4. Dezember 1971 Ein Brand inspiriert Deep Purple zu "Smoke on the Water“
In den USA das bekannteste Lied nach der Nationalhymne: "Smoke on the Water". Mit zwölf Millionen verkauften Exemplaren zog der Song in die Rock and Roll Hall of Fame ein – und all das verdankt sich einem Brand. Autor: Simon Demmelhuber
04. Dezember
Montag, 04. Dezember 2017
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Geschichten gebären die Welt. Der nicht erzählte Mensch ist nie gewesen, das nicht erzählte Ereignis nie geschehen, der nicht erzählte Kalender nur ein Zahlenwust. Darum erzählen wir: Auf Knochen, Steinen, Wänden, Leinwand, Papier. Auf Bühnen, im Fernsehen, im Film, im Radio. Damit uns die Zeit nicht ins Vergessen verweht. Weil die Welt erst im Erzähltsein zu sich findet, weil nichts besteht, was unerzählt bleibt.
A Fire in the sky
Was 1971 am 4. Dezember eine Geschichte wird, beginnt um drei Uhr nachmittags im Casino von Montreux. Frank Zappa und die Mothers spielen das letzte Konzert der Saison. Tausende stehen dicht an dicht im unbestuhlten Saal. Die Band wühlt sich durch verwinkelte Soundlabyrinthe und schillernde Klanglustgärten. Irgendwann schreit Zappa "Fire" ins Mikro. Lachen, Gackern, Johlen: "So ein Freak, so ein total verrückter Hund!" Dann sehen es alle: Die Decke brennt, dicker Qualm verklebt die Luft. "Raus, nur raus!" Allen gelingt die Flucht, niemand kommt zu Schaden.
Die fünf Musiker von Deep Purple erleben das Inferno live und hautnah mit. Sie sind in Montreux, um ein neues Album aufzunehmen. Genau hier, im Saal, der jetzt vor ihren Augen in Flammen aufgeht. Was nun? Alles ist vorbereitet. Das mobile Tonstudio der Stones parkt vor der Tür, Laster haben tonnenschweres Equipment angekarrt, morgen soll´s losgehen. Aber wo? Wie?
Festivalleiter Claude Nobs weiß Rat. Er quartiert Deep Purple im leeren Grand Hotel ein. Mit Matratzen und Decken gedämmt, gibt der Speisesaal ein passables Studio ab. Zwei Wochen später ist das Album fertig. Oder fast. Am Vorabend des letzten Tages scheucht Manager Martin Birch die Band mit einer Hiobsbotschaft auf: Sieben Minuten fehlen, ein neuer Song muss her, sofort!
Da ist doch der hammergeile Riff, den Ritchie Blackmore neulich beim Soundcheck auf der E-Gitarre gezupft hat. Spiel das nochmal, Ritchie, ja, genau das: Da da daa. Da da da daa. Da da daa da daa. Und was hat Roger Glover am Morgen nach dem Brand vor sich hingebrabbelt?
War das nicht so etwas wie "Smoke on the water. A Fire in the sky?" Hey, das ist es, Leute! Lasst uns die Geschichte erzählen, wie wir nach Montreux kamen, um Machine Head zu machen; die Geschichte vom Vollidioten, der beim Zappa-Konzert eine Leuchtpistole abdrückt und Signalraketen in die Decke schießt; wie das Casino abbrennt und wir die Platte trotzdem fertig kriegen; die Geschichte vom Rauch überm Wasser und vom Feuer am Himmel.
Der Zorn Gottes
Eine Viertelstunde später ist der Songtext fertig: 24 knappe Zeilen, schnörkellos, schlagzeilengrell. Die Band jammt sich heiß. Ritchies brachialer Mörder-Riff zündet, reißt alle mit. So, genau so, klingt der Zorn Gottes. So hört es sich an, wenn das Schicksal die Tür eintritt. Jeder Akkord mit der Dampframme eingepfählt. Ein stählernes Strafgericht, das sich für immer ins Gedächtnis krallt und bis ans Ende der Zeit alle Luftgitarren der Welt in den Zeugenstand ruft.
Sie haben ihn übrigens nie erwischt. Der Feuerteufel von Montreux hat sich nie geoutet. Kein prahlendes oder schuldbewusstes "ich war's, ich hab's getan". Er hat sich einfach verdrückt. Mephisto kommt eben stets ungeschoren davon. Aber das ist eine neue Geschichte. Eine, die man vielleicht ein anderes Mal erzählen muss.