Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Oktober 1950 Geburt eines jungfräulichen Zahnkarpfens

Kein Mensch hat sich gewundert, als am 5. Oktober 1950 in einem Londoner Labor ein Zahnkarpfen geboren wurde. Als der Fisch aber kurze Zeit später ganz ohne Gefährten Nachkommen produziert hatte, sah das anders aus. Autorin: Prisca Straub

Stand: 05.10.2017 | Archiv

05.10.1950: Geburt eines jungfräulichen Zahnkarpfens

05 Oktober

Donnerstag, 05. Oktober 2017

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Das Leben könnte so einfach sein. Bei der Geschlechterfrage zum Beispiel. Würmer, Krebse, Schnecken, Käfer, Fische und sogar Schlangen machen es vor: Einige von ihnen kommen nämlich bestens ohne Männchen aus. Die sind für die Fortpflanzung oft nur zweite Wahl und manchmal sogar ganz überflüssig. Die gemeine Honigbiene hält es ebenso wie das australische Geckoweibchen: Beide können auf Sex durchaus verzichten und vermehren sich stattdessen durch sogenannte Parthenogenese - also durch Jungfernzeugung.

Rätselhafte Schwangerschaft im Labor

Der englische Biologie-Professor J. B.S. Haldane jedenfalls traute seinen Augen nicht, als er eines Morgens in sein Aquarium im Labor der Londoner Universität blickte. Dort erwartete ihn eine erstaunliche Bescherung: Einer seiner Zahnkarpfen - ein Lebistes reticulatus - hatte über Nacht ein Junges bekommen. Der Haken an der Sache: Der Süßwasserfisch war in abstinenter Abgeschiedenheit aufgewachsen - und zwar lückenlos vom Tag seiner Geburt an, dem 5. Oktober 1950.

Der Wissenschaftler hatte zunächst keine Erklärung für die rätselhafte Schwangerschaft. Doch das Single-Kunststück wiederholte sich: Unter den wachsamen Augen der Laboranten brachte auch die eindeutig jungfräuliche Tochter 200 Tage später und ohne jede männliche Beteiligung Fischjunge zur Welt. Lauter vaterlose Enkel.

Ohne Sex geht es also auch. Und zwar erstaunlich gut. Der große Vorteil dabei: Innerhalb kürzester Zeit können wahre Heerscharen an Nachkommen gezeugt werden - lauter identische Kopien der Mutter - und zwar ohne zeitintensive Partnersuche und Energie raubendes Vorgeplänkel: Kein einziges Spermium kommt ins Spiel. Kein einziges Stückchen männliches Erbgut: Die unbefruchtete Eizelle teilt sich ganz allein.

Ein durch und durch expansives Erfolgsmodell also, das zum Beispiel auch dem Wasserfloh das massenhafte Überleben in der Teichfauna sichert. Wer zur Not auch solo Mutter werden kann, für den ist Sex ein unerklärlicher evolutionärer Luxus.

Sex als reiner Luxus?

Im Vergleich zum simplen asexuellen Klonvorgang ist geschlechtliche Fortpflanzung in der Tat höchst bizarr und aufwendig: zwei Geschlechter, zwei Geschlechtsapparate - und das alles muss irgendwie zusammenpassen. Und tatsächlich haben Forscher inzwischen nicht nur Wasserflöhe, sondern auch deutlich höher entwickelte Hammerhai-Weibchen dabei beobachtet, wie sie Nachwuchs ohne jedes Techtelmechtel, also ohne väterliches Zutun zeugen. Warum also überhaupt noch Sex?

Nun, zumindest für Säugetiere scheinen Männer offenbar noch immer unentbehrlich zu sein. Denn nur durch sexuelle Fortpflanzung werden die Gene von zwei unterschiedlichen Individuen kräftig durchmischt - die Voraussetzung für Anpassungsfähigkeit und Vielfalt: Wer sich also mit Männern einlässt, der erhöht mit neuen Genkombinationen die Chancen, in der Lotterie der Selektion einen Hauptgewinn zu ziehen.

Mit einer höchst gediegenen Ausnahme allerdings: Während Jungfernzeugung in der Biologie längst bestens untersucht und durchaus kein Wunderwerk mehr ist, ist die jungfräuliche Geburt nach christlichem Verständnis noch immer die klassische Bescherung schlechthin, also reine Glaubenssache. So weit so gut, könnte man sagen, oder: beides "giltet".


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