10. Januar 1356 Kaiser Karl IV hat 23 Kapitel fertig, Keiserliches Rechtsbuch
Wer darf die Krone tragen, wie lange und weshalb eigentlich? Diese Frage zerriss über Jahrtausende Reichsgebiete und zerstörte Familien. Irgendwie müsste man das doch besser geregelt bekommen, dachte sich Kaiser Karl IV und kümmerte sich um ein "Keiserliches Rechtsbuch". Autor: Thomas Grasberger
10. Januar
Freitag, 10. Januar 2025
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Auf den ersten Blick ist die Idee bestrickend einfach. Einer oder eine setzt die Krone auf und sagt, wo es künftig lang geht. Monarchie nennt man diese Staatsform, in der ein einzelner Mensch über alle anderen herrscht. Es ist ein schlichtes Prinzip und scheinbar effizient, zumindest in der Theorie. Die Praxis sieht nämlich oft anders aus. Wenn etwa die Frage auftaucht, wer genau die Krone aufsetzen darf. Und warum? Nicht selten gibt es mehrere Bewerber für den prestigeträchtigen Job. Besonders dann, wenn ein Monarch das Zeitliche segnet. Und was, wenn es keine legitimen Nachkommen gibt? Oft waren sie kaum gestellt, da setzte das große Hauen und Stechen ein: Die Geschichtsbücher sind voll mit Erbfolgestreitigkeiten und verheerenden Kriegen.
Meine Krone! Nein, meine!
Im 13. Jahrhundert etwa, als der Kaiser im Dauer-Clinch mit dem Papst lag und schließlich für abgesetzt erklärt wurde: Es folgte ein Machtvakuum mit Fehden und Kriegen, ungültigen Königswahlen und Jahrzehnten politischer Instabilität. Auch das nächste Jahrhundert war krisengebeutelt. Die Pest raffte ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinweg, eine kleine Eiszeit führte zu Ernteausfällen und Hungersnöten. Sündenböcke waren schnell gefunden, es kam zu grausamen Pogromen gegen die Juden.
Wessen Krone jetzt?
Und Thronstreitigkeiten standen ebenfalls wieder auf der Tagesordnung. Denn auch der Wittelsbacher Kaiser Ludwig der Bayer lag im Streit mit dem Papst. Weshalb im Sommer 1346 ein Gegenkönig gewählt wurde: Karl IV., aus der Dynastie der Luxemburger, hatte sein Amt kaum angetreten, als seinen bayerischen Widersacher bei der Bärenjagd der Herzschlag traf.
Karl wurde in Rom zum Kaiser gekrönt und befand: So kann´s nicht weiter gehen, die dauernden Konflikte gefährden die Stabilität im Reich. Es brauchte feste Spielregeln. Also eine Art Grundgesetz, das ein für alle mal das Verfahren der deutschen Königswahl festschrieb.
Karl IV. rief die Kurfürsten und hochrangigen Kirchenvertreter zusammen, um eine entsprechende Gesetzessammlung zu erarbeiten. Am 10. Januar 1356 konnten auf dem Nürnberger Hoftag die ersten 23 Kapitel verkündet werden. Ende des Jahres folgten auf dem Hoftag von Metz weitere acht. Das Verhandlungsergebnis in lateinischer Sprache war die sogenannte Goldene Bulle, die ihren Namen vom Goldenen Siegel bekam, das an den Ausfertigungen der Urkunde angehängt war. Im Zentrum des Dokuments stand das Verfahren der Königswahl. Sie musste nun nicht mehr einstimmig erfolgen, sondern mit Mehrheit. Ein Mitspracherecht des Papstes wurde ausgeschlossen. Wahlberechtigt waren nur sieben hochrangige Kurfürsten. Nämlich die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Später wurde dieses Kurfürstenkollegium erweitert, im 17. Jahrhundert etwa erhielten auch die bayerischen Wittelsbacher das Königswahlrecht. Als "Keiserliches Rechtsbuch" wurde die Goldene Bulle, die heute zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehört, zum wichtigsten Baustein der alten Reichsverfassung. Ein wirkungsvolles Rechtsinstrument, das 450 Jahre lang gültig blieb und nicht alle, aber viele Streitigkeiten beilegen konnte.