Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Oktober 1889 Moulin Rouge eröffnet

Cancan und Spitzenwäsche - am 6. Oktober 1889 eröffnete in Paris das Moulin Rouge. Schnell erhitzte das Varieté die Gemüter von Moralaposteln, aber auch von einem hingerissenen Stammgast: Henri de Toulouse-Lautrec.

Stand: 06.10.2011 | Archiv

06 Oktober

Donnerstag, 06. Oktober 2011

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Zu den bekanntesten Adressen der Welt gehört mit Sicherheit das Moulin Rouge, Boulevard de Clichy, Paris. Im Amüsierlokal auf dem Montmartre mit der weithin sichtbaren roten Mühle auf dem Dach wirbeln Nacht für Nacht Hüften, Pailletten und Federboas: Leicht bekleidete Damen schmeißen ihre Beine hoch - im 2/4-Takt des Cancan - so hoch, als begännen sie direkt unter der Achsel. Wohlkalkulierte Einblicke - darauf setzt das Edeletablissement noch heute. Eröffnet wurde das Moulin Rouge am 6. Oktober 1889. Und weil der Besucher damals nicht nur wohlgeformte Tanzbeine sah, sondern auch weiße Unterröcke und gewaltige Spitzenunterwäsche, war der mitreißende Bühnenschautanz zwischenzeitlich sogar verboten.

Einer, der in diesen wilden Zeiten begeistert in der ersten Reihe saß, war Henri de Toulouse-Lautrec. Sehr zum Missfallen seiner adeligen Familie aus dem Süden Frankreichs wird ausgerechnet das Pariser Nachtleben zu seiner Inspirationsquelle. Toulouse-Lautrec verewigt weiße Unterhosen, schwarze Seidenstrümpfe und rot beschirmte Lämpchen. Und die Plakate, die er malt, um die Veranstaltungen des Amüsierlokals zu bewerben, machen sowohl die Rad schlagenden Varieté-Mädchen als auch den Bohémien über Nacht weltberühmt.

Alsbald verbindet eine enge Freundschaft den kleinwüchsigen, körperbehinderten Maler mit den langbeinigen Cancan-Tänzerinnen. Vor allem von einer ist Toulouse-Lautrec geradezu besessen: Von „La Goulue“, der Unersättlichen. Sie macht ihrem Namen alle Ehre und wirft zum wilden Acht-Minuten-Cancan von Jaques Offenbach ihre Beine mit so viel Eleganz in die Höhe wie keine andere. Die blonde Tänzerin ist wahre Meisterin der spitzen Schreie und athletischen Beinspreizungen. Die Sensation: In den Schritt ihres Schlüpfers stickt sie ein kleines, rotes Herz. Das offenbart sie einem Kavalier ihrer Wahl, wenn sie ihm am Ende der Darbietung mit einer aufreizenden Fußbewegung den Zylinder vom Kopf stößt. Atemberaubend! „La Goulue“ wird Publikumsliebling im Moulin Rouge. Toulouse-Lautrec folgt ihr auf Schritt und Tritt und verewigt sie für die Nachwelt - mal in Spitzenunterwäsche, mal in Abendgarderobe.

Nach der Jahrhundertwende werden die Zeiten noch freizügiger: Im Moulin Rouge sind erstmals Mädchen zu sehen, die nichts anderes am Leib tragen als drei spärliche Muscheln. Und ein paar Jahrzehnte später wird sogar ein Aquarium installiert, in dem vollkommen nackte Damen freizügig hin- und herplanschen.

Heute steht das Moulin Rouge nicht mehr ganz so fest auf sexy Beinen: Auf der Bühne bemühen sich kreischende Mädels mit strassbesetzten Röckchen, Pailletten-Bustiers und Federbäuschen auf nackten Hinternteilen. Doch im Publikum sitzen jetzt vorwiegend zurückhaltend applaudierende Teilnehmer japanischer Pauschalreisegruppen. Die Damen zeigen viel Haut und geben sich verrucht, doch das wirklich lukrative Geschäft hat längst die Konkurrenz übernommen: Das rote Mühlrad, das Wahrzeichen des Etablissements, dreht sich inzwischen vor einer Kulisse aus Sexshops, Peepshows und Bordellen. Das Moulin Rouge hingegen wirbt damit, absolut jugendfrei zu sein.


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