Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. November 1914 Hedy Lamarr geboren, echte Doppelbegabung

Wer hätte das gedacht? Das Mädchen mit der Stupsnase, das da am 9. November 1914 in der Wiege lag, sollte einmal als Hedy Lamarr eine umwerfende Schönheit werden, ein Hollywood-Star und eine Torpedo-Fachfrau gegen Hitler. Und Handys gäbe es ohne sie vielleicht auch keine.

Stand: 09.11.2010 | Archiv

9. November 1914: Hedy Lamarr geboren, echte Doppelbegabung

09 November

Dienstag, 09. November 2010

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Als Hedwig Kiesler am 9. November 1914 zur Welt kam, war sie eine Enttäuschung. Die Eltern hätten lieber einen Buben gehabt und fanden das Baby mit dem runden Gesicht und der winzigen Nase nicht sehr hübsch. Das sollte sich ändern. Hedy wuchs zum schönsten Mädchen Wiens heran, ging nach Amerika und wurde unter dem Künstlernamen Lamarr die Hollywood-Ikone der Vierzigerjahre. Reiche Amerikanerinnen rannten den Schönheitschirurgen die Türen ein, weil sie auch eine Hedy-Lamarr-Nase haben wollten.

Heute erinnern sich nur noch die Älteren an sie, an ihre Rolle in "Samson und Delilah" zum Beispiel, einem farbenprächtigen Monumentalschinken aus dem Jahre 1949 mit ein wenig Bibelkunde und vielen lüsternen Blicken. Später stahlen ihr kurvenreichere Schönheiten wie Sophia Loren und Gina Lollobrigida die Show. Im Vergleich zu ihnen wirkte Lamarr altmodisch unnahbar. Für eine Frau, der immer die Aura der Fremdheit anhaftete, fand sich in Hollywood keine rechte Schublade. Man verpasste ihr schmeichelhafte, aber einfallslose Etiketten wie "schönste Frau der Welt" und so weiter, aus denen Lamarr sich nicht viel machte. "Jedes Mädchen kann glamourös sein", sagte sie. "Alles, was du tun musst, ist rumstehen und dumm schauen."

Dumm war Hedy nicht, im Gegenteil, sondern blitzgescheit und risikofreudig. Ihre Karriere begann in Österreich mit einem Paukenschlag: In dem Film "Ekstase" springt die Achtzehnjährige splitternackt in einen Waldsee und liebt sich mit einer attraktiven männlichen Zufallsbekanntschaft in einer Hütte. Die Kamera richtet sich auf Hedys Gesicht und fängt den ersten weiblichen Orgasmus der Filmgeschichte ein. Der Regisseur habe den Effekt hervorgerufen, indem er sie mit einer Sicherheitsnadel in den Hintern piekste, erzählte sie später.

So oder so, im Jahre 1933 war das ein Riesenskandal, aber nicht der Grund für ihre Abreise nach Amerika. Die Gründe hießen Adolf Hitler, den die jüdischstämmige Hedy aus Leibeskräften hasste, und Fritz Mandl, ihr erster Ehemann, ein reicher Waffenhändler, der sie tyrannisierte und mit Hitler und Mussolini Geschäfte machte. Mandl liebte es, sich mit ihr zu schmücken, wenn Geschäftspartner zu Gast waren und über Waffentechnik sprachen, über Torpedos beispielsweise. Womit er wohl nicht rechnete, war, dass Hedy sehr genau die Ohren spitzte. Vielleicht nahm sie auch ein paar geheime Unterlagen mit, als sie vor ihm floh.

Jedenfalls kannte sie sich aus mit Torpedos, und sie wusste, dass die Alliierten im Kampf gegen Hitlerdeutschland eine höhere Trefferquote brauchten. Gemeinsam mit dem Filmkomponisten George Antheil entwickelte sie eine abhörsichere Funkfernsteuerung und erhielt ein Patent darauf. Die Militärs nahmen die Erfindung nicht ernst,  aber bei der Entwicklung ziviler Funkgeräte griff man später auf sie zurück.

Viele Experten behaupten, dass es ohne Hedy heute keine Handys gäbe, andere äußern sich skeptisch: Eine hochentwickelte Technologie auf Vorläuferpatente zurückzuführen, ist schwierig. Immerhin zeigte sich die Electronic Frontier Foundation, eine einflussreiche Cyberlobby, im März 1997 überzeugt genug, um Hedy Lamarr den EFF Pioneer Award zu verleihen, einen Preis für technische Großtaten. Da lebte sie bereits alt, arm und vergessen in Florida und blickte auf ein schweres Leben mit sechs geschiedenen Ehemännern, etlichen Psychoanalytikern, Schönheitschirurgen und Prozessen zurück. Doch bis zu ihrem Tod im Jahr 2000 blieb ihr der Glanz, der von dieser Erfindung her auf ihre Persönlichkeit fällt: Torpedos gegen Hitler, das steht einer Diva gut.


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