Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. Februar 1941 Erster Mensch mit Penicillin behandelt

Durch einen Zufall hatte Alexander Fleming das Penicillin entdeckt – doch seine segensreiche Wirkung als Antibiotikum sollte noch jahrelang unerkannt bleiben. Am 12. Februar 1941 wurde es erstmals an einem Londoner Polizisten getestet. Er hatte sich beim Rasieren geschnitten.

Stand: 12.02.2010 | Archiv

12. Februar 1941: Erster Mensch mit Penicillin behandelt

12 Februar

Freitag, 12. Februar 2010

Autor(in): Christiane Neukirch

Redaktion: Thomas Morawetz

Der Polizeiberuf birgt viele Risiken. Besonders in London, wo Polizisten bis heute unbewaffnet sind. Doch noch mehr Risiken für Leib und Leben lauern dort, wo man sie wohl am wenigsten vermutet: im Haushalt.

Diese Erfahrung musste ein Londoner Polizist machen, dessen Name nicht überliefert ist – wohl aber sein Schicksal: Eines Morgens im Februar 1941 begann er seinen Tag mit den üblichen Handgriffen. Beim Rasieren schnitt er sich ein wenig. Kein Anlass zur Sorge eigentlich. Doch schon kurz darauf rang er mit dem Tod: Diagnose Blutvergiftung. Die üblichen Medikamente versagten. So schnell bemächtigten sich die Bakterien seines Körpers, dass die Ärzte ihm nur noch wenige Stunden gaben. Nur einen Ausweg mochte es noch geben: ein Mittel, das Monate zuvor erstmals an Mäusen erprobt worden war.

Viel wusste man noch nicht über dieses Mittel. Zehn Jahre zuvor hatte ein Zufall zu einer merkwürdigen Entdeckung geführt. Der Bakteriologe Alexander Fleming arbeitete Ende der 20er Jahre am Londoner St. Mary’s Krankenhaus. Als er 1928 aus dem Sommerurlaub zurückkehrte, musste er feststellen, dass er etliche Petrischalen mit Bakterienkulturen hatte stehen lassen. Sie waren in der Hitze allesamt verschimmelt. Fleming war nicht der erste, dem dieses Malheur passierte. Doch etwas hielt ihn zurück, die verdorbenen Proben in den Müll zu werfen: Dort, wo der Schimmel eine flüssige Substanz hinterlassen hatte, waren keine Bakterien zu sehen. Der Pilz hatte sie getötet.

Fleming nannte seinen Fund nach der lateinischen Bezeichnung für den Pilz „Penicillin“ und berichtete darüber in einer Fachzeitschrift. Doch erst Jahre später interessierten sich Forscher dafür. Sie erkannten, was das Interessante an diesem Pilz war: Er machte Bakterien den Garaus, nicht aber weißen Blutkörperchen. War es also möglich, ihn als Heilmittel einzusetzen? Ein Test an Mäusen zeigte durchschlagende Wirkung – und das erste Antibiotikum war geboren.

Die wesentliche Frage blieb jedoch noch offen: Wie würde es beim Menschen wirken?

Da kam den Forschern der unglückselige Polizist gerade recht. Er hatte nichts zu verlieren. So war er am 12. Februar 1941 der erste Mensch, der mit einem Antibiotikum behandelt wurde. Und es wirkte: Nach fünf Tagen war das Fieber verschwunden – und der Penicillinvorrat, der eben erst für diesen Fall hergestellt worden war, war aufgebraucht.

Die Bedeutung der Entdeckung ließ sich nur erahnen. Wie vielen Menschen könnte man nun plötzlich helfen: allein den unzähligen verwundeten Soldaten des Weltkrieges, der seinem Höhepunkt entgegensteuerte! All jenen Soldaten, die bisher oft nur eine Amputation vor der tödlichen Infektion retten konnte. Doch schon bei der Behandlung dieses ersten Patienten zeigte sich das größte Problem: Woher genügend Nachschub nehmen? Der Schimmel wuchs zu langsam. Forscher suchten überall nach schneller wachsenden Formen.

Der Durchbruch kam, als Mary Hunt, Assistentin eines Forschungszentrums in Illinois, im Abfall eines Wochenmarkts vor dem Institut eine stark verschimmelte Melone fand. Der Fund trug ihr einen lebenslangen Spitznamen ein: „Mouldy Mary“, Schimmel-Mary, und bereitete den Weg für die industrielle Herstellung von Penicillin.

Für den Polizisten aus London kam diese Entwicklung zu spät. Das Fieber kehrte zurück, und einen Monat später starb der Mann. Sein Tod lehrte die Mediziner eine wichtige Lektion im Umgang mit Antibiotika: Es genügt nicht, ein Antibiotikum zu nehmen, bis die Symptome verschwunden sind. Erst wenn alle Bakterien tot sind, ist die Behandlung abgeschlossen. Denn was sie nicht umbringt, macht sie stark. Bis heute führt nachlässiger Gebrauch der Antibiotika zu tödlichen Resistenzen – und manche Krankheit ist wieder so gefährlich, als hätte es die Erfindung der Antibiotika nie gegeben.


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