100 aus 100: Die Januar-Staffel Von "Das Verhör des Lukullus" bis zum "Kongress der Thanatologen"
Die Januar-Staffel geht weiter mit "Das Verhör des Lukullus". Brecht schrieb das Hörspiel als Kritik an Hitler kurz nach Kriegsbeginn 1939 im schwedischen Exil. "Gespräche mit Lebenden und Toten" setzt sich mit den Eindrücken des Super-GAUs in Tschernobyl auseinander. Und "Der sich langsam WIRKLICH etwas seltsam entwickelnde Kongress der Thanatologen" ist eine Hörspielgroteske aus der Gegenwart.
1949: Das Verhör des Lukullus
Der römische Feldherr Lukullus, dessen Eroberungszüge unzählige Menschenleben forderten, muss sich nach seinem Tod vor dem Gericht der Unterwelt verantworten. Seine Taten rechtfertigt er damit, dass er zum Wohle Roms gehandelt habe und verweist auf seinen Nachruhm als Gourmet. Brecht schrieb das Hörspiel als Kritik an Hitler kurz nach Kriegsbeginn 1939 im schwedischen Exil, die Ursendung erfolgte ein Jahr später in der Schweiz. Die deutsche Erstsendung verantwortete nach dem Krieg der Bayerische Rundfunk. Brecht arbeitete das Werk in der DDR gemeinsam mit dem Komponisten Paul Dessau 1951 zu einer Oper um. | Von Bertolt Brecht | Mit Paul Dahlke, Karl Hanft u.a. | Komposition: Bernhard Eichhorn | Bearbeitung und Regie: Harald Braun | BR 1949
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1954: Unter dem Milchwald
Ein einziger Tag in dem fiktiven walisischen Fischerdörfchen Llareggub. Das Stück beginnt mit den Träumen der Stadtbewohner, erzählt dann vom geschäftigen Morgentreiben und zeichnet die träge Nachmittagsstimmung, bis sich schließlich die Dämmerung über den Ort senkt und die Nacht den Tagesablauf beschließt. Selbstgespräche, Stoßseufzer verschiedener Lieben, Fantasien unterdrückter Mordlust. Die Liebe vereint und versöhnt am Ende die widerstreitenden Figuren. Dylan Thomas schrieb das Hörspiel „Under Milk Wood“ 1953, wenige Tage vor seinem Tod im Auftrag der BBC und avancierte zu einem der berühmtesten Hörspiele der Rundfunkgeschichte. | Von Dylan Thomas | Aus dem Englischen von Erich Fried | Mit Ludwig Cremer, Gisela von Collande, Paul Bildt, Inge Meysel u.a. | Bearbeitung: Erich Fried | Komposition: Siegfried Franz | Regie: Fritz Schröder-Jahn | NWDR 1954
Unter dem Milchwald: Hier in der ARD-Audiothek hören!
1962: Drei Rosen aus Papier
Janne ist achtzehn Jahre alt und Praktikantin in einem großen Werk in der DDR. Arno, zweiunddreißig, ist dort Ingenieur und Abteilungsleiter. Als er Janne übers Wochenende in sein Haus am See einlädt, entsteht aus einem banalen Flirt bald ein Gespräch, das wesentlich tiefer geht: Was ist Wahrheit, worin besteht die Wahrheit in der Liebe, hat jedes Jahr eine neue Wahrheit, wo beginnt die Lüge? Die gemeinsamen Gedanken führen zum gemeinsamen Handeln – das Paar beginnt, eine Ehe zu spielen. | Von Manfred Bihler | Mit Waltraud Kramm, Otto Mellies | Regie Werner Grunow | Rundfunk der DDR 1962
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1969: Paul oder die Zerstörung eines Hörbeispiels
Eine konventionelle Inhaltsangabe ließe sich reduzieren auf einen einzigen Satz: LKW-Fahrer Paul auf der Autofahrt von München nach Hamburg. „Wolf Wondratschek macht es den Hörern leicht, die geläufigen Hörgewohnheiten zu verlassen und eine neue Hörfähigkeit zu entwickeln. Er negiert in seinem Stück überkommene Formen, die eine Geschlossenheit vorgeben, wo Realität sich heute nicht mehr als eine totale begreifen lässt.“ (Jurybegründung Hörspielpreis der Kriegsblinden) | Von Wolf Wondratschek | Mit Olaf Quaiser Arnold Richter u.a. | Regie: Heinz Hostnig | WDR/BR/HR/SR 1969
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1979: Mutters Courage
Eine Geschichte über die Geschichte, deren Grausamkeit durch Komik und Witz begreifbar und zugänglich gemacht wird. Tabori erzählt von der Deportation seiner Mutter von Budapest nach Auschwitz und von ihrer Rettung. Einer Rettung durch das, was Tabori ihre „Courage“ nennt. Der Sohn nimmt sich die Freiheit, nichts über die Mutter zu verschweigen, Tabus zu missachten – gewissermaßen im stillen Einverständnis mit ihr. | Von George Tabori | Aus dem Amerikanischen von Ursula Grützmacher-Tabori | Mit George Tabori, Brigitte Kahn | Komposition: Stanley Walden | Regie: Jörg Jannings | RIAS/NDR/SDR 1979
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1988: Steig der Stadt auf‘s Dach
Bisher hat sie wenig und kurz gelebt, klagt sie beim Vorstellungsgespräch. Immerhin war sie schon Dolmetscherin und Lohnbuchhalterin, hat im Wettbüro, auf dem Friedhof und bei der Post gearbeitet. Jetzt wird sie Pförtnerin in der Akademie der Wissenschaften. Sie läuft nachts durch das große Haus, spielt auf dem Klavier, singt, deklamiert auf Hochdeutsch und Sächsisch. Sogar auf's Dach steigt sie. Dann klingelt in der Pförtnerloge das Telefon. Der seismographische Dienst meldet ein Erdbeben im südlichen Teil der DDR. Das berührende Bild einer jungen Frau, die versucht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, durch ihre Sensibilität aber immer wieder in die Rolle der Außenseiterin gerät. | Von Katja Oelmann | Mit Gabriele Hänel, Carl Heinz Choynski, Ingeborg Nass u.a. | Komposition: Helmut Zapf | Regie: Barbara Plensat | Rundfunk der DDR 1988
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1998: Gespräche mit Lebenden und Toten
Das Erlebnis der Tschernobyl-Katastrophe ist etwas, wofür wir noch kein System von Vorstellungen, noch keine Analogien oder Erfahrungen haben, wofür noch nicht einmal unser bisheriger Sprachschatz ausreicht. Über mehrere Jahre hat Swetlana Alexijewitsch mit Menschen gesprochen, für die der GAU vom 26.04.1986 zum zentralen Ereignis ihres Lebens wurde. Ihr „Chor lebendiger Stimmen“ verzichtet auf jegliches Pathos – und ist gerade deshalb das vielleicht eindrucksvollste Dokument eines Ereignisses, das uns aus einer Zeit in eine andere versetzt hat. Nach ihrem Roman "Tschernobyl – Eine Chronik der Zukunft". | Von Swetlana Alexejewitsch | Aus dem Russischen von Ingeborg Kolinko | Bearbeitung: Frank Werner | Regie: Ulrich Gerhardt | SR/NDR/SFB-ORB/WDR 1998
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2008: Ruhe 1
Ein Restaurant in der Stadt. Alle Tische sind besetzt. Es wird geplaudert, diskutiert, gelacht. Plötzlich durchschneidet ein Ereignis die Szene. Ein Vorfall draußen auf der Straße lässt die Gespräche der Gäste verebben. Man müsste einschreiten, helfen. Ein Moment von Ruhe entsteht im Raum. Ruhe, in der beides möglich ist: Einmischung und Distanz. Absolute Stille. Wird jemand aufstehen? Paul Plamper untersucht mit seinem Hörstück eine plötzlich entstandene Ruhe als Politikum und seziert das komplexe Verhalten einer Gruppe durch konsequente Auffächerung in die verschiedenen Perspektiven und Haltungen: Bequemlichkeiten, Ängste, Selbstsüchte, Unaufmerksamkeiten und Mutanflüge. Aus dem scheinbaren Nebeneinander wird eine Gemeinschaft, die eine Entscheidung trifft. | Von Paul Plamper | Mit Angelika Sautter, Günther Gerstner, Irm Hermann, Cristin König u.a. | Realisation: Paul Plamper | WDR/Museum Ludwig Köln 2008
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2018: Ein Nachmittag im Museum der unvergessenen Geräusche
Da war dieses Geräusch. Es erinnert ihn – an die Front, die sich drohend weiter vorschob, seiner Heimatstadt entgegen, an die Flucht davor, noch als Kind. Hört er dieses Geräusch, auch noch Jahrzehnte später, sind der Krieg und das ihm eigene Grauen wieder da. Andere bedeutsame Geräusche gab und gibt es in seinem Leben, mit jedem ist ein Erlebnis verbunden, viele verweisen auf die Kriegszeit und die ersten Jahre danach. Nicht nur in Form der Geräusche lebt der Krieg in ihm weiter. | Von Christoph Buggert | Mit Wolf-Dietrich Sprenger, Christiane Motter, Oliver Urbanski u.a. | Komposition: Stefan Scheib, Regie: Katharina Bihler (Liquid Penguin Ensemble) | SR 2018
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2020: Der sich langsam WIRKLICH etwas seltsam entwickelnde Kongress der Thanatologen
Eine Hörspielgroteske über Tod und Wissenschaft: Wir befinden uns auf dem 125. Kongress der deutschsprachigen Thanatologen. Jubiläums-Schwerpunkt: Die Zukunft der Trauermusik. Handlungsort: Die Turnhalle der Geschwister-Scholl-Grundschule Olsberg im Hochsauerlandkreis. Doch noch bevor es richtig losgehen könnte, sorgt der Mord an Professor Sebersdorsch-Malzhausen auf offener Bühne für den vorläufigen Höhepunkt. | Von Nis-Momme Stockmann, Les Trucs | Mit: Joy Maria Bai, Moritz Grove, Franziska Machens, Anne Tismer, Leon Ullrich, Herbert Fritsch u.a. | Komposition: Les Trucs | Regie: Nis-Momme Stockmann | NDR 2020
Kongress der Thanatologen: Hier in der ARD-Audiothek hören!