek | Regie: Günther Rücker | Rundfunk der DDR 1976

Die Grünstein-Variante: Hier in der ARD-Audiothek hören!

1983: Transit

Frankreich im Jahr 1940. Der Norden des Landes ist von deutschen Truppen überrollt, Südfrankreich bleibt unbesetzt. Hier sammeln sich die vor dem Hitlerregime geflohenen Antifaschisten, die Nazigegner, die rechtzeitig davongekommenen Juden. Marschall Pétains Gendarmen sperren die Flüchtlinge in Lager und liefern sie an die Gestapo aus, wenn sie nicht Visa oder Transits vorweisen können, die sie zur Einreise in ein sicheres Land berechtigen. Anna Seghers schrieb ihren Roman 1940 in Marseille, vor ihrer Flucht nach Mexiko. Diese Hafenstadt war Ziel vieler Flüchtlinge, hier gab es Konsulate, hier fuhren die Schiffe nach Portugal, nach Afrika, nach Amerika. Anna Seghers lässt in Marseille zwei Deutsche die Angst jener Jahre erleben, eine Angst, die zwingt, sich für jemand anders auszugeben, eine Angst, die Liebe unmöglich macht, eine Angst, die Menschen hindert, das Richtige zu tun. „Transit“ gehört zu den Klassikern der Exilliteratur. | Von Anna Seghers Mit Heidy Forster, Peter Lieck u.a. | Bearbeitung: Bernhard Pfletschinger | Regie: Wolf Euba | BR/RIAS/NDR 1983

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1997: Rocky Dutschke '68

Aufstand gegen die ewig Gerechten und politisch Korrekten der 68er-Generation. Rudi Dutschke geht in diesem Hörspiel noch einmal auf die große Reise nach West-Berlin, er stürmt die Kaufhäuser und verfängt sich in den ideologischen Schlingen des Kapitalismus. Währenddessen lassen es sich zwölf Redakteure im Studio gutgehen, Wolf Biermann steppt und Heiner Müller offenbart im Interview Details über Lustgewinn. In einer furiosen Collage zertrümmert Christoph Schlingensief Bilder und Formeln einer überständigen Epoche. Hörspiel nach der Fassung für die Volksbühne Berlin. | Von Christoph Schlingensief | Mit Sophie Rois, Bernhard Schütz, Astrid Meyerfeldt u.a. | Regie: Christoph Schlingensief | WDR 1997

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2001: Metropolis

Während in der lichtlosen Unterstadt die Arbeiter wie Sklaven hausen, lebt die Gesellschaft der Oberstadt in einer Welt des Luxus. Herr über Menschen und Maschinen ist Fredersen, das „Hirn von Metropolis“. Seine Gegenspielerin ist Maria, „die Heilige der Unterdrückten“. Freder, der blonde Sohn des Herrschers, verliebt sich in sie und folgt ihr in die Katakomben. Sein Vater bittet den Magier Rotwang, eine „falsche Maria“ zu erschaffen, einen künstlichen Menschen, der Maria aufs Haar gleicht. Die Doppelgängerin wiegelt die Massen auf. Mit der Zerstörung der Maschinen droht der Untergang. Thea von Harbous 1925 veröffentlichter Roman „Metropolis“ ist ein früher Klassiker der Science-Fiction. Der Roman und das Drehbuch zur legendären Verfilmung von Fritz Lang bilden die Grundlage für die Radiobearbeitung. | Von Thea von Harbou/Fritz Lang | Mit Peter Fricke, Jan Neumann, Jule Ronstedt u.a. | Bearbeitung: Michael Farin | Komposition: Laar/zeitblom | Regie: Bernhard Jugel | BR 2001

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2015: Die lächerliche Finsternis

Ein verrückt gewordener Oberstleutnant der Bundeswehr hat zwei Kameraden seiner Spezialeinheit umgebracht. Um ihn ausfindig zu machen und zu liquidieren, fährt Hauptfeldwebel Oliver Pellner mit Unteroffizier Stefan Dorsch in einem Patrouillenboot in die „Regenwälder Afghanistans“. Nach Motiven aus Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“ erzählte Francis Ford Coppola 1979 in „Apocalypse Now“ von einer ähnlichen Militärmission während des Vietnamkrieges. Wolfram Lotz hat den Stoff auf die globalisierte Welt von heute übertragen und erzählt dabei von einem somalischen Fischer, der in Mogadischu Piraterie studiert hat, weil die heimischen Fischgründe von Fangflotten aus Asien und Europa leergefischt wurden. Von italienischen Blauhelmsoldaten, die „Eingeborene“ überwachen, die für die Mobilfunkindustrie Coltan abbauen. Und einem Bürgerkriegsflüchtling vom Balkan, der mit Nudeln, Spannbettlaken und Investmentfonds handelt. Eine skurrile, traurige, ironische und komische Reise. | Von Wolfram Lotz | Mit Julian Greis, Christoph Luser, Alexander Scheer u.a. | Musik: zeitblom | Regie: Leonhard Koppelmann | SWR 2015

Die lächerliche Finsternis:
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2021: Xerxes und die Stimmen aus der Finsternis

Der Junge, dessen Namen man noch Jahrtausende später für seine Taten und seine Untaten kennen wird, erblickt 519 v.Chr. das Licht der Welt: Xerxes. Eine Archäologin gräbt und erzählt, lässt Xerxes durch die Zeit springen: von Jesus’ Kreuzigung zum apokalyptischen Pestausbruch von 1347, von der Entdeckung Amerikas bis zur Verbannung der Frauen aus Kirchenchören. Diese Verbannung ist es, der Hoden abertausender Knaben zum Opfer fallen. Fortan dürfen die Stimmen der Kastraten in keiner Oper mehr fehlen, auch nicht in Georg Friedrich Händels „Xerxes“, dessen Arie Ombra mai fu Radiogeschichte geschrieben hat. | Von Magda Woitzuck | Mit Alina Fritsch, Wolfram Berger, Eva Mayer u.a. | Komposition und Regie: Peter Kaizar | hr/ORF 2021

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