01. Februar 1946 Trygve Halvdan Lie wird erster UN-Generalsekretär
Papst oder Queen sind Berufe, die es nur einmal gibt, aber auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat einen einsamen Solistenjob in der internationalen Berufswelt. Einen schönen? Trygve Halvdan Lie war der erste Mann in dieser Spitzenstellung, als er am 1. Februar 1946 gewählt wurde.
01. Februar
Montag, 01. Februar 2010
Autor(in): Thomas Grasberger
Redaktion: Thomas Morawetz
Augen auf bei der Berufswahl! Dass dieser gut gemeinte Rat auch als Warnung seine Berechtigung hat, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Schon vor 30 Jahren stand in den Buchhandlungen einschlägige Ratgeberliteratur, die die „1000 sichersten Berufe der Zukunft“ zu kennen vorgab. Wenn man heute in solchen Büchern blättert, stößt man auf Ausbildungsgänge, die allenfalls noch Sozialhistorikern etwas sagen. Zu stark hat sich die Arbeitswelt gewandelt. Nur manche Berufe scheinen da eine Ausnahme zu machen. Es gibt sie schon lange, und auf den ersten Blick sehen sie so aus, als würde sich an ihrem Anforderungsprofil nie etwas ändern. Papst zum Beispiel. Oder Königin von England. Aber Vorsicht! Auch bei solchen Jobs hat man durchaus mit Herausforderungen zu kämpfen, die der Berufseinsteiger kaum vermuten würde. Erhöhte Reisetätigkeit und permanente mediale Beobachtung sind da noch die geringeren Belastungen. Auch was die Krisensicherheit angeht, sollte man sich nicht blenden lassen. So mancher, der für sein Amt als Parteichef reklamierte, es sei der schönste Job der Welt – „neben Papst“ – war schneller im wohlverdienten Ruhestand als ihm lieb sein konnte. Es ist also nicht alles Gold, was glänzt im Blitzlichtgewitter der Paparazzi!
Zumal es einige unter diesen exponierten Spitzenbeschäftigungen gibt, die ganz besonders nervenaufreibend sind. Der norwegische Politiker und Jurist Trygve Halvdan Lie konnte davon ein Lied singen. Als der damals fast 50-Jährige am 1. Februar 1946 zum Generalsekretär der Vereinten Nationen ernannt wurde, hatte er bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf bekommen, was ihn in den kommenden sechs Jahren erwarten sollte. Wochenlange Auseinandersetzungen um seine Person hatte es gegeben. Und einen Eklat. Denn Lie war bei der ersten Wahl prompt durchgefallen. Obwohl Moskau und Washington den norwegischen Außenminister gemeinsam als Sitzungspräsidenten ins Spiel gebracht hatten. Den Sowjets war er als Sozialdemokrat links genug, und den Amerikanern gefiel, dass Lie während der Nazi-Okkupation Norwegens im Londoner Exil als Außenminister tätig war. Aber die beiden Supermächte scheiterten zunächst mit ihrem Plan. Erst drei Wochen später wurde Lie von den 51 Mitgliedern dann doch zum ersten UN-Generalsekretär gewählt.
Womit der Stress so richtig begann. Denn die Welt war gerade dabei, sich in zwei Blöcke zu spalten. Und Lie saß genau in der Mitte. Kein Wunder, dass es nicht lange dauerte, bis beide Seiten ihm vorwarfen, parteiisch zu sein. Nach dem Motto: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Streitpunkte gab es damals viele. Zum Beispiel, ob der ständige Sitz im Sicherheitsrat an das kommunistische China gehen soll? Oder an die Exilregierung auf der Insel Taiwan? Die wahre Feuerprobe für Lies Amtszeit kam jedoch 1950 mit dem Koreakrieg. Damals beschloss der Weltsicherheitsrat einen Militäreinsatz gegen Nordkorea. Die Sowjetunion war abwesend bei jener Sitzung, in der die USA ermächtigt wurden, zu Gunsten des überfallenen Südkoreas in den Krieg einzugreifen. Stalin war sauer. Für ihn war Lie nun endgültig der Knecht des US-Imperialismus. Er musste aus dem Amt gekegelt werden!
Als der Norweger 1951 von der UN-Vollversammlung im Amt bestätigt wurde, war auch ihm längst klar: Gegen den Willen der Sowjets ist der Job nicht wirklich zu machen. Deshalb trat Lie im November 1952 zurück. Sein Frust war groß. „Augen auf bei der Berufswahl!“, hätte der scheidende Generalsekretär wohl am liebsten gerufen, aber Lie formulierte die Warnung an seinen Nachfolger Dag Hammarskjöld natürlich viel diplomatischer: „Willkommen in New York und bei den Vereinten Nationen. Sie übernehmen hier den unmöglichsten Job der Erde“, hat Lie gesagt. Er sollte Recht behalten. Hammarskjöld starb 1961 beim Absturz eines UN-Flugzeugs in Afrika. Die Absturzursache ist bis heute ungeklärt.