04.08.1931 Tucholskys "Soldaten sind Mörder" erscheint
Manche Sätze entwickeln ein Eigenleben, wie: "Soldaten sind Mörder". Am 4. August 1931 hat ihn Kurt Tucholskys veröffentlicht. Der Satz war schon damals ein Aufreger - und blieb es bis in die 90er-Jahre. Autor: Thomas Grasberger
04. August
Montag, 04. August 2014
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Auch ein Satz hat sein Eigenleben. Aus der Feder eines Autors kommt er zur Welt, wird in die Familie eines Textes hinein geboren und ist nur ein kleiner Baustein unter vielen anderen. Aber eines Tages, da entdeckt ihn vielleicht jemand. Löst ihn heraus aus der Schar seiner Verwandten und schickt ihn in die weite Welt hinaus. Und der Satz macht Karriere! Er steigt auf, wird zum Zitat!
Ja, zum Slogan!
"Sagte ich Mord? Natürlich Mord."
So erging es auch den 18 Buchstaben, die ein gewisser Ignaz Wrobel am
4. August 1931 in der Zeitschrift "Die Weltbühne" veröffentlichte. Ignaz Wrobel war ein Pseudonym des Schriftstellers und Journalisten Kurt Tucholsky. Dessen 18 Buchstaben ergaben den berüchtigten Satz "Soldaten sind Mörder". Hineingeboren wurde dieser kleine, freche Spruch in eine Glosse mit dem Titel "Der bewachte Kriegsschauplatz". Sie beschäftigte sich mit den Feldgendarmen, die im Ersten Weltkrieg die Schlachtfelder absperrten, während die Arbeiter und Angestellten sich abschossen und ihre Chefs daran gut verdienten.
"Der Feldgendarm wachte darüber, dass vorn richtig gestorben wurde", schrieb Tucholsky. Und definierte einige Absätze weiter das Wesen des Schlachtfeldes: "Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder."
Tucholskys Satz machte schnell Karriere. Dafür sorgten schon deutsche Juristen, die 1932 den verantwortlichen Redakteur der Weltbühne, Carl von Ossietzky, wegen "Beleidigung der Reichswehr" anklagten. Ossietzky wurde allerdings freigesprochen, schließlich seien keine konkreten Personen beleidigt worden und eine unbestimmte Gesamtheit könne man nicht beleidigen.
Damit hätte Tucholskys Diktum in den wohl verdienten Ruhestand geschickt werden können. Was aber nicht geschah. Denn erstens folgte bald ein noch viel blutigerer, Zweiter Weltkrieg und daraufhin das so genannte Atomzeitalter.
Immer wieder griffen Pazifisten auf Tucholskys legendäre 18 Buchstaben zurück: "Soldaten sind Mörder" wurde zu einer Parole der Friedensbewegung. Und zum beliebten Streitgegenstand deutscher Gerichte.
Volksverhetzung oder freie Meinungsäußerung? Ist dieser Satz wahr? Und was bedeutet der Begriff "Mord"? Das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik hat da eine sehr genaue Definition, die Kurt Tucholsky noch nicht kennen konnte. Er gebrauchte das Wort "Mörder" im umgangssprachlichen Sinn. Und so taten es auch diejenigen, die ihn später zitierten und dafür oft genug vor Gericht gebracht wurden.
Mörder, umgangssprachlich gesehen
Wie jener pazifistisch gestimmte Autolenker, der 1994, während des Zweiten Golfkrieges, sein Fahrzeug mit drei Aufklebern schmückte. Darunter einer mit dem Tucholsky-Zitat. Der Mann wurde zunächst zu einer Geldstrafe verurteilt, das Verdikt vom Bundesverfassungsgericht aber wieder aufgehoben; auch weil das Wort "Mörder" nicht in seiner juristischen Definition verstanden werden müsse und ein spezieller Bezug zur Bundeswehr nicht bestehe. Wie schon bei ähnlichen Gerichtsentscheidungen zuvor, kritisierten konservative Politiker dieses Urteil scharf, forderten gar Ehrenschutz für deutsche Soldaten.
Der kleine, freche Satz hatte gut 60 Jahre nach seiner Geburt also wieder einmal für viel Wirbel gesorgt. Und tot zu kriegen ist er bis heute nicht. Wie auch? Solange es Soldaten gibt, die in den Kampf ziehen.