Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. Mai 1901 Münchner Volksbad eröffnet

Was dem einen malerischer Städtebau, ist dem anderen ein architektonisches Sakrileg. Doch ästhetische Bedürfnisse müssen schon mal hintanstehen, wenn es um solche der Hygiene geht. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 09.05.2016 | Archiv

09.05.1901: Münchner Volksbad eröffnet

09 Mai

Montag, 09. Mai 2016

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

München im 19. Jahrhundert, das war eine Großstadt im Zeichen der Industrialisierung, von sozialen Problemen erschüttert und immer wieder von der Cholera heimgesucht. Die engen und stickigen Arbeiterhaushalte hatten kein Badezimmer, um die Hygiene war es schlecht bestellt, und das musste sich ändern.

Sauba, sog I!

Dazu war die sozialreformerische Volksbadebewegung angetreten. Die Volksbadebewegung wollte öffentliche Bäder für alle, um das Volk zu reinigen, zu ertüchtigen, von Wirtshausbesuchen und politischen Umtrieben abzuhalten.

Einer ihrer Anhänger war der Münchner Ingenieur Karl Müller. Der besaß ein paar Mietshäuser und verschenkte sie im Jahre 1894 an seine Heimatstadt mit der Auflage, sie zu verkaufen und vom Erlös dem "unbemittelt Volk" ein Hallenbad zu bauen. Im Gegenzug bat er sich aus, dass man das Bad nach ihm benenne, Müllersches Volksbad nämlich, und eine lebenslange Leibrente wollte er auch haben. Und eine Porträtbüste mit seinem Namen in der Eingangshalle. Mehr nicht.

Die Stadtväter schluckten den Köder und sollten es noch bereuen: Denn die Leibrente war happig und die Immobilien mit Hypotheken belastet und ziemlich marode. Wohltäter Müller hatte sich seines unrentablen Besitzes elegant entledigt, seinen Nachruhm gesichert und sich finanziell in trockene Tücher gebracht. Geschickt eingefädelt, für die Stadt auf Dauer leider ein Verlustgeschäft.

So schauts aus!

Ein offizielles Mitspracherecht bei der Gestaltung des Bads bekam Müller allerdings nicht. Das bereitete ihm manch trübe Stunde, denn der Architekt Karl Hocheder lag absolut nicht auf seiner Linie. Müller hatte sich ein klassizistisches Bad vorgestellt, mit symmetrischen Linien und klaren Proportionen wie bei den alten Griechen und Römern.

Hocheder fand das altmodisch und bevorzugte den Stilmix der Kunstrichtung "malerischer Städtebau":

Müller gefiel das nicht, und ständig gab es Streit, zum Beispiel wegen der Schwimmbecken. Zwei mussten es sein in getrennten Hallen, eins für Männer, eins für Frauen, das stand damals außer Frage. Müller wollte sie gleich groß und symmetrisch haben, aber Hocheder baute ein kleines und ein großes und schmückte sie ganz unterschiedlich aus. Das kleine Bad ist mit seiner wunderschönen Kuppel fast noch prächtiger und natürlich den Frauen zugeeignet, denen man weniger ausladende Schwimmbewegungen, aber mehr Sinn für Ästhetik zutraute. Heute ist das kleine Bad bei Gemütsmenschen beiderlei Geschlechts beliebt, die sich darüber freuen, dass die übersportlichen Kampfschwimmer im großen Becken sind.

Am 9. Mai 1901 fand nach vielen Querelen endlich die Einweihung statt. Die Münchner hatten nun eines der schönsten Bäder Europas, eines, das aussieht wie ein Schloss, in dem die Flussgötter und Isarnixen wohnen. Die Eintrittspreise für das "unbemittelt Volk" waren allerdings gesalzen. Irgendwie musste die Stadt die Kosten ja wieder reinholen, auf denen der schlitzohrige Stifter sie sitzen gelassen hatte.


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